Coertse entstammt einer alteingesessenen Farmerfamilie. Ihr Matric legte sie an der Afrikaans-sprachigen Hoër Meisjiesskool Helpmekaar in Johannesburg ab. Bereits in ihrer Jugend sang sie Lieder, von ihrem älteren Bruder am Klavier begleitet.[1] Sie begann ihr Gesangsstudium in Südafrika bei Aimée Parkerson im Jahre 1949. Ihre weitere Ausbildung absolvierte sie in Europa: Ab September 1953 in London, dann kurz in Den Haag und ab 27. Jänner 1954 in Wien bei Maria Hittorff und zugleich an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in der Opernklasse von Josef Witt. Mit einer Vorstellung der Opernklasse im Schönbrunner Schlosstheater am 1. Juli 1955 (Ariadne auf Naxos von Richard Strauss, in der Coertse als Zerbinetta auftrat) begann ihre Bühnenlaufbahn.
Die Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst präsentierte Mitte Juli 1955 ihre Absolventen in einem Opernkonzert in Bad Aussee, Coertse sang Arien der Zerbinetta, Königin der Nacht, der Traviata unter der musikalischen Leitung von Hans Swarowsky. Nach dem Akademieabschluss empfahl Staatsoperndirektor Egon Seefehlner ihr: „… nirgends anderswo abschließen, die Wiener Staatsoper mit ihrem großen Repertoiresystem wird sich melden.“
Engagement an der Wiener Staatsoper
Mit 23 Jahren wurde Coertse jüngstes permanentes Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Ihre erste Rolle mit diesem Ensemble – bei einem Gastspiel im Teatro San Carlo Neapel – hatte sie bereits als 1. Blumenmädchen in Parsifal unter Karl Böhm gesungen. In Neapel sang sie Jahre später mit Giuseppe Di Stefano auch die Lustige Witwe.
In Don Giovanni gestaltete sie von 1961 bis 1963 die Donna Elvira und von 1965 bis 1971 die Donna Anna.
Hoffmanns Erzählungen
In der Doppelpremiere von Hoffmanns Erzählungen in der Wiener Staatsoper im Oktober 1957 sang sie unter Antonino Votto die Olympia. Otto Schenk erarbeitete in seiner Inszenierung 1967 die Frauen um Hoffmann (auch) mit Mimi Coertse an der Staatsoper, zuvor auch gesungen von Irmgard Seefried und Anja Silja.[5] In der Eröffnungsvorstellung des Opernhauses von Johannesburg 1962 sang sie erstmals alle vier Frauenpartien um Hoffmann in Afrikaans.
Rigoletto und La Traviata
Bei einer Neueinstudierung von Verdis Rigoletto am 6. April 1956 an der Wiener Volksoper sang Coertse ihre erste Gilda, an der Staatsoper bis 1971. So auch mit dem Tenor Luciano Pavarotti bei seinem ersten Auftritt 1963 als Herzog von Mantua.[6] Nach der Gilda studierte sie die Rolle der Violetta Valéry in Verdis La Traviata. Von 1959 bis 1971 sang sie die Partie unter Dirigenten wie Glauco Curiel, Francesco Molinari-Pradelli, Oliviero de Fabritiis, Nino Verchi, Argeo Quadri, Carlo Franci und Giuseppe Patané.
Lucia di Lammermoor
Das Grazer Opernhaus nahm ihretwegen ab November 1960 Gaetano DonizettisLucia di Lammermoor auf den Spielplan. Coertse sang dort eine von Kritik und Publikum bejubelte Aufführungsserie.[7] Ähnlich erfolgreich war Coertses Grazer Auftritt in der Titelpartie von Vincenzo BellinisNorma, Premiere am 13. Jänner 1962. In der Folge sang Coertse die Lucia auch in der Wiener Volksoper (Premiere am 16. Februar 1965, Dirigent Argeo Quadri). Als Edgardo war dort Alfredo Kraus einer ihrer Gesangspartner.
Operette und Musical
Sie widmete sich auch der Operette, ab 1960 in zwei Sommern im Redoutensaal der Wiener Hofburg als Hanna Glawari in der Lustigen Witwe mit Johannes Heesters, danach auch mit Eberhard Waechter als Danilo. In der Eröffnungsvorstellung des Theaters an der Wien – nach Jahren der Restaurierung – am 17. Juli 1962 sang Mimi Coertse erstmals in Wien die Rosalinde in Die Fledermaus von Johann Strauss. In der Frühjahrsparade von Robert Stolz (Uraufführung in der Wiener Volksoper am 25. März 1964) verkörperte sie die Sängerin Hansi Gruber.
