In den Bedingungen für Wertpapierhandel haben die Börsen Regeln dazu verankert, wann ein Mistrade vorliegt, unter welchen Bedingungen ein solches Geschäft storniert oder rückabgewickelt wird und welche weiteren Folgen wie Schadensersatz oder Vertragsstrafen sich ergeben.
In einer Empfehlung des Bundesrates, die jedoch nicht ins Börsengesetz übernommen wurde, hieß es: „Grundsätzlich gewährleistet das deutsche Rechtssystem Rechtssicherheit hinsichtlich zustande gekommener Geschäfte. Hiervon kann durch Regelungen der Börsen (Mistrade-Regeln) abgewichen werden“.[2]
Wirkungen
Mistrades kommen relativ selten vor. Die Börse Stuttgart gab z. B. für das Jahr 2005 an, dass für 0,006 % aller Geschäfte Mistradeanträge gestellt worden seien.[3]
Sie führen leicht zu erheblichen Schäden. Die Börse Tokio wurde Ende 2005 heftig dafür kritisiert, dass sie über keine angemessenen Mistrade-Regeln verfüge. Ein Händler, der eine J-Com-Aktie für 610.000 Yen verkaufen wollte, erfasste eine Order über 610.000 Aktien zu einem Yen. Die Börse Tokio setzte den Handel für dieses Papier weder aus, noch erfolgte ein Stornierung der Wertpapierorder. Der Schaden für die Bank betrug 300 Millionen Euro.[4]
Börse Frankfurt
An der Börse Frankfurt sind die Mistrade-Regeln beispielsweise in den „Ausführungsbestimmung zu § 29 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse (Mistrade-Regel)“ festgelegt.[5]
Danach liegt ein Mistrade beim Skontro-gestützten Handel vor, wenn
ein Fehler im technischen System der Börse vorliegt,
ein Irrtum bei der Eingabe des Limits eines Auftrags erfolgte und der Preis dadurch nicht marktgerecht war,
bei einem offensichtlich nicht zu einem marktgerechten Preis gestellten Preis,
bei Nichtaufhebung des Geschäfts ein Schaden von mindestens eintausend Euro entstünde.
Die fehlerhafte Eingabe des Volumens berechtigt nicht zur Stellung eines Mistrade-Antrags.
Fristen für Mistradeanträge
Um Rechtssicherheit und Marktintegrität nach der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie zu schaffen und langwierige Gerichtsprozesse zu vermeiden, gibt es an allen Börsen zeitlich sehr enge Fristen, um Mistradeanträge zu stellen.
An der Frankfurter Wertpapierbörse „ist der Mistrade-Antrag innerhalb von zwei Handelsstunden nach Zugang der Ausführungsbestätigung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 zu stellen“.[6]
Soweit bei Geschäften in anderen Wertpapieren als strukturierten Produkten, die in der fortlaufenden Auktion gehandelt werden, die Antragsfrist gemäß Satz 1 nach Ende der Handelszeit eines Börsentages endet, ist der Mistrade-Antrag spätestens eine halbe Stunde nach Ende der Handelszeit zu stellen.[7] Nach § 32 ersetzt die Mistraderegelung der Börsenordnung die gesetzlichen Anfechtungsfristen nach § 119 BGB.[8]
An der Eurex muss ein Mistrade-Antrag innerhalb vom 30 Minuten gestellt werden. In Ausnahmefällen kann auch einem Mistrade-Antrag, der drei Stunden nach dem Handelsabschluss eintrifft, stattgegeben werden.[9] Auch hier ersetzt die Mistraderegelung die gesetzlichen Anfechtungsfristen nach § 119 BGB.[10]
An der NYSE-Euronext Liffe (Paris, Brüssel, Amsterdam) muss die „Market Services“ Abteilung innerhalb von 30 Minuten, ausgehend vom Handelszeitpunkt kontaktiert werden, um eine Aufhebung zu beantragen.[13]
An der London Stock Exchange muss ein „clearly erroneous trade“ innerhalb von 30 Minuten angemeldet werden.[16]
Im außerbörslichen Handel regeln individuelle Mistradevereinbarungen zwischen den depotführenden Banken und den Handelspartnern die Fristen für einen Mistrade.[17] Obwohl es somit eine Vielzahl von Regelungen gibt, haben alle Regelungen gemeinsam, dass spätestes am nächsten Handelstag um 12 Uhr die Frist für einen Mistradeantrag endet.
