Diese Liste enthält eine Auswahl bekannter Attentate, die von Personen ausgeführt wurden, die Anhänger der anarchistischen Bewegung waren und/oder sich als Anarchisten bezeichneten. Als Anfang dieser Reihe von Attentaten gilt mit dem Aufkommen des Konzepts der Propaganda der Tat das Jahr 1878.[1] Die Attentate und Anschläge sind praktisch ausnahmslos gegen Vertreter von Staat, Kirche und Bourgeoisie gerichtet.[2] Obwohl ein großer Teil anarchistischer Gruppen diese Methoden ablehnte und sich zunehmend von solchen Taten distanzierte, kam es erst ab 1932 zu einem Rückgang anarchistischer Attentate.[3]
Die Liste enthält keine Taten Individueller Expropriation, obwohl diese teilweise auch Opfer forderten. Aktionen Individueller Expropriation waren auf das Entwenden von Eigentum gerichtet und nicht gegen Personen.
Passannante attackierte den König während einer Parade mit einem Dolch. Der König konnte sich rechtzeitig schützen, doch Premierminister Benedetto Cairoli wurde verletzt. Am Tag darauf wurde in Florenz ein Bombenanschlag auf die Parade zur Feier für den König und seine Gesundheit verübt und am 20. November wurde eine Militärkaserne in Pisa in Brand gesteckt. Am 26. November warf Pirro Orsolini in Pisa während einer Demonstration gegen das Attentat vom 17. November eine Bombe auf die Demonstranten.
Otero González feuerte zwei Schüsse auf den spanischen König. Beide Schüsse verfehlten ihr Ziel. Francisco Otero González wurde am 14. April 1880 hingerichtet.
Der 19-jährige Arbeiter Charles Fournier versuchte ohne Erfolg nach dem Ende eines Textilarbeiterstreiks den Eigentümer eines bestreikten Betriebes zu erschießen. Der Streik hatte 44 Tage gedauert und für viele der 4.000 teilnehmenden Weber die Entlassung zur Folge. Fournier gehörte zu den Entlassenen und machte Bréchard für die Krise verantwortlich.[4]
Misslungenes Dynamitattentat auf den deutschen Kaiser und sein Gefolge während der Einweihung des Niederwalddenkmals. Reinsdorf und Küchler wurden hingerichtet.
Der ortsansässige Arbeiter Anton Kammerer erschoss in Floridsdorf bei Wien den Polizeikonzipisten Franz Hlubek. Hlubek war zuständig für die Überwachung von Sozialisten und organisierte Spionage- und Überwachungsaktionen in Arbeiterkreisen.[5] Es war nach der Merstallinger-Affäre die erste ernste Gewalttat von Anarchisten in Österreich.[6]
Hermann Stellmacher erschoss Polizeidetektiv Ferdinand Blöch, der wie Franz Hlubek die sozialistische Bewegung überwachte. Der Tat ging ein Überfall von Stellmacher und Kammerer auf den Wechselstubenbesitzer Eisert in Wien voraus, bei dem drei Personen starben. Als Reaktion wurde vom Parlament am 30. Januar der Ausnahmezustand in Wien und in den niederösterreichischen Industriebezirken Wiener Neustadt und Korneuburg verhängt. Die bis dahin starken radikalen und sozialrevolutionären Kreise wurden entscheidend geschwächt und die wichtigsten Publikationen Die Zukunft und die tschechische Dělnické Listy unterdrückt.[7] Stellmacher und Kammerer wurden kurz nach dem Blöch-Attentat gefasst und am 6. August respektive 20. September 1884 in Wien hingerichtet.[8]
Der deutsche Anarchist Julius Lieske wurde für den Mord am Führer der politischen Polizei von Frankfurt, Polizeirat Karl Rumpf verantwortlich gemacht. Die Urheberschaft konnte nie eindeutig bewiesen werden.[9]Max Nettlau sieht Lieske als Unschuldigen und geht von einer Beteiligung von August Reinsdorf, Hermann Stellmacher und Anton Kammerer aus.[10] Polizeirat Rumpf hatte bereits 1881 einen Spitzel in eine anarchistische Gruppe geschickt, um einen Anschlag auf ihn selbst zu ermutigen und um die Gruppe mit Schwefelsäure für den Anschlag auszustatten. Mit dieser Aktion konnte Rumpf später 44 Personen festnehmen, in deren Prozess aber Rumpfs Machenschaften vom Richter entdeckt wurden.[11]
Als Vergeltung für den Einsatz von scharfer Munition gegen eine Demonstration, bei der 9 Demonstranten starben, führte Ravachol einen Bombenanschlag auf den Vorsitzenden des zuständigen Geschworenengerichts aus.
