Otto BradfischOtto Bradfisch (* 10. Mai 1903 in Zweibrücken; † 22. Juni 1994 in Seeshaupt) war ein deutscher Volkswirt und Jurist, SS-Obersturmbannführer, Führer des Einsatzkommandos 8 der Einsatzgruppe B der Sicherheitspolizei und des SD, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Litzmannstadt (Łódź) und Potsdam. Schule und AusbildungOtto Bradfisch wurde 1903 in Zweibrücken, einer Stadt in der bayrischen Pfalz, als zweites von vier Kindern des Lebensmittelkaufmanns Karl Bradfisch geboren. In Kaiserslautern besuchte er vier Jahre die Volksschule und anschließend das humanistische Gymnasium. 1922 legte er die Reifeprüfung ab. An den Universitäten Freiburg, Leipzig, Heidelberg und Innsbruck studierte Bradfisch Volkswirtschaft. Sein Studium beendete er am 18. Dezember 1926 mit der Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Innsbruck.[1] Anschließend studierte er noch Rechtswissenschaften in Erlangen und München, um seine beruflichen Möglichkeiten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu verbessern. Die erste juristische Staatsprüfung legte er am 17. Februar 1932 ab, die zweite am 20. September 1935. Beruflicher und politischer WerdegangZunächst als Assessor bei der Regierung von Oberbayern beschäftigt, wurde er alsbald als Regierungsassessor in das Bayerische Staatsministerium des Innern versetzt. Bereits zum 1. Januar 1931 war Bradfisch der NSDAP beigetreten (Mitgliedsnummer 405.869).[2] Zur Zeit seines Studiums in München war er als stellvertretender Ortsgruppenleiter in München-Freimann tätig. Am 26. September 1938 trat er der SS (SS-Nr. 310.180) als Obersturmführer bei. In den beiden vorhergehenden Jahren gehörte er dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) an. Auf Anregung eines Bekannten hin bewarb sich Bradfisch für den Dienst in der Gestapo, in die er am 15. März 1937 übernommen und mit der stellvertretenden Leitung der Staatspolizeistelle Neustadt a.d. Weinstraße betraut wurde. Am 4. November 1938 zum Regierungsrat ernannt, verblieb er dort bis zum Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941. Führer des Einsatzkommandos 8 der Einsatzgruppe BDie Einsatzgruppe B gehörte zu den insgesamt vier Einsatzgruppen, die beim „Unternehmen Barbarossa“, dem Krieg gegen die Sowjetunion, für „Sonderaufgaben“ eingesetzt wurden. Sie stand unter der Leitung von Arthur Nebe und gliederte sich in die Einsatzkommandos 8 und 9, die Sonderkommandos 7a und 7b sowie das „Vorkommando Moskau“ und war der Heeresgruppe Mitte zugeteilt. Aufgabe der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD war, entsprechend dem „Kommissarbefehl“ vom 6. Juni 1941 sowie einem schriftlichen Befehl von Reinhard Heydrich vom 2. Juli 1941, in den eroberten Ostgebieten neben der Sicherung des rückwärtigen Armeegebietes und der Wahrnehmung allgemeiner polizeilicher Aufgaben bis zur Einrichtung einer Zivilverwaltung, die „Sonderbehandlung der potentiellen Gegner“, d. h. die Eliminierung
Dieser Personenkreis wurde in Heydrichs Befehl noch ausgeweitet auf alle „politisch untragbaren Elemente“ unter den Kriegsgefangenen und schließlich alle „rassisch Minderwertigen“ wie Juden, Zigeuner und „asiatische Elemente“. Zunächst für die Stelle eines Stabreferenten im Stab der EG B vorgesehen, nahm Bradfisch an einer Grundsatzbesprechung in der Grenzpolizeischule Pretzsch unter Leitung von Heydrich und Heinrich Müller, Leiter des Amtes IV (Gestapo) des RSHA, teil. Anschließend bat der ursprünglich vorgesehene Führer des EK 8, der kommissarische Leiter der Stapostelle Liegnitz Ernst Ehlers, den Führer der EG B Nebe, ihn von dieser Aufgabe zu entbinden. Nebe entsprach Ehlers’ Ersuchen und ersetzte ihn durch Bradfisch als Führer des EK 8. Dieser hatte in Kenntnis der bevorstehenden Aufgaben hiergegen keine Einwände. Das EK 8 unter Bradfischs Leitung bestand aus sechs Teiltrupps in unterschiedlicher Personalstärke, die einem SS-Führer unterstellt waren, mit insgesamt ca. 60–80 Mann. Entsprechend seiner bisherigen Dienststellung als Regierungsrat und Leiter der Staatspolizeistelle Neustadt a.d. Weinstraße, wurde Bradfisch als Führer des EK 8 der Angleichungsdienstgrad eines SS-Sturmbannführers verliehen. