Als normannisch-arabisch-byzantinische Kunst wird eine für Sizilien typische christlich-islamische Mischkultur bezeichnet, die nach der normannischen Eroberung Palermos zwischen 1060 und 1088 aufkam und im 13. Jahrhundert durch die normannisch-staufische Kunst abgelöst wurde. Sie wird auch als Normannisch-sizilianischer Stil oder als Sizilianische Romanik bezeichnet. Ihre Auswirkungen sind jedoch bis nach Salerno auf dem italienischen Festland bzw. bis in die nachfolgende Gotik zu bemerken.
Zu dieser Synthese kam es, weil die Normannen Sizilien nicht besiedelten, sondern dort lediglich die Führungsschicht stellten. Die Bevölkerung und somit auch die Handwerker und Künstler, die die normannischen Bauwerke ausführten, war nach wie vor eine Mischung aus der griechisch-byzantinischen Bevölkerung und den muslimischen Arabern, die im 9. Jahrhundert die Insel erobert und bevölkert hatten. Auch am Hof kam es vorübergehend zu einer Symbiose, die Normannenkönige umgaben sich sowohl mit griechischen als auch mit arabischen Beratern, hielten sich einen orientalischen Harem, wählten Regierungsmottos aus dem Koran und ließen islamische Ehrennamen auf ihre Münzen prägen.
Architektur
Der Baustil dieser Epoche in Sizilien und benachbarten Teilen des italienischen Festlandes unterscheidet sich von der zeitgleichen Romanik des übrigen Italien und des übrigen lateinischen Europa, indem hier abendländische, islamische und byzantinische Einflüsse zu einer harmonischen Einheit zusammenfließen. Da der normannische König Roger II. als „Verteidiger des Christentums“ auf der einen Seite, aber auch als „König von Ifrīqiya“ auf der anderen Seite weiterhin Kirche und Papsttum mit großzügigen Bauten zu gewinnen trachtete, sind die typischsten Vertreter dieses Architekturstils vor allem Kirchenbauten.
Ein paar dieser Kirchen, darunter die beiden Peter- und Pauls-Kirchen (Santi Pietro e Paolo), wurden für griechischsprachige Gemeinschaften orthodoxen Ritus gebaut.
Beispiele für Bauwerke im arabisch-byzantinisch-normannischen Stil sind:
San Tommaso Apostolo il Vecchio (BILDER) (spätes 11. Jh.)
Ssima. Annunziata dei Catalani[1](BILDER) (zw. 1150 und 1200), Einschüsse von Backstein in der Westfassade und im Inneren, Ostfassade hingegen virtuoses Steinmosaik.
„Terme arabe“ in Cefalà Diana, 2. Hälfte 12. Jh.[9] Dieses Thermalbad mit mehreren Räumen wurde also nach Ende der islamischen Herrschaft errichtet, trägt aber auf seiner Außenseite einen Schriftzug in arabischer Zierschrift.
Auf dem Festland
San Michele Arcangelo[10](BILDER) in Itri, Glockengeschoss 11. Jh.
Viersprachig beschriftete Grabplatte von 1149, Museo della Zisa
Mantel Rogers II., Hofburg, Wien
Dichtkunst
Aus einer Vermischung normannischer, französischer, griechischer, arabischer und sizilianischer Elemente entstand die Sizilianische Dichterschule.
Beispiel
Als Beispiel für die Synthese der verschiedenen Stile wird die Kathedrale von Monreale erläutert, da sie meist als herausragendstes Bauwerk dieser Richtung angesehen wird.
Der gedrungene Außenbau entspricht der normannischen Bauweise im romanischen Baustil. Fassadendetails wie der Kreuzbogenfries aus sich überschneidenden Blendbögen, die über dem Vorbau an der Fassade und besonders eindrucksvoll mit Intarsienarbeiten an den Rückapsiden zu erkennen sind, sind arabische Stilelemente. Im Inneren zeigen die Goldgrundmosaiken an den Wänden den byzantinischen Einfluss, die Spitzbögen wiederum arabischen.
Brigit Carnabuci: Sizilien. Griechische Tempel, römische Villen, normannische Dome und barocke Städte im Zentrum des Mittelmeeres (= DuMont Kunst-Reiseführer). 6., aktualisierte Auflage. DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2011, ISBN 978-3-7701-4385-6.
Ibn Ğubair: Bericht über die Stadt Messina auf der Insel Sizilien. Manfred Fleischhammer (Hrsg.): Altarabische Prosa (= Reclams Universal-Bibliothek. Bd. 1250). Reclam, Leipzig 1988, ISBN 3-379-00334-4, S. 192 ff.
Günter Kettermann: Atlas zur Geschichte des Islam. Wissenschaftlich Buchgesellschaft, Darmstadt 2001, ISBN 3-534-14118-0.
Museum ohne Grenzen (Hrsg.): Arabisch-normannische Kunst. Siziliens Kultur im Mittelalter (= Internationaler Ausstellungsstraßen-Zyklus Museum Ohne Grenzen. Islamische Kunst im Mittelmeerraum. Italien. Sizilien). Ernst Wasmuth, Tübingen u. a. 2004, ISBN 3-8030-4102-3.