Lysosomale Speicherkrankheiten (LSK) sind eine Gruppe von etwa 45 erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen, die durch Fehlfunktionen im Lysosom ausgelöst werden. Die Erkrankungen sind monogenetisch.[1] In der angelsächsischen Fachliteratur wird meist der Begriff Lysosomal Storage Diseases (LSDs) verwendet.
Ist die Aktivität eines dieser Enzyme deutlich herabgesetzt, das heißt, das Enzym kann den Abbau eines Makromoleküls nicht mehr oder nur erheblich langsamer katalysieren, so reichern sich die abzubauenden Makromoleküle zunächst in der Zelle an. Ab einer bestimmten Konzentration können sie über die Plasmamembran unkontrolliert in die extrazelluläre Matrix gelangen und sich so im gesamten Organismus anreichern.
Die Ursache für eine verminderte Enzymaktivität kann ein Regulationsproblem oder ein Defekt im Genom des betroffenen Patienten sein. Im letzteren Fall kann das codierende Gen durch Mutation so verändert sein, dass das Enzym in seiner Sekundär- oder Tertiärstruktur verändert ist und es weniger wirksam ist. Der genetische Defekt kann an die nächste Generation weitergegeben werden. Je nach Erbgang bedeutet die Weitergabe des Gendefektes nicht automatisch eine Erkrankung der Nachkommen. Mukopolysaccharidose Typ II (Morbus Hunter) und Morbus Fabry werden X-chromosomal, alle anderen autosomal-rezessiv vererbt.
Neben der reduzierten Enzymaktivität können auch fehlende oder defekte Membrantransporter zu einer Anreicherung (Speicherung) von Stoffwechselprodukten in der Zelle führen. Dies ist bei etwa fünf der bisher bekannten lysosomalen Speicherkrankheiten der Fall.[2]
Der einzelne Defekt im Protein oder Membrantransporter kann zu einem sehr komplexen Krankheitsverlauf führen. Generell werden die lysosomalen Speicherkrankheiten in drei Gruppen eingeteilt: schwere infantile, mittelschwere juvenile und milde adulte Formen.[2]
Prävalenz
Die Gesamthäufigkeit aller lysosomalen Speicherkrankheiten liegt bei etwa 1 auf 7500[3] bis 8000[1] Neugeburten.
Die Enzymersatztherapie bietet nur für innere Organe und Bindegewebe eine Behandlungsmöglichkeit. Im Fall von Knochengewebe oder im Bereich des Zentralnervensystems versagt sie, denn die Blut-Hirn-Schranke stellt für Enzyme eine unüberwindbare Barriere dar. In solchen Fällen können niedermolekulare Verbindungen, die eine Neubildung der im Lysosom nicht abbaubaren Makromoleküle verhindern oder zumindest reduzieren, einen Therapieansatz darstellen (Substratreduktionstherapie (SRT)).
Ein weiterer Therapieansatz ist die Chaperon-Therapie. Mit ihr sollen die defekten Enzyme in vivo aktiviert werden.[3] Als Wirkstoff sollen dabei zuckerähnliche Substanzen zum Einsatz kommen, die positiv auf die richtige Faltung der Enzyme einwirken und so die Aktivität der Enzyme erhöhen, beziehungsweise deren Abbau im Proteasom im Rahmen der Proteinqualitätskontrolle verhindern. Der Name ist insofern irreführend, als dass lediglich die Funktion eines Chaperons (einer Klasse von Proteinen, die ebenfalls bei der Faltung von Polypeptidketten beteiligt sind) imitiert werden soll, aber tatsächlich Iminoaldite (pharmakologische Chaperone) statt der körpereigenen molekularen Chaperonen verwendet werden.
Die Wirksamkeit dieser Wirkstoffklasse wird derzeit bei Morbus Gaucher[4] und Morbus Fabry (Migalastat, in klinischer Phase III)[5] erprobt.
Es ist noch kein zugelassener Wirkstoff erhältlich.
Ein vielversprechender zukünftiger, aber noch weitgehend in den Anfängen befindlicher, Therapieansatz ist die Gentherapie.[6]
E. J. Bonten, u. a.: Targeting macrophages with baculovirus-produced lysosomal enzymes: implications for enzyme replacement therapy of the glycoprotein storage disorder galactosialidosis. In: FASEB journal: official publication of the Federation of American Societies for Experimental Biology, Band 18, Nummer 9, Juni 2004, S. 971–973; ISSN1530-6860. doi:10.1096/fj.03-0941fje. PMID 15084520.