Gesicherte Daten über das Leben von Niklaus Manuel liegen erst ab 1509 vor, auch das Geburtsjahr wird erst in späteren glaubhaften Urkunden erwähnt. Vermutlich ist er der Sohn des in Bern ansässigen Apothekers Emanuel de Alemanis (auch Allemanis) und der Margaretha Fricker (auch Frikart), einer ausserehelichen Tochter des aus Brugg stammenden Thüring Fricker, Stadtschreiber in Bern. Er gilt als Stammvater der Patrizierfamilie Manuel.
Über seine Jugend und Ausbildung ist nichts bekannt. 1509 heiratete er Katharina Frisching, die Tochter des Hans Frisching (I.), eines ehemaligen Landvogts von Erlach, Aarburg, Echallens und Nidau sowie Mitglied des Kleinen Rates. Anlässlich der Hochzeit legte er den bis dahin getragenen Namen Aleman (auch Alleman) ab und nannte sich nur noch Niklaus Manuel. Signatur und Siegel Manuels tragen seit diesem Zeitpunkt die Initialen N M D, die anfangs getrennt und später ligiert und durch einen Dolch verbunden geschrieben wurden. Es wird allgemein angenommen, dass der Buchstabe «D» für die eingedeutschte Fassung des Namens Aleman steht. Aus der Ehe mit Katharina gingen sechs Kinder hervor:
Margaretha, (* 1516)
Hieronymus, (* 1520; † 1579)
Magdalena, (* 1524)
Hans Rudolf, (* 1525; † 1571), Maler, Zeichner, Holzschnitzer und Dichter
Johannes, (* 1527)
Niklaus Manuel Deutsch d. J., (* 1528; † 1588), Glasmaler
Vor 1511 wurde Niklaus Manuel Mitglied des Grossen Rats in Bern. 1512 wurde er in die Gesellschaft zu Ober-Gerwern aufgenommen. Im Jahr 1513 wurde er in den Rechnungen der Stadt Bern erstmals offiziell als Maler geführt und erhielt nachweislich mehrere Aufträge. Im Folgejahr erwarb er das Haus Gerechtigkeitsgasse 72, welches bis ins 17. Jahrhundert in Familienbesitz verblieb.
1516 verdingte er sich als Reisläufer und nahm als Sekretär des Söldnerführers Albrecht vom Stein in französischem Dienst am Mailänderfeldzug teil. Zwischen 1516/17 begann er seinen berühmten Totentanz an die Mauer des Dominikanerklosters in Bern zu malen. Mit seiner Werkstatt bemalte er vor 1517 das Chorgewölbe des Berner Münsters mit den 86 Schlusssteinen.[1] Es folgten zahlreiche weitere Werke. 1518 entstand die Holzschnittfolge Die kluge und die törichte Jungfrau. Gegen 1520 entstanden die letzten signierten Malereien.
In den Folgejahren widmete er sich verstärkt seinen literarischen Arbeiten. 1520 wurde er Venner zu Gerwern und bekleidete damit ein weiteres wichtiges Amt in seiner Heimatstadt.
Erfolgreich trat er für die Durchsetzung der Reformation in Bern ein. Seine drastischen antikatholischen Fasnachtsspiele fanden in der Bevölkerung starken Widerhall und sollen für die Sache der Reformation in Bern mehr getan haben als die Predigten von Berchtold Haller. Ähnlich wirkte sein Totentanz, der den Klerus nicht gerade schmeichelhaft darstellte. Niklaus Manuel gehörte zu den führenden Leuten der Reformation in Bern und bereiste in dieser Mission zahlreiche Schweizer Städte.
1522 verdingte sich Niklaus Manuel ein weiteres Mal als Feldschreiber bei Albrecht vom Stein und nahm an einem weiteren Kriegszug in die Lombardei teil. Bei Novara wurde er dabei an der Hand verwundet. Später nahm er auch noch an der Schlacht bei Bicocca teil. 1523 wurde er Landvogt von Erlach, Echallens und Nidau. 1526 war er als Deputierter kurzzeitig an der eidgenössischen Tagsatzung in Baden. Ab April 1528 wird er erstmals als Mitglied des Kleinen Rates von Bern geführt. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tode.