Coertse gestaltete auch kleinere Partien. Den kurzen Auftritt der Fiakermilli in Arabella mit den Koloraturen sang sie von 1959 bis 1973 in 25 Aufführungen. Den Ersten Engel in Palestrina von Hans Pfitzner sang sie dort ab 1956 anlässlich der Übernahme aus dem Theater an der Wien in der Regie ihres Lehrers Josef Witt bis 1973 in 19 Vorstellungen.[5]
In Konzerten stellte sie gelegentlich auf Afrikaans gesungene Lieder ihrer Heimat vor.[14]
Abschied von der Wiener Staatsoper
Coertses letzte Rollen in Strauss-Produktionen der Staatsoper waren 1971 die Aithra in der Ägyptischen Helena an der Seite von Gwyneth Jones und Jess Thomas (Dirigent: Ernst Märzendorfer)[15] und 1972 die Titelpartie in Daphne, Dirigat Horst Stein mit Edita Gruberová als Hermione.[16] Am 27. Jänner 1973 endeten mit der Entführung aus dem Serail nach 468 Vorstellungen Coertses Wiener Jahre.[5] Die Direktion unter Egon Seefehlner organisierte eine Abschiedsvorstellung: Am 14. Dezember 1978 trat Kammersängerin Mimi Coertse mit einem Rollendebüt als Elisabeth in Verdis Don Carlos auf. Dirigent war Berislav Klobučar, Simon Estes sang König Philipp.[5]
Rückkehr nach Südafrika
1973 kehrte Coertse nach Südafrika zurück und lebte fortan in Pretoria.[14] Um 1976 gründete sie nach eigenen Angaben den Gesprächskreis Kontak für Afrikaaner-Frauen, um mit Frauen anderer Bevölkerungsgruppen ins Gespräch zu kommen. Rechtsgerichtete Afrikaaner des Wit Kommando steckten demnach ihren „Musikraum“ an, so dass zahlreiche Andenken an die Wiener Zeit verloren gingen.[1] Für die Eröffnung des Opernhauses von Johannesburg 1962 sang sie die drei Frauenpartien in Hoffmans Erzählungen auf Afrikaans.
Bis 1978 trat sie noch mehrfach in Wien auf. In Südafrika gab sie regelmäßig Konzerte und trat in Filmen auf, unter anderem mit dem Satiriker Pieter-Dirk Uys, wo sie sich selbst spielte. Coertse förderte klassisch ausgebildete junge Sänger, unter anderem ab den 1980er Jahren mit der Konzertreihe Debut with Mimi.[14] In der Saison 1981/82 sang sie am Nico Malan House in Kapstadt in Mozarts Die Entführung aus dem Serail noch einmal die Konstanze in englischer Sprache; sie gab eine „elegante, schauspielerisch eher als stimmlich überzeugende Vorstellung (bei transponierter Arie und nicht ganz sauberen Koloraturen)“.[17]
Sie gründete 1998 mit Neels Hansen das Black Tie Ensemble für Nachwuchskräfte und stiftete bereits ab 1958 das Stipendium Mimi Coertse-beurs.[18] Zu den geförderten Sängern gehören Johan Botha, Kobie van Rensburg und Sibongile Mngoma. 1976 erschien eine erste Biografie; eine weitere, unter ihrer Mitwirkung entstandene Biografie wurde 2007 veröffentlicht.
Privates
Mimi Coertse war dreimal verheiratet und hat zwei adoptierte Kinder.[19]
Rezeption
„Die südafrikanische Sopranistin Mimi Coertse löste in den 1960er-Jahren in Graz mit ihrer Lucia und später auch mit ihrer Norma Riesenbegeisterung aus. Opernfreunde stürmten die Vorstellungen. Ich erinnere mich auch an ihre Lucia mit dem großartigen Alfredo Kraus an der Wiener Volksoper im Jahre 1965. Dank youtube kann man einen großen Teil der Wahnsinnsszene [...] in der Interpretation von Mimi Coertse nachhören - eine auch heute noch absolut gültige Interpretation!“
22. Juni 1958 Großer Musikvereinssaal, Werner Egk: Irische Legende, Dirigent Werner Egk, mit Julius Patzak, Walter Berry, Mimi Coertse, Wiener Singakademie und Philharmonia Hungarica.
3. März 1961 Konzerthaus Mozart-Saal, Georg Friedrich Händel: Salomo, Dirigent Hans Gillesberger, in der Rolle der Königin mit Kostas Paskalis als Salomo, Kurt Equiluz
12. Dezember 1961 Wiener Musikverein Großer Saal, NÖ Tonkünstlerorchester, Karl Schiske: „Vom Tode“, Oratorium. Dirigent Günther Theuring.
