Paenga-HausDas Paenga-Haus (Rapanui: Hare paenga) ist ein Haus der klassischen Osterinsel-Kultur, das der religiösen und politischen Elite vorbehalten war und dessen Form an einen umgedrehten Bootskörper erinnert. Siedlungsstruktur der OsterinselDie typische Siedlung der Osterinsel in klassischer Zeit – etwa von 1000 bis 1650 n. Chr. – lag nahe der Küste, um Zugriff zu der wichtigen Nahrungsquelle Meer zu haben. Sie umfasste Wohnhäuser, Erdöfen (Umu), umhegte Gärten (Manavai) und Hühnerhäuser (Hare moa). Zum Dorf gehörte auch eine Zeremonialplattform (Ahu) als religiöses und machtpolitisches Zentrum. Am nächsten zur Küste und prestigeträchtig unweit der Zeremonialplattform, gruppierten sich die Paenga-Häuser, die den Familien des Adels und der Priesterschaft vorbehalten waren. Bei größeren und bedeutenden Siedlungen gab es zudem ein großes Versammlungshaus (Hare nui), das in der Bauweise den Paenga-Häusern vergleichbar war. Manche Versammlungshäuser hatten nach zeitgenössischen Berichten eine Länge von über 100 Metern.[1] Weiter zum Inselinnern schlossen sich, inmitten weiterer Gärten und Felder, die schlichter gebauten, meist rechteckigen, aber auch runden oder ovalen Hütten der einfachen Stammesmitglieder an. In unmittelbarer Nachbarschaft lagen die aus Stein errichteten Hühnerhäuser (Hare moa). Hühner waren ein wertvolles Gut, sodass dadurch eine ständige Überwachung gewährleistet war.[2]:91 BauweiseDas Wort paenga hat in der Sprache der Osterinsel eine Doppelbedeutung, es bezeichnet sowohl den geschnittenen bzw. bearbeiteten Stein, bedeutet aber auch Großfamilie oder Familienverband.[3] Hare Paenga heißt also sowohl Haus für die Großfamilie, das bezieht sich auf die Nutzung, als auch Haus aus Stein, das bezieht sich auf das beim Bau verwendete Material. Grundlage des Paenga Hauses waren sorgfältig bearbeitete Fundamentsteine aus hartem Basalt, etwa in Größe und Gestalt unserer heutigen Bordsteine, die in Form einer langgestreckten Ellipse ausgelegt und 30 bis 100 cm in den Boden eingegraben wurden. Die Oberseite jedes Steines wies zwei oder mehr Bohrungen auf, in die dünne Äste, wahrscheinlich aus Toromiro-Holz, gesteckt wurden. Die Holzstangen zog man als Rahmenwerk kuppelförmig zusammen und band sie an eine lange Firststange, sodass ein länglichrundes, korbförmiges Gebilde entstand. Die Eindeckung war dreischichtig. Auf den Holzrahmen schnürte man als innerste Schicht geflochtene Matten aus Totora-Schilf. Darauf kam eine Lage aus Zuckerrohrblättern (Toa oder Rau toa) und als äußerste Schicht dienten Grasbündel (Mauku), die an den Querstreben befestigt wurden.[4] Möglich ist auch, aber heute nicht mehr nachvollziehbar, dass man ursprünglich Palmwedel einer Honigpalmenart (der Gattung Jubaea), schuppenartig übereinandergelegt zur Dacheindeckung verwendete. Als die Palmwälder durch Raubbau bereits vernichtet waren, musste man nach alternativen Pflanzenmaterialien suchen. Das Gebäude besaß als Eingang nur einen niedrigen Tunnel, nicht breiter und höher als einen Meter, sodass das Haus nur kriechend betreten werden konnte. An jeder Seite des Eingangstunnels steckte eine kleine Holz- oder Steinfigur als Schutz gegen bösartige Geister (Aku Aku). Der halbkreisförmige Vorplatz war mit Rollkieseln (Poro) gepflastert und diente als Aufenthaltsort für die Bewohner und für die alltäglichen Verrichtungen, wie zum Beispiel Nahrungszubereitung und handwerkliche Tätigkeiten. Unmittelbar daneben lag der Erdofen (Umu), eine quadratische, fünf- oder sechseckige, mit Basaltsteinen ausgekleidete Erdgrube. Der Innenraum des Hauses war nicht unterteilt und wies, wie Roggeveen berichtet, keinerlei Mobiliar auf, lediglich einige hölzerne Haken, die von der Decke hingen und Kalebassen für die Aufbewahrung von Wasser.