Künstlerisches Wirken
In seiner Dramatik vereinigte Manuel das christliche geistliche Spiel mit Elementen des Fastnachtsspiels zu lebensnahen politisch aktuellen Stücken von künstlerischem Rang. Manche seiner Werke illustrierte er selbst. Eine Gesamtausgabe seiner Dramen besorgte J. Bächtold 1878.
Als Maler und Holzschnittkünstler war er von der italienischen Renaissance und Albrecht Dürer beeinflusst. Neben Holbein war er der bedeutendste Vertreter der Renaissancemalerei auf Schweizer Boden. Er schuf Entwürfe für Goldschmiedearbeiten, Altarbilder, Porträts und andere Gemälde. Seine farbenstarken und linear bewegten Bilder stellten meist mythologische oder biblische Szenen dar, als Glasmaler stand er unter dem Einfluss von Hans Baldung. Das berühmteste seiner Werke war der 1516/17 bis 1519/20 entstandene Berner Totentanz auf der südlichen, mehr als hundert Meter langen Kirchhofmauer des Berner Dominikanerklosters, das 1660 beim Abbruch der Mauer zerstört wurde.[2]
Nachdem der Münsterbaumeister Peter Pfister 1515/17 das neue Netzgewölbe im Chor des Berner Münsters eingezogen hatte, wurden von Manuel und seinen Gesellen die Spickel mit Ornamenten ausgemalt. Die Maureskenmalerei der Gewölbekappen wurde ohne Vorzeichnung oder Schablonen freihändig aufgetragen. Bei der jüngsten Restaurierung 2015 bis 2017 wurden der Untergrund und die originalen Farben gereinigt und gesichert.[3]
Ein Attika-Standbild Niklaus Manuels steht an der Fassade des Hauptgebäudes der Berner Kantonalbank, an seinem Wohnhaus Gerechtigkeitsgasse 72 wurde eine Gedenktafel angebracht.
Kunstwerke
Ausgewählte Gemälde
Basel, Öffentliche Kunstsammlung
Pyramus und Thisbe. um 1513/14
Die heilige Anna Selbdritt mit den heiligen Jakobus und Rochus als Fürbitter für die von der Pest geplagte Menschheit. um 1514/15
Die Enthauptung des heiligen Johannes des Täufers. um 1517
Beidseitig bemalte Tafel. 1517
Vorderseite: Der Tod als Landsknecht umarmt ein Mädchen.
Rückseite: Bathseba im Bade.
Lukretia. 1517
Das Urteil des Paris. um 1517/18
Bern, Kunstmuseum
Zwei Flügel eines Altars der heiligen Anna. 1515
Linker Flügel (aussen): Der heilige Eligius in seiner Werkstatt.
Rechter Flügel (aussen): Der heilige Lukas malt die Madonna.
Rechter Flügel (innen): Die Geburt Mariae.
Bildnis eines Mannes. um 1515
Das Martyrium der heiligen Ursula. um 1515/16
Die Enthauptung des heiligen Johannes des Täufers. um 1515/16
Zwei Flügel eines Altars der heiligen Katharina. um 1516
Beide Flügel (aussen): Die Marter der zehntausend Christen.
Linker Flügel (innen): Der heilige Achatius.
Rechter Flügel (innen): Die heilige Barbara.
Die Bekehrung des Saulus. um 1516/17
Beidseitig bemalte Tafel. um 1516 – 1520
Vorderseite: Die Anbetung der Könige.
Rückseite: Die Aussendung der Apostel. (nur noch fragmentarisch erhalten)
Zwei Flügel eines Altars des heiligen Antonius Eremita. 1520
Linker Flügel (aussen): Die Versuchung des heiligen Antonius durch eine Frau.
Linker Flügel (innen – abgetrennt): Der heilige Antonius heilt Kranke und Besessene.
Rechter Flügel (aussen): Die Versuchung des heiligen Antonius durch die Dämonen.
Rechter Flügel (innen): Die heiligen Eremiten Antonius und Paulus in der Wüste.
Bildnis eines Ritters vom Heiligen Grab. 1520
Selbstbildnis. 1520
Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart
Flügel eines Marienaltars. 1515
Linker Flügel (aussen): Der heilige Eligius als Goldschmied.
Linker Flügel (innen ): Die Begegnung an der Goldenen Pforte.
