Literarische WertungLiterarische Wertung ist die Beurteilung literarischer Gegenstände.[1] Dabei wird Wertung vollzogen als soziales Handeln einer Subjektinstanz, das einem literarischen Gegenstand (in der Regel einem literarischen Werk) in Abhängigkeit von bestimmten Wertmaßstäben und abhängig von situativen und anderen Zuordnungsvoraussetzungen, einen Wert zuordnet.[2] Literarische Gegenstände werden dabei auf einem Kontinuum zwischen „wertvoll“ und „wertlos“ eingeordnet, wobei die verwendete Wertsprache viele Facetten und auch Zwischentöne annehmen kann. Die Einordnung steht dabei in direktem Zusammenhang mit unterschiedlichen potentiellen Zielen und Motiven des sozialen Handelns (neben fachlicher Kategorisierung z. B. auch Sicherung von Anschlusskommunikation, Renommeegewinn, Unterstützung anderer). Literarische Wertung kann als Wertungshandlung verbal, insbesondere schriftlich, aber auch non-verbal und multimodal vollzogen werden. Generell sind die beim Werten in Anschlag gebrachten Wertmaßstäbe und deren spezifische Zuordnung in der einzelnen Wertungshandlung abhängig von relativ konstanten individuellen und überindividuellen Schemata des Wissens und der Motivation, die in manchen Kontexten auch als Geschmack bezeichnet werden. Literarische Wertung ist explizit zu finden in Beiträgen der professionellen Literaturkritik, aber auch der Literaturwissenschaft, die in der Regel auf historisch veränderliche Poetiken und literarische Kanones bezogen sind. Im Zuge der Digitalen Transformation wurde die Rolle der literarischen Wertung im Rahmen einer Laienkritik in den Sozialen Medien zum Beispiel auf Plattformen wie LovelyBooks, Goodreads, Amazon, TikTok und Youtube, immer wichtiger. In der literaturwissenschaftlichen Wertungsforschung werden soziale Funktionen und Wertmaßstäbe literarischer Wertung vor diesem Hintergrund neu diskutiert. BegriffsklärungWertung und LiteraturDer Begriff der literarischen Wertung wird von Heydebrand und Winko (1996) definiert als »eine Handlung, in der ein Subjekt in einer konkreten Situation aufgrund von Wertmaßstäben (axiologischen Werten) und bestimmten Zuordnungsvoraussetzungen einem Objekt Werteigenschaften (attributive Werte) zuschreibt« (S. 39).[2] Heydebrand und Winko machen deutlich, das Wertungshandlungen immer Zuschreibungen sind, der Wert also nicht essenziell beim Objekt schon vorliegt. Gleichzeitig sind diese Zuschreibungen aber durch überindividuelle Schemata bzw. Wertmaßstäbe, die gewohnheitsmäßig an literarische Texte herangetragen werden, erklärbar.
Zugrunde liegen der Wertung Annahmen über bestimmte Funktionen, die Literatur haben sollte. Dazu gehören z. B. Formen und Strukturen, Wirkung, aber auch die Repräsentation von gesellschaftlichen Themen. Literaturwissenschaftliche Wertung ist stark beeinflusst von Poetiken (Regelkatalogen/Konzeptionalisierungen) und natürlich von der Grunddefinition von «Literatur» innerhalb der Gesellschaft. Daher hat sich um 1800 ein grundlegender Wandel in den Wertmaßstäben vollzogen, die Wertung zugrunde liegen. Wertungshandlungen haben Objekte (literarische Gegenstände) und Subjekte (Leser; Rezensent; Literaturwissenschaftler). Wichtige Einflussfaktoren der literarischen Wertung sind konkrete situationelle Kontexte, in deren Rahmen Zuordnungsvoraussetzungen die Aktualisierung von Wertmaßstäben jeweils bedingen.