9. Dezember 1962 Wiener Musikverein Großer Saal, Orchester der Wiener Kulturgesellschaft, Felix Mendelssohn Bartholdy: Elias, Dirigent: Josef Maria Müller.
23. Februar 1964 Wiener Musikverein Großer Saal, NÖ Tonkünstlerorchester, Wolfgang Amadeus Mozart: Symphonie g-Moll, Gustav Mahler: Symphonie Nr. 4 G-Dur. Dirigent Gustav Koslik.
9. März 1964 Wiener Musikverein Großer Saal, Liederabend Mimi Coertse, am Klavier Hans Dokoupil, Purcell, Bach, Dvořák.
4. Dezember 1965 Wiener Musikverein Großer Saal, NÖ Tonkünstlerorchester, Ludwig van Beethoven: Musik zu Goethes Trauerspiel Egmont, op. 84, Dirigent Gustav Koslik, Mimi Coertse, Fred Liewehr.
29. Mai 1967 Konzerthaus Großer Saal, Gustav Mahler: Das klagende Lied, Dirigent Günther Theuring.
10. März 1969 Wiener Musikverein Großer Saal, Wiener Symphoniker, Wiener Singakademie, Franz Schubert: Lazarus, Oratorium. Gustav Mahler: Das klagende Lied. Dirigent Hans Swarowsky.
Johann Sebastian Bach: Magnificat, Dirigent Felix Prohaska, Mimi Coertse, Margareta Sjöstedt, Hilde Rössel-Majdan, Anton Dermota, Frederic Guthrie (LP: Bach Guild, CD: Vanguard OVC 2010. Wien 1957)
Haydn: Die Schöpfung, Dirigent Jascha Horenstein, Gabriel und Eva - Mimi Coertse, Uriel - Julius Patzak, Raphael und Adam - Dezső Ernster, Wiener Volksopernorchester, Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde (turnabout records TV 34184/5 S)
Giovanni Pergolesi: Stabat Mater, Wien 1957. Orgel: Anton Heiller, Sopran Mimi Coertse, Alt Hilde Rossel-Majdan, Tenor Anton Dermota, Bass Frederick Guthrie, Dirigent Felix Prohaska, Wiener Staatsopernorchester, Wiener Staatsopernchor.
Hans Pfitzner: Palestrina, Dirigent Robert Heger, Fritz Wunderlich, Otto Wiener, Sena Jurinac, Christa Ludwig, Mimi Coertse (1. Engel), Wiener Philharmoniker 1964 (RCA 74321 795982 - excerpts)
Robert Stolz: Frühjahrsparade, Dirigent: Robert Stolz, Mimi Coertse, Guggi Löwinger, Peter Minich, Erich Kuchar, Fred Liewehr, Chor und Orchester der Wiener Volksoper.
Richard Strauss: Die Ägyptische Helena, Dirigent Josef Krips, Gwyneth Jones, Jess Tomas, Peter Schreier, Mimi Coertse, Margarita Lilowa, Wiener Philharmoniker, 1970 (RCA 74321 694292)
Richard Strauss: Arabella, Dirigent Georg Solti, Arabella - Lisa della Casa, Zdenka - Hilde Güden, Mandryka - George London, Matteo - Anton Dermota, Fiakermilli - Mimi Coertse, Wiener Philharmoniker (Decca)
Richard Strauss: Ariadne auf Naxos, Dirigent Erich Leinsdorf, Leonie Rysanek - Die Primadonna - Ariadne, Roberta Peters - Zerbinetta, Jan Peerce - Der Tenor - Bacchus, Sena Jurinac - Der Komponist, Mimi Coertse - Najade,.. Wiener Philharmoniker, Juli 1958 (Decca)
Antonio Vivaldi: Gloria in D Major, Dirigent Hermann Scherchen, Mimi Coertse, Ina Dressel, Sonja Draksler, Wiener Staatsopernorchester - Trompetenkonzerte (ReDiscovery Stereo RD 010)
Mimi Coertse singt Mozart und Strauss. Die beiden Arien der Donna Anna in Don GiovanniOr sai chi l’onore, Crudele... Non mi dir; Mozarts Motette Exsultate, jubilate; Strauss Vier letzte Lieder und Schlussgesang der Salome. Die Aufnahmen erfolgten bei Konzerten in Südafrika in den Jahren 1973 bis 1980.
Harald Hoyer: Chronik der Wiener Staatsoper 1945–1995, Aufführungen, Besetzungen, Künstlerverzeichnis. Österreichischer Bundestheaterverband, Wien 1995.
