Die Mescha-Stele (auch Moabiterstein genannt) ist ein Gedenkstein mit Inschrift in moabitischer Sprache. Dieser Basaltstein ist das älteste erhaltene Denkmal in einer dem Hebräischen nahe verwandten Sprache und Schrift. In der Inschrift rühmt sich der moabitische König Mescha – neben der Ausführung verschiedener, von seinem Reichsgott Kemosch in Auftrag gegebener Bauvorhaben – der Befreiung seines Volkes aus der Abhängigkeit und Tributpflicht vom Nordreich Israel unter König Ahab aus der Dynastie Omri.
Die Stele wurde 1868 östlich des Toten Meeres bei Dhiban (Dibon) von dem elsässischen Missionar Frederick Augustus Klein entdeckt.[1] Der Stein war schwarzer Basalt, tafelförmig, an den Ecken abgerundet und nach Klein 113 Zentimeter lang, 70 breit und 35 hoch. Der französische Archäologe und Orientalist Charles Clermont-Ganneau ließ durch einen Mittelsmann einen Abklatsch der Inschrift anfertigen.
Später wurde die Stele von Beduinen jener Gegend, den Beni Hamiden, mutwillig zerstört.[2] Die Beduinen versuchten, sie in mehrere Teile zu zerbrechen, nachdem vom Osmanischen Reich Druck ausgeübt worden war, um die Stele für das Deutsche Reich zu sichern. Dabei ging ein Teil der Stele und der Inschrift verloren. Die zertrümmerte Stele konnte von Clermont-Ganneau mit Hilfe seiner Kopie rekonstruiert werden.
1. Ich (bin) Mescha, Sohn des kmš[jt], König von Moab, der
2. Dibonite. Mein Vater war König über Moab dreißig Jahre, und ich wurde König
3. nach meinem Vater. Und ich machte dieses Höhen(heiligtum) für Kemosch in Qericho als Zeichen
4. der Rettung, denn er errettete mich vor allen Angreifern(?) und ließ mich triumphieren über alle meine Gegner. Omri
5. war König von Israel, und er bedrängte Moab lange Zeit, denn Kemosch zürnte seinem Lande.
6. Und es folgte ihm sein Sohn. Und er sprach: Ich will Moab bedrängen. In meinen Tagen sprach er [so],
7. aber ich triumphierte über ihn und sein Haus. Und Israel ist für immer zu Grunde gegangen. Und es hatte sich Omri des ganzen
8. Gebietes von Mahdeba bemächtigt und er wohnte darin während seiner Tage und der Hälfte der Tage seiner Söhne, vierzig Jahre. Aber es
9. wohnte Kemosch darin während meiner Tage. Und ich baute Baal-Meon (wieder auf) und errichtete eine Zisterne darin. Und ich baute
10. Kirjathon (wieder auf). Und die Leute von Gad wohnten seit jeher im Lande von Aṭaroth und der König von (aus Z. 11:) Israel hatte Aṭaroth (Forts. Z. 10:) für sich gebaut.
11. Ich griff die Stadt an und nahm sie ein. Und ich tötete alles Volk
12. der Stadt als Darbringung für Kemosch und für Moab. Und ich brachte von dort den Altar ihres dwd und ich
13. schleppte ihn vor Kemosch in Qerejoth. Und ich ließ dort wohnen die Leute von Saron und die Leute
14. von mkrt. Und Kemosch sprach zu mir: Geh, nimm Nebo (im Kampf) gegen Israel. Da
15. zog ich bei Nacht los und kämpfte gegen es von Tagesanbruch bis Mittag. Und ich
16. nahm es ein und tötete alles: 7000 Männer, Klienten, Frauen, [Klien]tinnen
17. und Sklavinnen, denn ich hatte es dem Aschtar-Kemosch (durch Bann) geweiht. Und ich nahm von dort die [Gerät]e (?)