[2] Hier sind potenziell persönliche, literatur-historische, politische, soziale, emotionale (und weitere) Faktoren in Interaktion am Werk. Man denke nur an unterschiedliche Poetiken, die den Wert von Literatur und bestimmte Schreibweisen historisch regeln, ebenso wie Genres, die Wertungshandlungen vorstrukturieren, und natürlich die grundlegende Definition von „Literatur/literarisch“, in der gegebenenfalls „autonome“ (Kunst als Selbstzweck) und „heteronome“ (Kunst mit externen Zwecken wie Überzeugung, Bildung, Genuß, Ritual) Vorstellungen konfligieren. Obwohl Wertungshandlungen immer auch subjektiv sind, können sie in der Regel jedoch auf konventionalisierte Schemata bezogen werden. KanonDas Wort „Kanon“ bedeutet Maßstab oder Regel und bezeichnete früher Zusammenfassungen verschiedener Art. Die Kanon-Forschung begann in der Literaturwissenschaft erst in den 1960er Jahren. Der Kanon heute ist eine Zusammenstellung von besonders lesenswerten oder kulturell wichtigen Werken auf einem bestimmten Gebiet. „Zusammenstellung als exemplarisch ausgezeichneter und daher für besonders erinnerungswürdig gehaltener Texte; ein aus einem bestimmten Gebiet als verbindlich geltendes Textcorpus“ Der Kanon ist eine Zusammenstellung von Texten, die zu einer bestimmten Zeit die wichtigsten für die Bildung in einem Land waren. (S. 224)[1] „Als Kanon in diesem Sinne ist ein Korpus von Texten aufzufassen, an dessen Überlieferung eine Gesellschaft oder Kultur interessiert ist.“ (S. 9) Prämissen der Kanonbildung: (1) Kein Mensch kann alle Texte lesen. (2) Menschen tendieren zu sinnvoll besetztem Handeln. Aus einer größeren Menge wird nach Wichtigkeit ausgewählt (S. 12) Ein Kanon kann von verschiedenen Institutionen erstellt werden, wie z. B. Journalisten oder auch Verlage. PoetikIn der heutigen Zeit handelt es sich bei der Poetik um die Lehre von der Dichtkunst. Sie ist ein Teilbereich der Literaturwissenschaft und der Ästhetik. Zugrunde liegt als substantiviertes Adjektiv griech. ποιητικός [poietikós] ‚schaffend‘, ‚dichterisch‘, zu ποιεΐν [poieín] ‚machen‘, ‚dichten‘; geläufig in der Verbindung ποιητική τέχνη [poietiké téchne] ‚erstellende Kunst’ (z. Β. Aristoteles, ‚Nikomachische Ethik‘ 6,4), dann auch für dichterische Fertigkeit, Kunst’; als selbständiges Substantiv ποιητική [poietiké] ‚Dichtkunst‘ schon bei Piaton (,Gorgias’ 57, 502c) und in der ‚Poetik‘ des Aristoteles (1,1) verwendet. Ins Lat. übernommen als Ars poetica (so mindestens seit Quintilian als übliche Kurzbenennung für die ‚Epistula ad Pisones‘ von Horaz) und substantivisch als poetica (Cicero, ‚Tusculanae disputationes‘ 1,3) und poetice (Varrò, ‚De lingua latina‘ 7). Im bildungs- wie im fachsprachlichen Gebrauch trifft man beim Ausdruck Poetik auf ein ungewöhnliches Ausmaß von Vieldeutigkeit. Oft wird er im gleichen Sinne wie der Begriff der Literaturtheorie oder auch der literarischen Ästhetik verwendet, betrifft aber seiner Tradition nach eigentlich einen engeren Bereich. Zusätzliche Ambiguitäten ergeben sich durch die systematische Mehrdeutigkeit von allgemeinem ‚type‘ („die Geschichte der Poetik“) und einzelnem ‚token‘ („meine Poetik“) bzw. von abstraktem Fachgebiet („Fragen der Poetik“) und konkretem Fachbuch („in einem Jahr erschienen drei Poetiken“). In jüngster Zeit zeichnet sich überdies eine Ausweitung über den sprachlich-literarischen Bereich hinaus ab: etwa im Sinne des neuen Konzepts von ‚Kulturpoetik‘. InterpretationUnter einer Interpretation (lat. = Erklärung, Auslegung) wird in der Literaturwissenschaft eine Auslegung, Erklärung oder Deutung von literarischen Texten definiert. Dabei wird einem Text eine gewisse Bedeutung zugeschrieben, welche innerhalb der Interpretation versucht wird zu erklären. Der Prozess, der eine Interpretation als Ergebnis hat, nennt sich Interpretieren. Folgende Merkmale sind typisch für eine Interpretation:
In der Literaturtheorie ist allerdings umstritten, ob das erste Merkmal obligatorisch ist. So wird in einigen Interpretationen nicht nur mit dem Text gearbeitet, sondern auch mit textexternen Informationen, die bei der Interpretation berücksichtigt werden. WertmaßstabEin Wertmaßstab ist ein Maßstab oder Kriterium, mit dessen Hilfe der ideelle oder tatsächliche Wert einer Sache bestimmt werden kann. An Wertmaßstäben orientieren sich auch literarische Wertungen, siehe Wertung. Für literarische Texte ist das Bestimmen von ideellen oder tatsächlichen Werten komplexer als beispielsweise in klar messbaren Bereichen der Wissenschaft. Bei der Wertung von Literatur durch Akteure können in der Regel Werte auf unterschiedlichen Ebenen identifiziert werden, welche komplex ineinander verzweigt sind. Ein Beispiel für solche Wertmaßstäbe sind die axiologischen Werte nach Heydebrand und Winko (1996).[2] Hier werden Wertmaßstäbe für unterschiedliche Wertkategorien (wie beispielsweise relationale Werte oder wirkungsbezogene Werte) benannt, welche jeweils bestimmte potenziell relevante Dimensionen von Wertungshandlungen beschreibbar machen. WerturteilWertmaßstäbe, verstanden als Werthaltungen, sind eigentlich Sache der Sozialpsychologie, genauer der Motivationspsychologie. Werte sind nämlich eine der wichtigsten Faktoren, die unser Verhalten antreiben, strukturieren und uns überhaupt zu Individuen und Teilen von sozialen Gruppierungen werden lassen. (Literarische) Werthaltungen werden in der (literarischen) Sozialisation erworben, sie sind relativ stabil, sowie zentral (also wichtig für das Subjekt / Gruppen) und haben kognitive wie emotionale Komponenten. Es handelt sich um Präferenzmodelle, das heißt situationsübergreifende Schemata, die es Subjekten ermöglichen, bestimmten literarischen Objekten den Vorzug vor anderen zu geben. Werthaltungen sind nicht zwangsläufig bewusst. Sie steuern Handlungen und/oder lösen sie aus. Man kann also davon ausgehen, dass die ureigenen Wertmaßstäbe, die uns zu eigenständigen und sozial verbandelten Individuen machen, auch in der Wertung von Literatur zum Tragen kommen. Axiologische Werte zur Beurteilung literarischer Texte (nach Heydebrand und Winko)Heydebrand und Winko[2] haben einen schematischen Überblick über die Maßstäbe, die für Literaturbewertungen herangezogen werden, in verschiedene Kategorien unterteilt. Sie unterscheiden zwischen Ästhetizität/Literarizität und wirkungsbezogenen Werten. Zur Asthetizität/Literarizität zählen sie formale, inhaltliche und relationale Werte. Zu den formalen Werten zählen Selbst- und Wirklichkeitsreferenz sowie Polyvalenz vs. Eindeutigkeit, Stimmigkeit, Komplexität oder Einfachheit, aber auch ästhetische und rhetorische Gestaltung der Sprache, Deutlichkeit und die Schlichtheit oder aber der Schmuck der gewählten Sprache. Zu den inhaltlichen Werten zählen sie Moralität, Gerechtigkeit, Humanität und Gesellschafts- und Kulturkritik, die der Text vermitteln möchte. Die relationalen Werte unterscheiden vor allem, inwieweit der Text innovativ ist oder traditionell bleibt, wie angemessen und wirklichkeitsnah der Text ist. Ist er authentisch? Inwieweit begeht er Normbrüche oder bleibt er bei bereits Bewährtem? Zu den wirkungsbezogenen Werten gehören kognitive, praktische, gesellschaftliche und individuelle Werte. Als kognitive Werte beschreiben Heydebrand und Winko Wissensvermittlung, Memorabilität sowie die Reflexion und Revision verschiedener Themen. Praktische Werte werden mit Handlungsorientierung, sittlicher Belehrung und Sinnstiftung ebenfalls als weiterbildend und belehrend beschrieben. Gesellschaftliche Werte unterteilen sich unter anderem in ökonomische Werte, Prestigewert und kommerziellen Gewinn. Auch den Status eines Werkes im Kanon könnte man hier auflisten. Die individuellen Werte werden noch einmal in affektive Werte und hedonistische Werte aufgespalten. Affektive Werte sind die ausgelösten Gefühle, die bei der bewertenden Person ausgelöst werden, so etwa Rührung oder Gleichmut, Identifikation mit oder Distanz zu Charakteren. Die hedonistischen Werte treffen Aussage über den Unterhaltungswert, so werden Spannung, Betroffenheit, Harmonie oder Freude am Werk beschrieben. LaienkritikUnter dem Begriff Laienkritik versteht man eine Literaturkritik durch ungeübte, nicht darin ausgebildete Leser, zum Beispiel auf Websites wie Lovelybooks. Es findet eine Wertung statt, die aber nicht in „offiziellen“ Medien stattfindet wie zum Beispiel dem Feuilleton. Die Kritiker sind „Leser ohne professionelle Schreiberfahrungen und Ausbildungen“ (Anz 2010[3]), wodurch sie den Gegenstandsbereich der Literaturkritik vergrößern (vgl.