Ludwig W. Adamec

Ludwig W. Adamec (* 10. März 1924 in Wien, Österreich; † 1. Jänner 2019 in Tucson, USA[1]) war ein österreichisch-US-amerikanischer Historiker und Afghanistan-Experte.

Leben

Adamec wuchs in der österreichischen Hauptstadt auf. Mit 5 Jahren wurde er Halbwaise, mit 14 Jahren verließ er die Schule und begann später in Wien eine Lehre als Werkzeug- und Formenbauer. Er stand den Nationalsozialisten ablehnend gegenüber und gehörte zu der in Wien angefeindeten Swing-Jugend. 1940 starb seine Mutter und er beschloss, Großdeutschland zu verlassen, um nicht in einem Waisenheim umerzogen zu werden. Er flüchtete über Passau und Konstanz in Richtung Schweiz, wurde jedoch aufgegriffen. Nach mehreren erfolgreichen Fluchtversuchen aus Wiener Waisenheimen und Besserungsanstalten in Richtung Tschechoslowakei und Ungarn verbrachte er sieben Monate im Wiener Gefängnis, ehe er im Gestapo-Gefängnis Rossauer Kaserne das Urteil für die Überstellung in das Jugendschutzlager Moringen (Niedersachsen) erhielt. Dort wurde er zur schwerer körperlicher Arbeit eingesetzt und bei Kriegsende beinahe wegen Abhörens feindlicher Sender zum Tode verurteilt. Bei Naherücken der Front wurde das Lager evakuiert. Adamec konnte nahe Göttingen flüchten und kehrte nach Österreich zurück.[2]

Adamec verließ Österreich im Jahr 1950 und machte ausgedehnte Reisen durch Europa, Asien und Afrika. 1952 bereiste er erstmals Afghanistan und blieb zwei Jahre in Herat und Kabul.

Er ließ sich 1954 in den USA nieder, studierte politische Wissenschaften (B.A.), Journalismus (M.A.) und erwarb einen Doktortitel an der UCLA in Nahoststudien und Islamwissenschaften. Sein Forschungsinteresse galt weiterhin der Geschichte Afghanistans. In den 1960er und 1970er Jahren reiste Adamec regelmäßig in dieses Land. Dort wurde das Interesse eines westlichen Akademikers hochgeschätzt. Zuletzt reiste Adamec im Jahre 2008 nach Kabul, auf Einladung des afghanischen Außenministeriums, um an dem internationalen Seminar über Mahmud Tarzi teilzunehmen.[3]

Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter die Wiederveröffentlichung des Historical and political gazetteer of Afghanistan, welcher von der Regierung von Britisch-Indien erstellt worden war.

1967 wurde er in Tucson an der University of Arizona Dozent für Nahoststudien und unterrichtete Geschichte des Nahen Ostens und des subsaharischen Afrika seit 500 n. Chr. und leitete auch Sprachkurse für Arabisch und Persisch. 1975 begründete er das Nahost-Zentrum der Universität und war bis 1985 dessen Leiter. 1986 – 1987 war er Leiter der Afghanistan-Abteilung des Rundfunksenders Voice of America.[4] 2005 wurde er emeritiert.

Zuletzt war Adamec emeritierter Professor am Institut für Nahost- und Nordafrikastudien an der Universität von Arizona.[5]

Adamec starb am 1. Januar 2019 in Tucson (Arizona) und hinterlässt seine Ehefrau, einen Sohn und zwei Stiefkinder.

Publikationen

  • The A to Z of Islam, 2nd. ed. Paperback 2009.
  • Afghanistan, 1900–1923: A Diplomatic History, Berkeley: University of California Press, 1967.
  • Afghanistan's Foreign Affairs to the Mid-Twentieth Century: Relations with the USSR, Germany, and Britain, Tucson: University of Arizona Press, 1974.
  • Ludwig W. Adamec and Frank A. Clements: Conflict in Afghanistan: An Encyclopedia, Santa Barbara: ABC-CLIO, 2003.
  • Historical and political gazetteer of Afghanistan, 6 vols. Graz: Akademische Druck- und Verlags-Anstalt, 1972–1985.
  • Historical dictionary of Afghan wars, revolutions, and insurgencies, Lanham: Rowman & Littlefield, 2nd. ed. 2005.
  • Historical Dictionary of Afghanistan, Lanham: The Scarecrow Press, Inc. 3rd ed. 2003.
  • Historical Dictionary of Islam, Scarecrow Press, 2nd ed. 2009.
  • The Who’s Who of Afghanistan, 1975

Artikel

Einzelnachweise

  1. Dignity Memorial Tucson AZ - Ludwig W Adamec Obituary; abgerufen am 23. Januar 2019
  2. Lebensgeschichte Ludwig W. Adamec, “Die Würde der Arbeit” in: Renate S. Meissner, im Auftrag des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (Hg.): Erinnerungen. Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus. Wien, 2010, Seite 234–241, abgerufen am 23. Januar 2019
  3. TOLOnews.com: Austrian Historian On Afghanistan Ludwig Adamec Dies (3. Januar 2019); abgerufen am 23. Januar 2019
  4. Ludwig W. Adamec@1@2Vorlage:Toter Link/inews.rferl.org (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im September 2019. Suche in Webarchiven) - Voice of America experts database
  5. MENAS grieves the passing Dr. Ludwig W. Adamec, Professor Emeritus. School of Middle Eastern and North African Studies. University of Arizona, abgerufen am 23. Januar 2019.