Lisa Christiani

Lisa Christiani, Lithographie von H. J. J., nach Thomas Couture, ca. 1860 (https://www.sophie-drinker-institut.de/cristiani-lise)

Lisa Christiani, auch Lise Cristiani, Lisa Cristiani (* 24. Dezember 1827 in Paris; † 24. Oktober 1853 in Nowotscherkassk/Russland) zählte neben Anna Kull, Hélène de Katow (um 1830–nach 1876) und Róza Szuk (1844–1921) zu den ersten Cellistinnen der Musikgeschichte sowie zu den bekanntesten Spielern des Instruments im 19. Jahrhundert.[1]

Leben

Ihren ersten Unterricht in Tonsatz, Gesang und Klavier erhielt Lisa Christiani bei Auguste Wolff (1821–1887), einem französischen Pianisten und Klavierfabrikanten, der später Dozent am Pariser Konservatorium wurde. Zur Cellistin wurde sie bei Bernard Benazet (1781–1846), einem Schüler von Bernhard Romberg, ausgebildet.[2]

Ab 1844 gab sie Konzerte, sowohl in solistischer als auch kammermusikalischer Besetzung, in Paris, Rouen und Brüssel. Ihr „Repertoire bestand aus Bearbeitungen beliebter Melodien (Schubert, Donizetti, Ernst), Fantasien über Opernthemen (Batta) und wenigen Originalkompositionen (Offenbach, Franchomme). Ergänzt wurde es durch Kammermusik (Hummel, Rossini, Beethoven, Mayseder), die sie mit ortsansässigen Musikern aufführte.“[3] Ab 1845 unternahm sie eine Konzertreise nach Wien, Linz, Passau, Regensburg, Nürnberg und Baden-Baden. Anschließend spielte sie im Leipziger Gewandhaus und wurde hier u. a. von Felix Mendelssohn Bartholdy begleitet, der ihr seine Romance sans paroles in D-Dur für Violoncello und Klavier (op. 109) sowie ein Andante pastorale in C-Dur für Klavier widmete. Außerdem reiste Lisa Christiani weiter u. a. nach Berlin, Stettin, Dresden, Magdeburg sowie 1846 nochmals nach Berlin, Freiberg, Braunschweig, Hannover und Hamburg. Es folgten weitere Konzertreisen nach Dänemark und Schweden, nochmals nach Deutschland sowie 1847 u. a. nach Petersburg, Moskau und Sibirien. Über Moskau (1850) reiste sie weiter in die Ukraine (1852), bis sie Ende September 1853 Nowotscherkassk erreichte, wo sie an der Cholera erkrankte und wenige Tage später starb. Sie wurde nur 26 Jahre alt.[4]

Wirken

Christiani war die erste professionelle Cellistin, die eine öffentliche Karriere wagte – zu einer Zeit, als das Cellospiel wegen der Haltung des Instruments zwischen den Knien und des Klangs, der die Regionen einer Bassstimme erreichte, für Frauen als unschicklich galt.[5]

Sie gehörte zu einer Gruppe von Musikerinnen, die neue Kompositionen und Bearbeitungen entscheidend prägten; insbesondere die Ausweitung des Repertoires um Genrestücke, Fantasien und Bearbeitungen populärer Opernthemen zeigte, wie vielfältig das Cello in dieser Zeit eingesetzt werden konnte.[6]

Obwohl bereits bekannt war, dass Christiani weite Reisen unternahm, verdeutlicht ihre Konzertpraxis das Ausmaß, in dem sie und andere Cellistinnen ihrer Generation europaweit neue Musik zugänglich machten; dabei war nicht nur die Begeisterung des Publikums groß; auch etablierte Komponisten bemerkten ihre Kunst und unterstützten sie aktiv.[6]

Schon zu Lebzeiten wurde ihre unkonventionelle Art, in auffälligen Kleidern aufzutreten und ohne Scheu mit einem sperrigen Cellokasten zu reisen, in Musikerkreisen wie beim Publikum aufmerksam verfolgt.[6] Obwohl sie jung starb, hinterließ sie wichtige Impulse für das Cellospiel und trug dazu bei, dass sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts viele weitere Komponisten – darunter einige Frauen – dem Violoncello zuwandten.[6] Ihr eigenes, bis heute erhaltenes Instrument galt lange als Symbol für ihren Mut und ihre künstlerische Strahlkraft.[6]

Literatur

  • Freia Hoffmann: Art. „Cristiani, Christiani, Chrétien, Barbier, Lise, Lisa, Elise. In: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2007/2010. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann. [mit ausführlichen Informationen zu den Konzertreisen und Konzertrezensionen]
  • Freia Hoffmann und Volker Timmermann (Hg.): Quellentexte zur Geschichte der Instrumentalistin im 19. Jahrhundert, Hildesheim u. a. 2013.
  • Freia Hoffmann: Instrument und Körper. Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur, Leipzig und Frankfurt a. M. 1991.

weiterführend:

  • Katharina Deserno: Cellistinnen. Transformationen von Weiblichkeit in der Instrumentalkunst (= Musik – Kultur – Gender 14), Köln 2018, besonders das Kapitel zu Lisa Christiani S. 111–272.
  • Freia Hoffmann: „Lise Cristiani in Sibirien“. In: Freia Hoffmann (Hg.): Reiseberichte von Musikerinnen des 19. Jahrhunderts : Quellentexte, Biographien und Kommentare, Hildesheim 2011, S. 149–180.
Commons: Lisa Cristiani – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vgl. Silke Wenzel: Anna Kull. In: Beatrix Borchard, Nina Noeske (Hg.): MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 25. September 2018; vgl. Freia Hoffmann und Volker Timmermann (Hg.): Quellentexte zur Geschichte der Instrumentalistin im 19. Jahrhundert, Hildesheim u. a. 2013, S. 14.
  2. Vgl. Freia Hoffmann: Art. „Cristiani, Christiani, Chrétien, Barbier, Lise, Lisa, Elise. In: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2007/2010. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann.
  3. Freia Hoffmann: Art. „Cristiani, Christiani, Chrétien, Barbier, Lise, Lisa, Elise. In: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2007/2010. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann.
  4. Vgl. Freia Hoffmann: Art. „Cristiani, Christiani, Chrétien, Barbier, Lise, Lisa, Elise. In: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2007/2010. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann.
  5. Vgl. Freia Hoffmann: Art. „Cristiani, Christiani, Chrétien, Barbier, Lise, Lisa, Elise. In: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2007/2010. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann; vgl.auch Freia Hoffmann und Volker Timmermann (Hg.): Quellentexte zur Geschichte der Instrumentalistin im 19. Jahrhundert, Hildesheim u. a. 2013, S. 7f.; vgl. auch Freia Hoffmann: Instrument und Körper, Leipzig und Frankfurt a. M. 1991, S. 41.
  6. a b c d e Französische Cellomusik beim Palazzetto BruZane. 3. Januar 2025, abgerufen am 5. Januar 2025.

 

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