Bombenanschlag von Théodule Meunier auf das Restaurant Véry, wo Ravachol von einem Kellner an die Polizei verraten wurde. Der Besitzer und ein Kunde starben, mehrere Menschen wurden verletzt. Bereits am 15. März 1892 verübte Meunier einen Bombenanschlag auf die Lobau-Kaserne in Paris, wo das Massaker an den Kommunarden stattfand.
Alexander Berkman versuchte ohne Erfolg den amerikanischen Industriellen Henry Clay Frick zu töten. Der Tat ging ein Streik von Stahlarbeitern in Fricks Fabrik voraus, bei dem mehrere Arbeiter getötet wurden. Nachdem Berkman in Fricks Büro vorgedrungen war, schoss er dreimal auf ihn und stach zweimal erfolglos mit einem vergifteten Messer zu. Berkman wurde in der Folge der Tat wegen Mordversuchs zu 22 Jahren Haft verurteilt.
Während einer Militärparade warf Paulí Pallás eine Bombe auf Generalkapitän Arsenio Martínez-Campos. Zwei Personen starben und zwölf weitere wurden verletzt. Martínez Campos entkam mit einer leichten Verletzung.[12] Das Attentat geschah aus Rache für die Hinrichtung von vier Aufständischen und die harsche Bestrafung von 18 weiteren Personen nach der Niederschlagung des Aufstands von Jerez im Jahr zuvor.[13] Pallás wurde noch im gleichen Jahr hingerichtet.
Als Racheakt für die Exekution von Pallás warf Santiago Salvador Franch zwei Orsini-Bomben in das Gran Teatre del Liceu in Barcelona. Dabei wurden 20 Personen getötet und viele weitere verletzt.[12] Sechs unbeteiligte Anarchisten gestanden unter Folter, die Tat begangen zu haben und wurden zum Tode verurteilt. Am Todesurteil konnte auch das Geständnis von Salvador Franch nichts mehr ändern: Alle sieben wurden hingerichtet.[13] Als Folge der Attentate in Barcelona wurde 1894 ein repressives Anti-Terror Gesetz verabschiedet.[14]
Der 19-jährige Schuhmacher Léon-Jules Léauthier griff mit einem Kneipmesser einen serbischen Minister auf offener Straße an und verwundete ihn schwer. Zu seiner Tat meinte Léauthier in einem Brief an Sébastien Faure: „Ich treffe keinen Unschuldigen, indem ich beim ersten Bourgeois der mir über den Weg läuft zuschlage.“[15]
Auguste Vaillant warf eine Nagelbombe in die Französische Nationalversammlung. 50 Personen wurden bei diesem Anschlag verletzt. Während seines Verfahrens erklärte Vaillant, dass er niemanden zu töten beabsichtigte, sondern einige Abgeordnete als Vergeltung für die Hinrichtung Ravachols verletzen wollte. Vaillant wurde hingerichtet und die lois scélérates wurden erlassen.