In einer Obiter-dictum-Entscheidung des Bundesgerichtshofs erlauben Mistrade-Klauseln „die eng befristete Möglichkeit (eröffnen), sich einseitig vom Vertrag zu lösen, wenn das Geschäft zu einem nicht marktgerechten Preis abgeschlossen wurde“.[18]
Damit die Mistrade-Regeln nicht umgangen werden und Gerichte im Nachgang sich nicht doch mit der Frage beschäftigen müssen, ob ein Geschäft Bestand hat oder nicht, sind an den meisten Börsen zivilrechtliche Anfechtungsmöglichkeiten zur Aufhebung des Geschäftes explizit ausgeschlossen.[19][20][21]
Nur so ist es zivilrechtlich möglich, dass auch offensichtliche Mistrades nicht im Nachhinein durch Irrtumsanfechtungen aufgehoben werden und die Banken somit die Verluste tragen müssten.[22]
Jens Ekkenga schreibt im Münchener Kommentar zum HGB: „Begründet wird der zurückhaltende Umgang mit der Irrtumsanfechtung im Effektengeschäft zum einen damit, dass die Anfechtung typischer Geschäfts des Massenverkehrs eine der Verkehrssicherheit abträglichen Breitenwirkung entfalten könnte“.[23]
Bekannte große Mistrades
Im Jahr 2005 kauften Anleger Optionsscheine von einer Bank. Diese hatte sich offensichtlich bei der Bepreisung um das zehnfache geirrt und passte nachträglich die Emissionsbedigungen an. Der BGH entschied jedoch „Klauseln in Allgemeinen Emissionsbedingungen, nach denen der Emittent von Optionsscheinen die Bedingungen ändern kann, soweit ihm dies angemessen und erforderlich erscheint, um dem wirtschaftlichen Zweck der Bedingungen gerecht zu werden, falls die Änderung dazu dienen soll, einen offensichtlichen Irrtum zu berichtigen, sind gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam“.[24] Unbestätigten Meldungen zufolge lag der Gesamtschaden bei 60 Mio. Euro.
Im Jahr 2006 verkaufte ein Händler der Mizuho Securities in Japan aufgrund eines Fat-Finger-Fehlers Aktien in extrem großer Stückzahl. Offenbar kostete es 40 Mrd. Yen, um den Fehler wieder auszugleichen.[25]
Im Jahr 2014 platzierte ein japanischer Broker Wertpapieraufträge im Wert von 600 Mrd. USD an der Börse, die jedoch nicht ausgeführt wurden. Wäre die Order erfüllt worden, hätte sie im Wert das Bruttoinlandsprodukt von Schweden überstiegen.[26][27]
2015 ereignete sich laut Focus[28], Bloomberg[29] und FAZ[30] ein großer Mistrade in Deutschland, als die französische BNP Paribas Arbitrage dem Frankfurter Investor Armin S. Zertifikate für 326.400 EUR verkaufte, deren tatsächlicher Wert im Nachhinein von der BNP auf 163 Mio. EUR taxiert wurde.[31][32][33] Die BNP hatte nicht nur dieses Zertifikat falsch bewertet, sondern auch mehr als 8000 andere Zertifikate nicht gebucht, so dass der Fehler nicht erkannt werden konnte.[34][35]
2016 verlor das britische Pfund innerhalb weniger Minuten 6 % gegenüber dem US-Dollar – ein Flash Crash. Man vermutet, dass der Auslöser des Kurssturzes das Versehen eines Händlers war.[36][37]
Angela Lindfeld: Die Mistrade-Regeln: Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Stornierung von Wertpapiergeschäften im börslichen und außerbörslichen Handel. Nomos, Baden-Baden 2008, ISBN 3-8329-3599-1.
