Michael Raucheisens Vater war hauptberuflich Glasermeister und wirkte als Organist, Kirchenchorleiter und Musikpädagoge. Er unterrichtete seinen Sohn ab 1895 im Klavierspiel; um ihm eine fundierte musikalische Ausbildung zu ermöglichen, zog die Familie 1902 nach München.[1]
Ab 1933 strebte er eine umfassende Dokumentation des deutschsprachigen Liedes auf Schallplatte an, für die ihm ab 1940 als Leiter der Abteilung „Lied und Kammermusik“ am Berliner Rundfunk die dortigen Studios zur Verfügung standen.[7][8] 1936 rief er in der Zeitschrift Die Musik-Woche zur Wahl von Adolf Hitler am 20. März auf. Am 20. April desselben Jahres ernannte Hitler ihn zum Professor. Seit 1940 war Raucheisen Leiter der Abteilung „Kammermusik“ beim Deutschlandsender und ab 1942 zusätzlich Leiter der Gruppe Musikalische Solisten beim Reichsrundfunk.[3] Zusammen mit dem Geiger Váša Příhoda und dem Cellisten Paul Grümmer gründete er 1942 das Meistertrio. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs nahm ihn Hitler im August 1944 in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Pianisten auf, was ihn vor einem Kriegseinsatz bewahrte.[9]
Nach dem Krieg hatte Raucheisen wegen seiner vielfältigen Verquickungen mit dem Nazi-Regime[10] einige Jahre Berufsverbot und trat auch später selten öffentlich auf.[11][12] Ab 1950 wirkte er in Berlin als Professor an der Hochschule für Musik[2] und als Liedbegleiter, bis er sich 1958 nach einer Tournee mit Elisabeth Schwarzkopf ins Privatleben zurückzog und mit seiner Frau in die Schweiz übersiedelte. Aus Anlass seines 95. Geburtstages wurde ihm am 10. Januar 1984 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Rain verliehen.
Michael Raucheisen und seine drei Jahre nach ihm verstorbene Frau wurden auf dem Städtischen Friedhof Rain bestattet.
Privates
Michael Raucheisen war dreimal verheiratet. Seine erste Frau wurde von 1929 bis 1932 Hedwig Schwalm (1899–1945), Tochter des Komponisten und Verlegers Oskar Schwalm.[13] Das Paar hatte den Sohn Oskar Erhard Raucheisen (1931–2006). Im Juni 1932 heiratete er in White Plains (New York) die amerikanischen Sopranistin Marion Talley (1906–1983). Die Ehe wurde bereits im Januar 1933 wieder geschieden.[14] Im Juli 1933 ehelichte er in Andechs die Sängerin Maria Ivogün.[15]
Von seinem Rundfunkprojekt Lied der Welt wurden zunächst von 1984 bis 1988 fünfzehn Folgen auf Langspielplatten veröffentlicht (Lieder in dokumentarischen Aufnahmen bei Acanta). 2005 folgte die 66 CDs umfassende Box Michael Raucheisen – Der Mann am Klavier. Sie umfasst bei einer Spielzeit von knapp 62 Stunden 1.165 Lieder von 35 Komponisten mit 57 Interpreten; daneben gibt es in Archiven oder auf anderen Veröffentlichungen noch weitere Liedaufnahmen mit Raucheisen.
Literatur
Michael Raucheisen: Der Klavierbegleiter. In: Josef Müller-Marein und Hannes Reinhardt: Das musikalische Selbstportrait. Nannen, Hamburg 1963.
↑ abFred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. CD-Rom-Lexikon. Kiel 2004, S. 5452 sowie Erich H. Müller: Deutsches Musikerlexikon. Dresden 1929.
↑Raucheisen in: Harry E. Weinschenk: Künstler plaudern, Berlin 1942
↑Louis P. Lochner: Fritz Kreisler. New York 1950. S. 80 ff
↑Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 5.442–5.443.
↑Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 474.
↑Raucheisen, Michael. In: Theodor Kellenter: Die Gottbegnadeten : Hitlers Liste unersetzbarer Künstler. Kiel: Arndt, 2020, ISBN 978-3-88741-290-6, S. 218f.