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 rückte das EK 8 im Gefolge der Heeresgruppe Mitte über Białystok und Baranowicze Ende Juli 1941 in Minsk ein. Am 9. September 1941 erreichte es Mogilew, wo im Hinblick auf das Stocken der deutschen Offensive nach der erfolgreichen Kesselschlacht bei Smolensk und dem bevorstehenden Winter fester Aufenthalt genommen wurde. Zur Art und Weise, wie das EK 8 seine befohlenen Aufgaben erfüllte und wie sie mehr oder weniger bei allen Einsatzkommandos gleich waren, hat das Landgericht München I im Urteil vom 21. Juli 1961 folgende Schilderung gegeben:[4]
Bradfisch war als Führer des EK 8 verantwortlich für alle Maßnahmen und Exekutionen. Teilweise hat er die Exekutionen selbst geleitet und in Einzelfällen auch eigenhändig geschossen. Beispielhaft seien genannt:
Über die Tätigkeit seines Einsatzkommandos hatte Bradfisch der übergeordneten Einsatzgruppe B zu berichten, die diese zusammengefasst mit denen der anderen Einsatzkommandos an das RSHA sandte. Dort wurden vom Amt IV A die einzelnen Meldungen zu den Ereignismeldungen komprimiert. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SDBradfisch war bis März 1942 als Leiter des EK 8 tätig. Am 26. April 1942 wurde er in das von den Nationalsozialisten „Litzmannstadt“ genannte Łódź versetzt und zum Leiter der dortigen Staatspolizeistelle ernannt. In dieser Funktion war er auch verantwortlich für die Judendeportationen ins Vernichtungslager Kulmhof. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD wurde er im Sommer 1942. Im Herbst desselben Jahres erfolgte seine kommissarische Bestellung zum Oberbürgermeister von Litzmannstadt. In dieser Eigenschaft wurde er auch am 25. Januar 1943 zum Oberregierungsrat bzw. SS-Obersturmbannführer befördert. KriegsendeNach der kriegsbedingten Räumung der Stadt im Dezember 1944 war Bradfisch während der letzten Kriegsmonate als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Potsdam tätig. Er konnte sich beim Herannahen der Roten Armee nach Westen absetzen und ein Wehrmachtssoldbuch auf dem Namen eines Unteroffiziers Karl Ebers verschaffen. Zunächst in amerikanischer Kriegsgefangenschaft befindlich, wurde er englische, Gewahrsam übergeben und bereits im August 1945 entlassen. NachkriegszeitBis 1953 konnte Bradfisch unter dem Namen Karl Ebers seine wahre Identität verbergen. Er war anfangs in der Landwirtschaft und später im Bergbau beschäftigt. Als Versicherungsangestellter in Kaiserslautern, zuletzt bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung als Bezirksdirektor, nahm er wieder seinen richtigen Namen an. Am 21. April 1958 wurde Bradfisch vorläufig festgenommen und mit Urteil des Landgerichts I München vom 21. Juli 1961 Az.: 22 Ks 1/61 wegen eines in Mittäterschaft begangenen Verbrechens der Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 15.000 Fällen zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.[5] 1963 wurde er in Hannover ein weiteres Mal verurteilt, die beiden Haftstrafen wurden zu einer Dauer von 13 Jahren zusammengefasst. Bereits am 16. Oktober 1965 konnte er das Gefängnis für längere Zeit verlassen.[6] 1969 wurde er unter Mithilfe des Theologen Hermann Schlingensiepen vorzeitig entlassen.[7] Aus seiner am 23. November 1932 geschlossenen Ehe gingen drei Kinder hervor, von denen das jüngste in Litzmannstadt geborene Mädchen 1945 auf der Flucht vor den sowjetischen Truppen umkam. Literatur
Einzelnachweise
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