↑BT-Drs. 16/4028 vom 12. Januar 2007, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz), S. 291
↑Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse. (PDF) Börse Frankfurt, 30. November 2015, S. 13, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Januar 2017; abgerufen am 20. November 2016: „Bei Geschäften in Wertpapieren, die in der Fortlaufenden Auktion gehandelt werden, ist der Mistrade-Antrag innerhalb von zwei Handelsstunden nach Zugang der Ausführungsbestätigung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 zu stellen. Soweit bei Geschäften in anderen Wertpapieren als strukturierten Produkten, die in der Fortlaufenden Auktion gehandelt werden, die Antragsfrist gemäß Satz 1 nach Ende der Handelszeit eines Börsentages endet, ist der Mistrade-Antrag spätestens eine halbe Stunde nach Ende der Handelszeit zu stellen.“Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.xetra.com
↑Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse. (PDF) Börse Frankfurt, 21. November 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Januar 2017; abgerufen am 6. Januar 2017: „Zivilrechtliche Ansprüche der Geschäftsparteien gemäß § 2 Abs. 1 und 2 auf Aufhebung und Anpassung von Geschäften sowie das Recht zur Anfechtung von Geschäften sind ausgeschlossen“Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.xetra.com
↑Bedingungen für den Handel an der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich. (PDF) Eurex, 1. August 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Dezember 2016; abgerufen am 15. Dezember 2016: „… unter Einhaltung der Formerfordernisse gemäß Ziffer 2.8.2, nach Ablauf von 30 Minuten, jedoch nicht später als 3 Stunden seit dem Geschäftsabschluss und vor Ablauf von 30 Minuten nach Beendigung der Trading-Periode des jeweiligen Produktes an dem Handelstag, an dem das Geschäft zustande kam, …“Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eurexchange.com
↑Bedingungen für den Handel an der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich. (PDF) Eurex Deutschland und Eurex Zürich, 1. August 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Dezember 2016; abgerufen am 6. Januar 2017: „Bezüglich der an den Eurex-Börsen abgeschlossenen Geschäfte sind zivilrechtliche Ansprüche der Geschäftsparteien im Sinne von Ziffer 2.3 Abs. 1 bis Abs. 3, die auf die Aufhebung solcher Geschäfte gerichtet sind, insbesondere eine Anfechtung wegen Irrtums, sonstige Anfechtungsrechte und zivilrechtliche Ansprüche, die eine Anpassung des Inhaltes solcher Geschäfte zum Ziel haben, ausgeschlossen“Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eurexchange.com
↑Clearly Erroneous Executions. (PDF) NYSE, 19. Juni 2014, abgerufen am 20. November 2016 (englisch): „Requests for review must be received within thirty (30) minutes of execution time“
↑Singapore Echange Rulebook. Singapore Exchange, 14. Februar 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. November 2017; abgerufen am 5. November 2017 (englisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/rulebook.sgx.com
↑Frankfurter Wertpapierbörse: Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse. (PDF) Deutsche Börse, 3. Januar 2018, S. § 32 Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Februar 2018; abgerufen am 15. April 2018: „Zivilrechtliche Ansprüche der Geschäftsparteien gemäß § 2 Abs. 1 und 2 auf Aufhebung und Anpassung von Geschäften sowie das Recht zur Anfechtung von Geschäften sind ausgeschlossen“Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.xetra.com
↑Eurex Deutschland: Bedingungen für den Handel an der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich. (PDF) Umsetzung von Geschäftsaufhebungen oder Preiskorrekturen. In: eurexchange.com. 2. April 2018, S. 23, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 15. April 2018: „Bezüglich der an der Eurex Deutschland abgeschlossenen Geschäfte sind zivilrechtliche Ansprüche der Geschäftsparteien im Sinne von Ziffer 2.3 Abs. 1 bis Abs. 3, die auf die Aufhebung solcher Geschäfte gerichtet sind, insbesondere eine Anfechtung wegen Irrtums, sonstige Anfechtungsrechte und zivilrechtliche Ansprüche, die eine Anpassung des Inhaltes solcher Geschäfte zum Ziel haben, ausgeschlossen“
↑Tradegate Exchange: Bedingungen für Geschäfte an der Tradegate Exchange. (PDF) Tradegate Exchange, 24. November 2017, S. § 15a Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche, abgerufen am 15. April 2018: „Zivilrechtliche Ansprüche der Geschäftsparteien auf Aufhebung und Anpassung von Geschäften sowie das Recht zur Anfechtung von Geschäften sind ausgeschlossen“
↑Carsten Herresthal et al.: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch Bd. 6: Bankvertragsrecht. In: Carsten Herresthal et al. (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch. 4. Auflage. Band6. C.H.Beck, München 2017, ISBN 3-406-67706-1.
↑Bundesgerichtshof Urteil. 30. Juni 2009, abgerufen am 23. November 2016: „Klauseln in Allgemeinen Emissionsbedingungen, nach denen der Emittent von Optionsscheinen die Bedingungen ändern kann, soweit ihm dies angemessen und erforderlich erscheint, um dem wirtschaftlichen Zweck der Bedingungen gerecht zu werden, falls die Änderung dazu dienen soll, einen offensichtlichen Irrtum zu berichtigen, sind gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.“
↑fat finger error in the news. In: Financial Times. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. November 2016; abgerufen am 22. November 2016 (englisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/lexicon.ft.com
↑Auf dem Papier Millionär. (PDF) In: AnlegerPlus Magazin. Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, 1. September 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. September 2016; abgerufen am 22. November 2016.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.anlegerplus.de
↑Un trader réclame 161 millions d’euros à BNP Paribas. In: lesechos.fr. 11. März 2017 (französisch, lesechos.fr [abgerufen am 11. März 2017]).