18. Jahwes und schleppte sie vor Kemosch. Und der König von Israel hatte (aus Z. 19:) Jachas (Forts. Z. 18:) gebaut
19. und lagerte darin während seines Feldzuges gegen mich. Da vertrieb ihn Kemosch vor mir und
20. ich holte aus Moab 200 Mann, alle seine Anführer. Und ich brachte sie nach Jachas und nahm es ein,
21. um es Dibon anzugliedern. Ich habe Qericho gebaut, die Mauer der Parks und die Mauer
22. der Akropolis. Und ich habe seine Tore gebaut und ich habe seine Türme gebaut. Und ich
23. habe den Königspalast errichtet und machte die Umfassungsmauer des Becken[s für die Que]llen inmitten
24. der Stadt. Aber eine Zisterne gab es nicht inmitten der Stadt, in Qericho, sondern ich sprach zu allem Volk: Macht
25. euch jeder eine Zisterne in seinem Hause! Und ich habe die Gruben hauen lassen für Qericho durch Gefangene
26. Israels. Ich habe Aroer gebaut und machte die Straße am Arnon.
27. Ich habe Beth-Bamoth wieder errichtet, denn es war zerstört. Ich habe Beṣer wieder gebaut, denn es lag in Trümmern,
28. [mit] 50 [Ma]nn aus Dibon, denn (die Leute von) ganz Dibon sind (meine) Untertanen. Und ich regierte
29. [über ] 100 in den Städten, die ich dem Lande angegliedert habe. Und ich baute
30. [Mahde]ba und Beth-Diblathon und Beth-Baal-Meon (wieder auf) und trug davon die …
31. […] Kleinvieh des Landes. Und (was) Chawronan (anlangt), (so) wohnte darin
32. [… Und] es sprach Kemosch zu mir: Steige hinab, kämpfe gegen Chawronan! Da stieg ich [hinab und
33. kämpfte gegen die Stadt und nahm sie ein und] Kemosch [wohnte] in ihr in meinen Tagen. Und … von dort ..[…]
34. […]št šdq und ic[h …
Kommentar
Beinahe gleichzeitig mit den ältesten assyrischen Angaben liefert die ca. 840 v. Chr. verfasste Mescha-Inschrift erstmals von der Bibel unabhängige Angaben zur Geschichte Israels.[7] Neben Informationen zu den militärischen Konflikten zwischen Israel und dem im Südosten benachbarten Reich Moab erregten die Hinweise zu 𐤁𐤕 𐤟 [𐤃]𐤅𐤃, hebräisch בת [ד]וד (Bet David, das Haus David) in Zeile 31 und 𐤉𐤄𐤅𐤄, hebräisch יהוה, also JHWH in Zeile 18 Aufsehen. Schwieriger ist die Erwähnung von 𐤀𐤓𐤀𐤋 𐤟 𐤃𐤅𐤃𐤄, bzw. אראל . דודה in Zeile 12 zu deuten. Drei Hypothesen finden in der Diskussion Berücksichtigung: Der Name bezeichnet einen König David, einen von JHWH unabhängigen Zweitgott Israels oder in Form eines Epithetons JHWH selbst. Nach der ersten Hypothese wäre die Stelle mit „ich brachte von dort den Uriel, ihren David“ zu übersetzen. Diese Interpretation wird in letzter Zeit auf Grundlage gegenteiliger grammatikalischer Belege verworfen. In Ermangelung von Hinweisen zur Verehrung eines Zweitgottes namens Dod in Israel schien sich bis zum Jahre 2019 ein Konsens zugunsten eines Zweitnamens Dod für JHWH abzuzeichnen.[8]
Eine Neuinterpretation der Inschrift im Jahr 2019 legt nahe, dass auf ihr in Zeile 31 ein König von Moab mit dem Namen Balak, der im Buch Numeri (4. Buch Mose), Kapitel 22-24 EU erwähnt wird, genannt wird.[9]
Die Massentötung der Bewohner von Nebo gilt als Beleg für eine damalige kanaanäische Praxis des Bannes eroberter Güter und Personen, die auch in der Bibel in Bezug auf die Landnahme durch die Israeliten überliefert ist. (vgl. Jos 6,17-21 EU)
Literatur
Textausgaben
Charles Clermont-Ganneau: La Stèle de Dhiban ou stèle de Mesa roi de Moab, 896 avant J. C. Lettres à M. Le Cte de Vogüé. Librarie Polytechnique de J. Baudry u. a., Paris 1870 [Erstveröffentlichung].
Rudolf Smend, Albert Socin (Hrsg.): Die Inschrift des Königs Mesa von Moab. Für Akademische Vorlesungen. Mohr, Freiburg im Breisgau 1886.
Die Inschrift des Königs Mesa von Moab (um 840 v. Chr.). In: Kurt Galling (Hrsg.): Textbuch zur Geschichte Israels. 2. neubearbeitete Auflage. Mohr (Siebeck), Tübingen 1968.
Manfred Weippert: Historisches Textbuch zum Alten Testament., Grundrisse zum Alten Testament, Bd. 10, Göttingen 2010, S. 244–248 (HTAT 105).