[3]). Das Ausüben von Laienkritik wird durch das Internet erleichtert (vgl. S. 59[4]) und zu einem „Massenphänomen“ und einer „ernsthaften Alternative zur professionellen Kritik“ (vgl.,[3] zit. n. Pfohlmann). Dort können Kunden an der öffentlichen Meinungsbildung teilhaben (vgl. S. 59[4]), wodurch eine Demokratisierung der Kommunikation über Literatur stattfindet (vgl. S. 62 [4]). Dadurch, dass jeder Leser mittlerweile seine Bucheinschätzungen veröffentlichen und so ein großes Publikum erreichen kann (vgl.[3]), gibt es andere Genres als zum Beispiel im Feuilleton. Die meisten Laienkritiker spezialisieren sich auf Trivial- oder Genreliteratur wie z. B. Science Fiction und Fantasy, die im Feuilleton keine Beachtung finden (vgl. [3]). Dabei ist die Autorenschaft der Kritiken häufig anonym, sodass die Expertise unbekannt ist, die Kundenrezensionen nicht gleich Laienrezensionen sind (vgl. S. 59[4]) und sehr unterschiedliche Qualitäten aufweisen (vgl. S. 62[4]). Die Textkomponenten einer Laienrezension bestehen häufig aus dem “Bemühen um Selbstdarstellung” (S. 65[4]), dem “Thematisieren des eigenen Leseerlebens” (ebd.[4]), dem “Bewerten im Hinblick auf den Inhalt” (ebd.[4]) und schließlich dem “Beanspruchen von Meinungsführerschaft bzw. Geschmacksautorität” (S. 66[4]). Üblicherweise wird dabei zuerst der Buchinhalt wiedergegeben und dann die subjektiven Leseerfahrungen (vgl. S. 65[4]). Dabei findet häufig eine Textmustermischung statt (vgl. S. 66[4]) sowie eine “Einordnung in werkübergreifende Zusammenhänge” (S. 67[4]). Meist werden die Laienrezensionen stark durch wirkungspsychologische Kriterien beeinflusst, sodass sich die Rezensionsleser aussuchen können, an welchen Rezensionen sie sich orientieren wollen (vgl. S. 66[4]). Laienrezensionen sollen anderen Lesern Orientierung durch Empfehlen oder Abraten geben (vgl. Stein 2015[4], S. 68), was “das gesellschaftliche Bedürfnis nach Kommunikation über […] Literatur befriedigt” (S. 69[4]). Laut professionellen Literaturkritiker ist die Laienkritik unzureichend (vgl. S. 63[4]), auch die Linguistik verweist auf einen potenziellen Qualitätsverlust (vgl. S. 64[4]). Andere Leser kritisieren ebenfalls Laienrezensionen (vgl. S. 64[4]), häufig hat diese Kritik einen dialogischen Charakter (vgl. S. 69[4]). Die Probleme der Laienkritik werden an verschiedenen Aspekten festgemacht. Die Bewertung verschiebt sich auf das persönliche Erleben der Kritiker (vgl. S. 71[4]), durch die Intransparenz verlieren die Kritiken an Glaubwürdigkeit (vgl. S. 72[4]), wodurch wiederum die Qualität der Literaturkritik leidet (vgl.[3]). Außerdem gibt es ein “Anonymitätsproblem”,[3] wie weiter oben bereits ausgeführt wurde. Schließlich werden die Laienkritiken auch strategisch für die Erhöhung von Verkaufszahlen genutzt (vgl. S. 74[4]). LiteraturkritikIm Rahmen der Literaturkritik werden literarische Werke, auf Basis unterschiedlichster Kriterien beurteilt. Sie beschreibt die Wertung von Autoren und ihren Werken. Der Wertmaßstab oder das Kriterium muss nicht ausschließlich “literarischer-ästhetischer” Natur sein, sondern kann auch beispielsweise in Weltanschauung, Religion oder Politik verankert sein. Literaturkritik ist eine “Institution des literarischen Lebens, die literarische Texte, Autoren und andere Phänomene der Literatur kommentiert und bewertet.” (S. 463[5]) Eine Literaturkritik vollzieht eine Wertung über einen literarischen Text und beurteilt diesen als