Ausgewählte Zeichnungen
Basel, Öffentliche Kunstsammlung
Scheibenriss mit von einer Frau gehaltenem Wappen Hattstadts vor einer Landschaft mit Burg, sowie Kämpfenden wilden Männern und ihre Kinder pflegende wilde Frauen. um 1508 – 1512
Die Versuchung des heiligen Antonius.
Berlin, Kupferstichkabinett
Felseninsel. um 1510 – 1515
Stehende Hexe. um 1518
Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie
Bildnis einer jungen Frau. um 1528 – 1530
Bildnis eines jungen Mannes. um 1528 – 1530
Los Angeles, J. Paul Getty Museum
Die Verspottung Christi. um 1513/14
New York, Frick Collection
Landsknecht mit Fahne und reitende Frau. um 1522
Paris, Musée National du Louvre
Allegorie des Todes.
Literarisches Werk
Vom Papst und Christi Gegensatz, 1522 (Drama)
Ein hübsch neu Lied und Verantwortung des Sturms halb beschehen zu Pigogga, 1524
Vom Papst und seiner Priesterschaft, 1524 (Schauspiel)
Der Ablasskrämer, 1525 (Schauspiel)
Barbali, 1526
Fabers und Eggen Badenfahrt, 1526 (Gedichte)
Krankheit und Testament der Messe, 1528 (Satire)
Ein neu hübsch Spiel von Elsli Tragdenknaben, 1529
Trivia
Die Manuelstrasse in Bern ist seit 1900 nach Niklaus Manuel benannt.[5]
Die von Hans Frei gestaltete Bernische Reformationsmedaille von 1928 zum 400. Jubiläum der Berner Disputation zeigt avers ein Porträt von Niklaus Manuel mit dem umlaufenden Satz 'N. MANVEL PRAEC. DISPVT. BERN'.
Literatur
Ludwig Eckardt: Niklaus Manuel. Roman aus der Zeit der schweizerischen Glaubenskämpfe. Karl Hochhausen, Wenigen-Jena 1862. Goole
Michael Egli, Hans Christoph von Tavel: Niklaus Manuel. Catalogue raisonné. Mit Beiträgen von Petra Barton Sigrist. Hrsg.: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Burgerbibliothek Bern. Schwabe, Basel 2017 (= Oeuvrekataloge Schweizer Künstler und Künstlerinnen; 29; Schriften der Burgerbibliothek Bern), ISBN 978-3-7965-3630-4.
Glenn Ehrstine: Theater, Culture, and Community in Reformation Bern, 1523–1555 (= Studies in Medieval and Reformation Thought, 85). Brill, Leiden 2002, ISBN 90-04-12353-9.
Lucas Marco Gisi: Niklaus Manuel und der Berner Bildersturm. In: Peter Blickle, André Holenstein, Heinrich Richard Schmidt, Franz-Josef Sladeczek (Hrsg.): Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte (= Historische Zeitschrift. Beihefte 33). Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-64433-5, S. 143–163.
Hans-Jürgen Greif: Das Urteil. Der Maler Niklaus Manuel Deutsch in den Wirren der Reformation. Roman. (Le jugement) Stämpfli, Bern 2011. (frz. Version übers. vom Autor)
Hans Rudolf Lavater: Niklaus Manuel Deutsch – Themen und Tendenzen. In: 450 Jahre Berner Reformation (= Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 64/65). Stämpfli, Bern 1981, S. 60–103.
Hugo Wagner: Der einstige Hochaltar der Predigerkirche zu Bern von Niklaus Manuel. Zu seiner Rekonstruktion. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 34 (1977), S. 280–293. doi:10.5169/seals-166759
Berchtold Weber: Strassen und ihre Namen. Am Beispiel der Stadt Bern. Bern 1990.
Paul Zinsli: Niklaus Manuels Satire von der «Krankheit der Messe». In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Bd. 54, 1992, Heft 1, S. 3–58. (Digitalisat).
Michael Egli und Hans Christoph von Tavel: Niklaus Manuel. Catalogue raisonné. Mit Beiträgen von Petra Barton Sigrist. Hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft und von der Burgerbibliothek BernBasel 2017 (Online-Publikation).
↑Stefan Gasser: Die Gewölbeschlusssteine des Berner Münsterchors. In: Das Berner Münster, 500 Jahre Chorgewölbe (= Kunst und Architektur in der Schweiz). Jg. 68, Nr.2. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2017, ISBN 978-3-03797-299-1, S.16–24.