Sekundärliteratur
Theodor Nöldeke: Die Inschrift des Königs Mesa von Moab. (9. Jahrhundert vor Christus). Schwers, Kiel 1870.
Konstantin Schlottmann: Die Siegessäule Mesa’s, Königs der Moabiter. Ein Beitrag zur hebräischen Alterthumskunde. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1870 (Halle-Wittenberg, Univ., Diss., 1870).
Heinrich Graetz: Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Aus den Quellen neu bearbeitet. Band 2: Geschichte der Israeliten vom Tode des Königs Salomo (um 977 vorchr. Zeit) bis zum Tode des Juda Makkabi (160). Hälfte 1: Vom Tode des Königs Salomo bis zum babylonischen Exile (586). Zweite vermehrte und verbesserte Auflage bearbeitet von Markus Brann. Leiner, Leipzig 1902, Note 2, S. 387–392 (Digitalisat).
Andrew Dearman (Hrsg.): Studies in the Mesha inscription and Moab (Archaeology and Biblical Studies 2). Scholars Press, Atlanta GA 1989. ISBN 1-55540-356-5
Andrew Dearman und Gerald Mattingly: Mesha Stele, Anchor Bible Dictionary, New York 1992, IV, 708–709.
Hubert Irsigler: Großsatzformen im Althebräischen und die syntaktische Struktur der Inschrift des Königs Mescha von Moab. In: Hubert Irsigler (Hrsg.): Syntax und Text. Beiträge zur 22. Internationalen Ökumenischen Hebräisch-Dozenten-Konferenz 1993 in Bamberg (Münchener Universitätsschriften 40). EOS-Verlag, St. Ottilien 1993, S. 81–121. ISBN 3-88096-540-4
Christian Molke: Der Text der Mescha-Stele und die biblische Geschichtsschreibung. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2006, ISBN 3-631-55807-4 (Beiträge zur Erforschung der antiken Moabitis (Arḍ el-Kerak) 5).
Jonathan Stökl: Kings, Heroes, Gods. The History of the Translation of the term ’r’l dwdh in Line Twelve of the Meša‘-Stele. In: Kleine Untersuchungen zur Sprache des Alten Testaments und seiner Umwelt 8/9 (2008), S. 135–162.
Kwang Cheol Park: Ende Zeile 11 der Mesha-Inschrift. Vorschlag einer neuen Lesung. In: Kleine Untersuchungen zur Sprache des Alten Testaments und seiner Umwelt 10 (2009), S. 161–172.
↑Heinrich Graetz: Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Aus den Quellen neu bearbeitet. Band 2: Geschichte der Israeliten vom Tode des Königs Salomo (um 977 vorchr. Zeit) bis zum Tode des Juda Makkabi (160). Hälfte 1: Vom Tode des Königs Salomo bis zum babylonischen Exile (586). Zweite vermehrte und verbesserte Auflage bearbeitet von Markus Brann. Leiner, Leipzig 1902, Note 2, S. 387–392, hier S. 387 f. (Digitalisat); Haim Goren: Ziehet hin und erforscht das Land. Deutsche Palästinaforschung im 19. Jahrhundert, Wallstein, 2003, S. 212.
↑Mark Lidzbarski: Handbuch der nordsemitischen Epigraphik, nebst ausgewählten Inschriften. Verlag von Emil Felber, Weimar 1898, II. Teil: Tafeln, Tafel 1 (Digitalisat, mit Verweis auf: I. Teil: Text, S. 415–416. In hebräische Quadratnotation. Digitalisat).
↑Herbert Fuller Bright Compston: The Inscription on the Stele of Méšaʿ. Society for Promoting Christian Knowledge, London 1919, S. 7–10 (online auf Wikisource).
↑KAI 181 – Herbert Donner, Wolfgang Röllig: Kanaanäische und aramäische Inschriften, 5. Auflage, Band 1. Wiesbaden 2002, S. 41–42.
↑Thomas Wagner: Mescha / Mescha-Stele. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart, 2006 ff. auf Grundlage der Übersetzung von Herbert Donner, Wolfgang Röllig: Kanaanäische und aramäische Inschriften. Band 2: Kommentar. 2. Auflage. Harrassowitz, Wiesbaden 1968, S. 168–169.
↑Israel Finkelstein, Nadav Na’aman, Thomas Römer: Restoring Line 31 in the Mesha Stele: The ‘House of David’ or Biblical Balak? In: Journal of the Institute of Archaeology of Tel Aviv University. Band 46, 2019, S. 3–11 (Digitalisat).