wertvoll oder nicht wertvoll auf Basis von formellen, relationalen und inhaltlichen Aspekten (vgl. S. 112[6]). So kann ein literarischer Text eingeordnet werden und sich mit ihm kritisch auseinandergesetzt werden. Nach René Welleks sind jedoch theoretisch unbelegte Aussagen nicht als Literaturkritik zu werten (vgl. S. 466[5]). Als Vater der deutschen Kritik gilt der Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing (vgl. S. 466[5]). Literaturkritik wird heutzutage oft in Form von Rezensionen verfasst, welche in Zeitschriften oder auf Webseiten veröffentlicht werden. Ein Beispiel wäre die Webseite Lovelybooks. Diese Form der Kritik kann jedoch auch in so großem Maße subjektiv sein, dass es eher literarischen Wertung zuzuordnen ist (vgl. S. 837[1]). Historische EntwicklungDie Anfänge der literarischen Wertung finden sich in der Literaturkritik, die sich hauptsächlich über bekannte Literaturkritiker definiert.[7] Die Literaturkritik entstammt der Aufklärung. Darüber hinaus wirkt sie selbst aufklärend, „denn Kritik, die nur verdunkelt, predigt, anbetet oder selber nachdichtet, hat ihren Namen nicht verdient.“[8] Bekannte LiteraturkritikerAls Vater der deutschen Literaturkritik kann Gotthold Ephraim Lessing angesehen werden, denn er prägte die ästhetischen Anschauungen des 18. Jahrhunderts.[9] Heute gehört er zu den bedeutenden Schriftstellern der deutschen Aufklärung. Er gilt unter anderem als Dichter, Gelehrter und Dramatiker, der außerdem ästhetische und kritische, sowie philosophische und theologische Schriften verfasste.[10] DigitalisierungDurch die fortschreitende Digitalisierung hat sich auch die Literaturkritik verändert. Digitalisierung bezeichnet eine digitale Umstellung von analogen Medien, wie z. Bsp. Büchern, Zeitschriften, wissenschaftlichen Journals und Literaturkritik selbst. Konkret auf Literaturkritik bezogen bedeutet dies, dass die Literaturkritik und Wertung auf digitale Plattformen verlegt wird, welches eine größere Reichweite, Diversität von Meinungen und Kritik und eine Beschleunigung des Konsums zur Folge hat. Literarische Wertung im digitalen ZeitalterSocial-Reading-PlattformenPlattformen, die dem Austausch über und der Rezensierung von Literatur dienen, werden unter dem Begriff Social-Reading-Plattformen zusammengefasst. Sie dienen dem Meinungsaustausch unter Lesern und dem Bewerten von gelesener Literatur. Die registrierten Nutzer können hier Rezensionen über Bücher verfassen und hochladen, die Bücher mit Hilfe eines Fünf-Sterne-Systems bewerten, und Rezensionen anderer Nutzer lesen und kommentieren. Neben dem Bewerten von und Austauschen über Literatur bieten diese Plattformen auch großen Raum, Literatur zu entdecken, Statistiken über das eigene Leseverhalten zu erhalten, und das eigene Lesen zu dokumentieren. International am meisten genutzt wird mit über 90 Millionen registrierten Leser (Stand 2019) die Plattform Goodreads.[11] LovelyBooks gilt als eine der größten deutschsprachigen Social-Reading-Plattformen und hat nach eigenen Angaben mehr als 500.000 Nutzer.[12] BookTube, Bookstagram und BookTokIn verschiedenen Sozialen Medien veröffentlichen Nutzer Videos und kurzes Textmaterial über Bücher und ihre Leseerfahrung. In Anlehnung an den jeweiligen Namen der Social-Media-Plattform werden die jeweiligen literaturspezifischen Untergruppen bzw. Inhalte auf der Plattform als BookTuber (auf YouTube), Bookstagramm (Instagram) bzw. BookTok (TikTok) genannt. Die Bedeutung für Literarische Wertung und die LiteraturindustrieDie diskutierte Literatur und Kritik wird durch Social-Reading-Plattformen ausgeweitet. Dabei geschieht diese Ausweitung auf der Ebene des Gegenstands der Literatur selbst, da es keine ‚ausgewählte‘ Literaturgruppe mehr gibt. Auf der Ebene der ‚Plattform‘ erweitert sich das ‚Teilen‘ von Rezensionen vom rein