Als Protest gegen die Verurteilung von Anarchisten wurde ein Bombenanschlag auf das Ratsmitglied Dr. Renson in Lüttich verübt.[16] Renson wurde dabei schwer verletzt, seine Frau und eine weitere Person wurden leicht verwundet.[17] Bereits in den Tagen davor wurden in Lüttich einige Bombenanschläge verübt, die nur zu Sachschäden führten. 14 Personen wurden nach dem Renson-Attentat festgenommen, für das der deutsche Anarchist Michael Müller die alleinige Verantwortung übernahm.[18] Der ebenfalls deutsche Anarchist Leonhard Bach war gemeinsam mit der belgischen militant-anarchistischen Gruppe um Peter Schiebach für andere Attentate in Lüttich verantwortlich und wurde zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.[19]
Die traditionelle Fronleichnamsprozession in Barcelona bewegte sich in Richtung der Kirche Santa María del Mar, als eine Bombe aus einem Fenster in die Menge geworfen wurde. Zwölf Menschen kamen ums Leben und 44 weitere wurden verletzt.[12] Die Regierung reagierte mit dem Erlass weiterer Anti-Terror-Gesetze und der Bildung eines speziellen Polizeikorps, der Brigada politico-social. Etwa 400 Anarchisten wurden in der Folge im Festungsgefängnis Montjuïc eingesperrt und gefoltert.[14] Die europäische Öffentlichkeit reagierte darauf empört.[12] Der Täter konnte nicht ermittelt werden, wobei von spanischen Anarchisten eine anarchistische Täterschaft bestritten wurde.[20][21] Historiker vermuten den französischen Anarchisten Jean Girault als Urheber.[12]
Michele Angiolillo ermordete den spanischen Premierminister Antonio Cánovas del Castillo, eine Schlüsselfigur beim Sturz der Ersten Spanischen Republik. Das Attentat geschah als Rache für die Repression im Zuge des Fronleichnamsattentates.
Attentat des Journalisten Ramón Sempau auf Leutnant Narciso Portas, genannt „el Botxí de Montjuïc“ (katalanisch für Der Henker von Montjuïc). Portas war persönlich verantwortlich für die Folter von Gefangenen im Festungsgefängnis Montjuïc. Das Attentat scheiterte und Sempau wurde später von einer wohlwollenden Jury freigesprochen.
Luigi Lucheni erstach Elisabeth von Österreich-Ungarn (Kaiserin Sissi), Gemahlin von Franz Joseph von Österreich, am Genfersee. Lucheni wurde nach der Tat von Passanten festgehalten und beging nach zwölf Jahren Haft Selbstmord.[22] Das Attentat bildete den Auftakt zu einer verstärkten internationalen polizeilichen Zusammenarbeit, die durch die Internationale Konferenz von Rom für die soziale Verteidigung gegen Anarchisten von 1898 eingeleitet wurde.[23]
Bei einem Besuch des spanischen Königs in Paris wurde auf ihn und den französischen Präsidenten Émile Loubet ein Bombenattentat verübt. 17 Personen wurden verletzt, doch Loubet und der spanische König blieben unverletzt. Die Polizei konnte den Täter nicht ermitteln, doch Historiker sehen Mateu Morral als Urheber.[12]
Harry Orchards Bombenanschlag auf den früheren Gouverneur von Idaho Frank Steunenberg tötete diesen. Grund für das Attentat waren die repressiven Maßnahmen des Gouverneurs gegen Gewerkschafter.
Der katalanische Anarchist Mateu Morral versuchte, den spanischen König Alfons XIII. und Victoria von Battenberg nach ihrer Trauung zu töten. Der Bombenanschlag ließ die beiden unverletzt. 23 Personen starben und 107 weitere wurden verletzt. Morral nahm sich auf seiner Flucht vor der Polizei das Leben. Da Morral im Verlag der Modernen Schule von Francisco Ferrer arbeitete, wurde dieser als geistiger Urheber des Attentats angeklagt. Unter internationalem Druck wurde Ferrer von der spanischen Justiz freigesprochen.[12]
Simón Radowitzky ermordete bei einem Bombenanschlag den Polizeichef Ramón Falcón in Buenos Aires. Dieser war verantwortlich für die blutige Niederschlagung einer Demonstration am 1. Mai 1909, bei der acht Arbeiter starben und 40 weitere verletzt wurden.
Ein Attentat von Antonio Ramón Ramón auf den chilenischen General Roberto Silva Renard scheiterte. Der General war verantwortlich für das Massaker von Iquique, bei dem etwa 2000 chilenische Arbeiter den Tod fanden, darunter auch der Halbbruder von Antonio Ramón. Silva Renard starb sechs Jahre später an den Folgen des Attentats.[26]
Bruno Filippi führt mit anderen Anarchisten in Mailand vier Anschläge aus: Eine Bombe detonierte im Polizeihauptquartier, ein Anschlag mit Schwefelsäure und ein Bombenanschlag auf den Industriellen Giovanni Breda scheiterten. Beim letzten versuchten Anschlag am 7. September 1919 auf einen Club von Reichen detonierte die Bombe vorzeitig und Filippi starb.