Helmuth Furch: Die Wiener Jahre von Frau Kammersängerin Mimi Coertse. In: Mitteilungen des Museums- und Kulturvereines Kaisersteinbruch. Nr. 41, 20–56, März 1996
Helmuth Furch: Mimi Coertse, die hochgeschätzte Konzert- und Liedsängerin. In: Mitteilungen des Museums- und Kulturvereines Kaisersteinbruch Nr. 52, 33–54, Dezember 1998.
Karl Löbl: Der Balkonlöwe, 60 Jahre ... Mimi Coertse. Süße Sinnlichkeit. Seifert Verlag, Wien 2013, ISBN 978-3-902924-00-1, S. 160f.
Karl Löbl: Nach den Premieren. Mein Leben in und mit der Oper. Was aus einer Königin alles werden kann. Seifert Verlag, Wien 2013, ISBN 978-3-902924-06-3, S. 125f.
Biografien
Wouter de Wet: Onse Mimi. Perskor, Johannesburg 1976.
Ian Raper, Mimi Coertse: ’n stem vir Suid-Afrika: my storie soos vertel aan Ian Raper. Litera Publikasies, Pretoria 2007, ISBN 978-0-9584626-9-3.
↑Zs. Die Bühne, Oktober 1964: .„.. Das Publikum kam während der fünfzig Minuten, die diese ‚Spanische Stunde‘ dauert, aus dem Schmunzeln und Lachen nicht heraus, wozu auch die Sänger das Ihre beitrugen! Mimi Coertse, deren Talent für komische Rollen zu entdecken war, als liebeslüsterne Spanierin von höchst belustigender Zielstrebigkeit ...“
↑Franz Endler in Die Presse, 4. März 1968, schrieb: „Mimi Coertse war eine ganz zauberhafte schweigsame Frau, die liebste Verkörperung dieser Abnormität, die man sich nur vorstellen kann. Alle Schwierigkeiten dieser Partie zu bewältigen und dabei noch so wunderbar zu spielen, das soll ihr erst einmal jemand nachmachen. Wo allgemein festgestellt wird, die Hauptperson sei eigentlich Sir Morosus, so war diesmal Aminta-Timida das Zentrum …“
↑Clemens Höslinger schrieb im Kurier, 11. Mai 1971: „Eine glückliche Debütantin. Die Sklavin Liu hat in Wien eine stolze Besetzungstradition, denn stets war sie den vorzüglichsten Vertreterinnen des lyrischen Soprans anvertraut. Berta Kiurina, Luise Helletsgruber, Irmgard Seefried seien hier als wichtigste Namen genannt. Mimi Coertse reiht sich dieser Tradition würdig an. Die Sängerin hat hier eine Aufgabe gefunden, die ihrem Typus vollständig entspricht. … Die Sterbeszene war ergreifend gestaltet. Ein starker Erfolg …“
↑ abcPorträt bei sahistory.org.za (englisch), abgerufen am 26. September 2017
↑ Herbert Schreiber: „Mimi Coertse lässt als Aithra verführerischen Ziergesang vernehmen, wer möchte da nicht Poseidon sein!“ Gerhard Brunner: „Mimi Coertse gibt eine Aithra von bestrickender Süße...“
↑Hellmuth Hermann schrieb in der Wiener Zeitung vom 5. April 1972: „Die Titelrolle wird nunmehr von Mimi Coertse interpretiert. Die Qualitäten ihres Soprans, seine Flexibilität und Durchschlagskraft sind seit langem bekannt; dankbar aber nahm man an diesem Abend zur Kenntnis, dass Frau Coertse auch über ein unverkennbar pastoses Timbre verfügt, das ihrer stimmlichen Gestaltung Richtung und Ziel wies und ihre Interpretation zu einer authentischen machte.“
↑Angelo Iatrou/G.H.: Repteroireumschau. In: Orpheus. Ausgabe vom 5. Mai 1982, S. 416.
↑ATKV vereer ’onse Mimi’. artlink.co.za vom 19. März 2000 (Afrikaans), abgerufen am 27. September 2017.
↑„Die Muttersprache der Opernsängerin Mimi Coertse ist afrikaans. Dass Sie, über drei Jahrzehnte einer der Lieblinge des Wiener Publikums, in späteren Jahren in ihre Heimat Südafrika zurückkehrte, haben manche nicht verstanden, so eng war Mimi Coertse mit Wien verbunden (wo sie nicht nur auf der Staatsopernbühne, sondern – man denke – auch mit Wienerliedabenden brillierte!)“ in der Einleitung: Dietmar Grieser, Wien Wahlheimat der Genies. 2019 Amalthea Verlag. ISBN 978-3-99050-157-3.