Schriftlichen bzw. Gedruckten zum Medialen bzw. Digitalen. Dadurch ist es jedem/jeder ermöglicht Literaturkritik zu betreiben und keine Gesellschaftsgruppe wird ausgeschlossen. Dies führt zu einer größeren Reichweite und einem viel diverseren Diskurs. Wichtig ist es zu erwähnen, dass der Austausch über Literatur schon in Kindheitsjahren eine wichtige Rolle für eine gelingende Lesesozialisation spielt. Der niedrige Altersdurchschnitt auf Socialreadingplattformen beweist, dass die Kinder bzw. Jugendlichen so einen viel leichteren und schnelleren Zugriff auf Literatur bzw. den Literaturdiskurs haben können. Rezeption und Kritik der EntwicklungVon großer, wenn nicht sogar problematischer, Bedeutung ist es heutzutage, dass Verlage bewusst Socialreadingplattformen durch die Influencer beeinflussen. Durch Werbeexemplare, wie kostenlose Rezensionsexemplare usw. können auch die Bewertungen gelenkt bzw. erkauft werden. „Dass insbesondere die Laienkritik zu einem Massenphänomen angewachsen ist, bestätigt, dass diese Form von Literaturkritik im Netz das Bedürfnis von Laienlesern nach literarischer Kommunikation und dialogischer Verständigung zu erfüllen scheint.“ (S. 113[13]) Die größte Kritik der Entwicklung der Literaturkritik ist die Bewertung des Ganzen als ‚Kulturverfall‘.[14] Dies begründen die Kritiker damit, dass die Digitalisierung der Literaturkritik dazu geführt hätte, dass es einen Quantitätsüberfluss und einen Qualitätsverlust gäbe. Man bedenke aber, dass das wissenschaftlich ‚Kulturelle‘, das schon da war, bestehen bleibt und lediglich erweitert wird. Zudem darf man nicht vergessen, dass digitale Rezensionen auch wissenschaftlich sein können. Kommerzielle DimensionenPlattformkapitalismusUnter dem Begriff der digitalen Plattform versteht man ein Technologieunternehmen, welches Transaktionsfläche für andere bereitstellt, ohne selbst Produktionsmittel oder Arbeit zu investieren (vgl. Altenried et al. 2021, S. 52). Airbnb ist eine digitale Plattform, die eine solche Transaktionsfläche anbietet. So besitzt Airbnb keine eigenen Ferienwohnungen, sondern bietet lediglich eine Vernetzung zwischen Nutzern der Plattform. Die Betreiber einer solchen Plattform profitieren letztlich durch diese Vernetzung, indem sie Angebot und Nachfrage zusammenführen (vgl. Humborg et al. 2018, S. 5). “Wesentliches Produktionsmittel, das Plattformen von anderen Unternehmen unterscheidet, sind Daten, vornehmlich über Kaufverhalten, Nutzungsverhalten und individuelle Präferenzen. Mit diesen erhoffen sich die Plattformen, zukünftiges Verhalten ihrer Nutzer abzuleiten, oder dieses zu beeinflussen (vgl. ebd., S. 41). Rushkoff (2014, S. 15) […]” (Humborg S. 7) Auch wenn eine Plattform oft für die Nutzer kostenfrei ist, können die Betreiber finanzielle Erträge herausziehen, indem sie Daten sammeln und verkaufen oder Werbeplätze zur Verfügung stellen. Die gesammelten Daten können Aufschluss über das Kaufverhalten der Nutzer oder persönliche Präferenzen geben, welche von den Käufern der Daten für gezielte Werbung genutzt werden kann (vgl. Humborg S. 7). Es ist so möglich ohne Marktforschung Auskünfte über Konsumenten zu erhalten. “Je stärker die Netzwerkeffekte sind, desto wertvoller die Daten: „the more numerous the users who interact on a platform, the more valuable the entire platform becomes of each one of them“ (Srnicek 2017, S. 95).” (Humborg S. 7) Der kapitalistische Wert einer Plattform hängt somit an der Anzahl der Nutzer, da eine größere Menge an Daten gesammelt werden kann (vgl. Haberkorn). In Bezug auf die Plattform Lovelybooks zeigt sich, dass es die Möglichkeit gibt durch kostenpflichtige Optionen auf der Website prominenter dargestellt zu werden. Erkennbar ist hier die Zusammenführung von Anbietern und Konsumenten. Einzelnachweise
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