Die Gruppe Anarchisten im Untergrund verübte einen Bombenanschlag auf das Hauptquartier des Moskauer Komitees der Kommunistischen Partei Russlands. Dabei wurden 12 Personen getötet und 55 verletzt, darunter auch Nikolai Bucharin.[28]
Bei einem Bombenanschlag auf das Theater Diana starben 21 Personen und etwa 50 wurden verletzt. Das Ziel des Attentats war Polizeikommissar Giovanni Gasti. Dieser war zur Zeit des Anschlags nicht im Theater. Ugo Fedeli, Pietro Bruzzi und Francesco Ghezzi wurden von der italienischen Polizei verdächtigt.
Kurt Gustav Wilckens ermordete den argentinischen Oberstleutnant Héctor Benigno Varela, genannt „Der Schlächter von Patagonien“. Dieser war verantwortlich für die Exekution von 1500 Arbeitern.
Gregorio Suberviela und Antonio del Toto, Mitglieder der Gruppe Los Solidarios ermordeten den ehemaligen Gouverneur von Bizkaia Oberstleutnant Faustino González Regueral. Sie machten ihn verantwortlich für die Repression von Anarchisten und die Bildung von Pistolerogruppen.
Juan Soldevila Romero, Kardinal und Erzbischof von Saragossa, wurde in seinem Wagen getötet. Als Täter wurden Francisco Ascaso und Rafael Torres Escartín vermutet. Laut Abel Paz war Buenaventura Durruti für die Tat verantwortlich.[29]
Scholom Schwartzbard ermordete Symon Petljura, Kopf der ukrainischen Exilregierung in Paris. Nach einem achttägigen Verfahren wurde er freigesprochen, weil die Jury von Schwartzbards gerechtem Anliegen ausging; seine Verteidigung fußte darauf, dass er den Tod von Pogromopfern rächte, die Petljura organisiert hatte.
Ein Bombenanschlag von Gino Lucetti auf den Wagen von Benito Mussolini ließ diesen unverletzt. Das Attentat hatte die Wiedereinführung der Todesstrafe in Italien zur Folge.
Gualterio Marinelli versuchte, den argentinischen Präsidenten Hipólito Yrigoyen zu töten. Das Attentat schlug fehl; Marinelli und zwei andere Personen wurden getötet.[30]
Eine Gruppe von fünf Anarchisten erschoss den argentinischen Polizeidirektor José Rosasco, den sie für die Repression und Ermordung von Anarchisten in Argentinien verantwortlich sahen. Jorge Tamayo Gavilán wurde als Schütze vermutet.[31]
Armando Guidot, Bruno Antonelli Dellabella und Francisco Sapia wurden für das Attentat auf Polizeikommissar Luis Pardeiro in Uruguay verantwortlich gemacht. Er sollte für die Folter von gefangenen Anarchisten verantwortlich sein. Pardeiro entging dem Attentat unverletzt, doch der Fahrer seines Wagens kam ums Leben.
↑Nettlau, Max: Anarchisten und Sozialrevolutionäre. ASY-Verlag, Berlin 1931, S. 323.
↑Nettlau, Max: Anarchisten und Sozialrevolutionäre. ASY-Verlag, Berlin 1931, S. 324.
↑Langhard, Dr. jur. J.: Die anarchistische Bewegung in der Schweiz. Verlag von O. Häring, Berlin 1903, S. 273.
↑Mommsen, Wolfgang J. / Hirschfeld, Gerhard: Sozialprotest, Gewalt, Terror. Klett-Cotta, 1982, S. 232.
↑Nettlau, Max: Anarchisten und Sozialrevolutionäre. ASY-Verlag, Berlin 1931, S. 332.
↑Rudolf Rocker: Johann Most. Das Leben eines Rebellen. Verlag Der Syndikalist, Berlin 1924, S. 90ff.
↑ abcdefgJ. Romero Maura: Terrorism in Barcelona and Its Impact on Spanish Politics 1904-1909. In: Past and Present, No. 41, Dezember 1968, Oxford, S. 130–183.
↑Maitron, Jean: Le mouvement anarchiste en France, tome I. Paris 1975, S. 229. Im Original: „je ne frapperai pas un innocent en frappant le premier bourgeois venu.“