[5] Carl Friedrich Behrens, nach eigener Behauptung Kommandeur der Seesoldaten Roggeveens, erwähnt auch geflochtene Schlafmatten und rot-weiß gefärbte Decken aus Tapa-Rindenbaststoff.[6] Hare-Paenga waren durchschnittlich zwischen 10 und 15 Metern lang und etwa 1,5 bis 2 m breit. Es gab aber auch vereinzelt größere Häuser zu Wohnzwecken (bis 40 m Länge). Versammlungshäuser waren noch größer.[2]:51 Frühe europäische Berichte und BeschreibungenVom europäischen Entdeckern des 18. Jahrhunderts liegen Reiseberichte vor, die noch intakte und genutzte Paenga-Häuser beschreiben: Georg Forster
Jean-François de La Pérouse
James Cook
Da die ersten europäischen Entdecker sich jeweils nur wenige Stunden auf der Osterinsel aufhielten, sind die Berichte lückenhaft und eurozentrisch geprägt. Sie sind aber insoweit interessant, als sie Tatsachen enthalten, die durch archäologische Befunde heute nicht mehr zu sichern sind, wie zum Beispiel: die vergänglichen Materialien zur Dacheindeckung, die Nutzung als Generationenhäuser für die Großfamilie oder das Fehlen jeglicher Inneneinrichtung. NutzungPaenga-Häuser waren sehr aufwendig gebaut und daher der Machtelite des Stammes, den Familien der Häuptlinge und Priester, vorbehalten. Genutzt wurden sie von der gesamten Großfamilie gemeinsam. Wie bereits die frühen Berichte andeuten, dienten die Häuser nur zum Schlafen und nicht zum ständigen Aufenthalt. Gekocht wurde für die gesamte Familie in dem nahebei gelegenen Erdofen, die Mahlzeiten auf dem gepflasterten Vorplatz eingenommen. Auf dieser Terrasse spielte sich ansonsten auch das gesamte Familienleben ab. Jede Siedlung umfasste nur wenige Paenga-Häuser, die bisherigen Ausgrabungen deuten selbst bei großen Dörfern auf maximal ein halbes Dutzend hin. Die gewöhnlichen Stammesangehörigen wohnten in einfach gebauten und wesentlich kleineren Hütten, die, mitten in den Anbauflächen versteckt, deutlich weiter von der Küste und der Zeremonialplattform entfernt lagen. Insoweit ist es verständlich, dass die Europäer sie bei ihren Kurzbesuchen nicht wahrnahmen bzw. weitgehend nicht für erwähnenswert fanden. HausweiheEs ist einleuchtend, dass die Errichtung eines Hauses von solcher Bedeutung auch besonderer Riten bedurfte. Einen Hinweis darauf gibt der Bericht von Katherine Routledge:
Die in dem Bericht genannten hölzernen Eidechsen sind anthropomorphe Figuren, eine Kombination von Mensch und Eidechse. Die aus Holz geschnitzten Statuetten, wie das gleichnamige Tier moko genannt, haben den Kopf und den Körper der auf der Osterinsel häufigen Echse Ablepharus boutonii (syn.: Cryptoblepharus boutonii, Cryptoblepharus ater) aus der Gattung der Natternaugen-Skinke. Gleichzeitig besitzen sie aber auch menschliche Attribute wie Rückgrat, Rippen, Arme und Hände. Häufig ist auf dem Körper eine Vulva eingekerbt, auf anderen Exemplaren ein beschnittener Penis.[11] Der Echsenschwanz ist unnatürlich verlängert und läuft in einer Spitze aus, was die Beschreibung Routledges, die Figur habe im Boden gesteckt, bestätigt. Nach dem Bericht von Thomson[12] vergrub man geweihte Steine unter dem Türeingang, die das Haus und die Bewohner vor Unheil schützen sollten. LegendeDer Sage nach waren die Paenga-Häuser keine ureigene Erfindung der Osterinsel-Kultur, sondern wurden, wie viele andere nützliche Errungenschaften (Rongorongo-Schrift, Tapa-Rindenbaststoff, Moai u. a.), von Hotu Matua, dem mythischen Gründervater, von der Insel Hiva auf die Osterinsel gebracht. Unter Hotu Matuas Gefolgsleuten befand sich ein Mann namens Nuku Kehu, der legendäre erste Baumeister der Osterinsel.[13] Einzelnachweise
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