Oskar Kraus war der Sohn von Hermann Kraus und Clara Reitler-Eidlitz. Kraus konvertierte später vom jüdischen zum protestantischen Glauben. 1890 begann er ein Studium von Jura und Philosophie bei Friedrich Jodl und Anton Marty, der ihn in Franz Brentanos Denken einführt. 1895 wurde Kraus zum Doktor der Rechte promoviert, trat 1896 in die Finanzprokuratur ein und heiratete 1899 Bertha Chitz. 1902 habilitierte er sich in Philosophie. 1909 lehrt er als außerordentlicher Professor, 1911 vollzeitig, 1916 als ordentlicher Professor auf dem Lehrstuhl Martys. 1939 wurde er von den Deutschen beim Einmarsch in die Tschechoslowakei verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht; er wurde jedoch freigelassen und konnte nach Großbritannien flüchten. An der Universität Edinburgh hielt er 1941 Gifford Lectures. 1942 stirbt Kraus an Krebs.[1]
Unter dem Einfluss von Brentano entwickelt Kraus eine apriorische Wertaxiomatik, welch er der marxistischen Werttheorie gegenüberstellt. Auf dem Gebiet der Wirtschaftsphilosophie wandte Kraus die psychologische Methode an und benutzt (neben seiner Wertaxiomatik) das Summierungsprinzip und den Hoffnungswert zur Chancenbewertung.
Auf dem Gebiet der Rechtslehre bekämpfte er Historismus und Positivismus unter Berufung auf die Rechtspflicht und der Pflicht überhaupt und entwickelt eine juristische Hermeneutik.
Große Popularität erlangte Kraus mit seinem [h]umoristischen Epos aus dem Gymnasialleben, der Meyeriade, bestehend aus 24 Gesängen in Hexametern, die Kraus als erst Sechzehnjähriger „ursprünglich 1888 für die Kneipzeitung der 6. Klasse [= 10. Klasse in Deutschland und der Schweiz] des Graben-Gymnasiums [schrieb]“ und die „[s]chon drei Jahre später [...] der Reclam Verlag in Leipzig [...] für seine ‚Universalbibliothek‘ [übernahm].“[2] Laut Egon Erwin Kisch war die Meyeriade um die Jahrhundertwende 1900 und noch einige Zeit danach „neben dem ersten Teil des ‚Faust‘ und Schillers‚Wilhelm Tell‘ [...] das weitestverbreitete Bändchen von Reclams Universalbibliothek“[3].
Publikationen
ΜΕΥΡΙΑΣ. Die Meyeriade. Humoristisches Epos aus dem Gymnasialleben. Reclam, Leipzig 1891, (= Reclams Universal-Bibliothek. 2980.) Zahlreiche Neuauflagen. Auch in: Heinrich Pleticha (Hrsg.): Piaristen und Gymnasiasten. Schülerleben im alten Prag. Vitalis-Verlag, o. O. [Furth i. Wald u. Prag] 2001 (= Bibliotheca Bohemica. 40.) ISBN 3-934774-40-7, S. 30–84. Ebd. S. 91–99 auch Der Meyeriade fünfundzwanzigster Gesang. Nach 35 Jahren, erstmals erschienen in Paul NettlsAlt-Prager Almanach (Die Bücherstube, Prag 1926).
Das Bedürfnis. Ein Beitrag zur beschreibenden Psychologie, Leipzig 1894
Zur Theorie des Wertes. Eine Bentham-Studie, Niemeyer, Halle a. d. Saale 1901
Die Lehre von Lob, Lohn, Tadel und Strafe bei Aristoteles, Halle a. d. Saale 1905
Die aristotelische Werttheorie in ihren Beziehungen zu den modernen Psychologenschule. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. 61 (1905), 573-92.
Über eine altüberlieferte Mißdeutung der epideiktischen Redegattung bei Aristoteles. Halle a. d. Saale 1905
Neue Studien zur Aristotelischen Rhetorik, insbesondere über das genos epideiktikon. Halle a. d. Saale 1907
Das Recht zu strafen. Eine rechtsphilosophische Untersuchung, Stuttgart 1911
Martys Leben und Werke. Eine Skizze. In: Josef Eisenmeier, Alfred Kastil und Oskar Kraus (Hrsg.): Anton Marty, Gesammelte Schriften. Bd. I, 1. Abteilung, Halle a. d. Saale 1916
Der Krieg, die Friedensfrage und die Philosophen. Ein Vortrag, Prag 1917
Der Machtgedanke und die Friedensidee in der Philosophie der Engländer Bacon und Bentham, Leipzig 1926
Albert Schweitzer. Sein Werk und seine Weltanschauung, Berlin 1926/1929. engl.: His Work and his Philosophy, übers. v. E. G. McCalman, eingeführt v. A. D. Lindsay, London 1944
Bertrand Russells Analyse des Geistes. In: Archiv für die gesamte Psychologie, 75 (1930), S. 289–314, auch in: Wege und Abwege der Philosophie, Vorträge und Abhandlungen von Oskar Kraus, Calve, Prag 1934, S. 37–61.
'Festschriftbeitrag in: Th. G. Masaryk zum 80. Geburtstag. Bonn 1930
Wege und Abwege der Philosophie. Vorträge und Abhandlungen, Prag 1934
Die Werttheorien. Geschichte und Kritik. Rohrer, Brünn / Wien / Leipzig 1937
Grundzüge der Weltanschauung Thomas Garrigue Masaryks, 1937
↑Heinrich Pleticha: Vorwort. In: Heinrich Pleticha (Hrsg.): Piaristen und Gymnasiasten. Schülerleben im alten Prag. Vitalis-Verlag, o. O. [Furth i. Wald u. Prag] 2001. (= Bibliotheca Bohemica. 40.) ISBN 3-934774-40-7. S. 7–10. S. 8.
↑Egon Erwin Kisch: Was aus ihnen wurde. In: Heinrich Pleticha (Hrsg.): Piaristen und Gymnasiasten. Schülerleben im alten Prag. Vitalis-Verlag, o. O. [Furth i. Wald u. Prag] 2001. (= Bibliotheca Bohemica. 40.) ISBN 3-934774-40-7. S. 85–90. S. 87. Zuerst unter dem Titel Die Meyeriade erschienen in Kischs Buch Abenteuer in Prag (Strache, Wien, Prag u. Leipzig 1920, S. 117–122)