Lillian Diana Gish (eigentl. de Guiche,[1] * 14. Oktober1893[2] in Springfield, Ohio; † 27. Februar1993 in New York) war eine US-amerikanischeSchauspielerin. Ihre Filmkarriere dauerte von 1912 bis 1987. Sie war einer der größten weiblichen Stars der Stummfilmära Hollywoods, wo sie durch ihre lange Zusammenarbeit mit D. W. Griffith bei Filmen wie Die Geburt einer Nation bekannt wurde. Gish wurde auf der Oscarverleihung 1971 mit einem Ehrenoscar ausgezeichnet. Als einer der ersten Filmstars erkannte sie die Unterschiede zwischen Film- und Theaterschauspiel und pflegte eine im frühen Film ungewöhnlich natürliche und subtile Darstellungskunst.[3]
Lillian Gish stand zum ersten Mal 1902 im Alter von neun Jahren im Theater auf der Bühne. Gemeinsam mit ihrer Mutter Mary McConnell Gish (1876–1948) und ihrer Schwester Dorothy ging sie auf Amerika-Tournee und landete 1905 in New York. Um der ständigen Armut zu entrinnen, versuchten die Schwestern als Teenager, unterstützt von der Mutter, im noch jungen Filmgeschäft Fuß zu fassen. Der Vater war Alkoholiker und hatte die Familie verlassen.
1912 sprachen sie bei der Biograph Company bei David Wark Griffith vor, der von ihrem intensiven Spiel derart beeindruckt war, dass er sie sogleich für seinen nächsten Film besetzte. Gish drehte insgesamt 25 Filme für Biograph, die sie neben Mary Pickford zu einem der größten weiblichen Stummfilmstars machten. Zu ihren wichtigsten Auftritten unter der Regie Griffiths zählen ihre Rollen in Die Geburt einer Nation, Gebrochene Blüten, True Heart Susie, Weit im Osten und Zwei Waisen im Sturm. In Intoleranz war Gish in der Nebenrolle der Ewigen Mutter zu sehen. Nach Beendigung ihrer Zusammenarbeit mit Griffith produzierte Gish zunächst selbst zwei Filme und wechselte 1925 zur neu formierten MGM. Sie galt als der wichtigste Star des Studios, noch vor Marion Davies. Das Prestige zeigte sich auch in dem großen finanziellen Aufwand, mit dem ihre Filme produziert wurden. Gish wurde auf dem Höhepunkt ihres Erfolges auch als The First Lady of American Cinema bezeichnet.[4] Zudem erwies sich Gish als bedeutende Pionierin der Filmschauspielerei:
„Lilian Gish war die erste wirkliche Schauspielerin der Filmindustrie. Als Pionierin von fundamentalen Filmschauspiel-Techniken war sie der erste Star, der die vielen ausschlaggebenden Unterschiede zwischen Schauspiel für das Theater und Schauspiel für die Leinwand erkannt hatte; und während ihre Kollegen ihre Darstellungen mit ausschweifenden, dramatischen Schüben vorbrachten, lieferte Gish fein radierte, nuancierte Darbietungen, die eine beeindruckende emotionale Wirkung mit sich brachten. (…) Ihre scheinbar elfenhafte Fragilität verbarg ungesehene Reserven von körperlicher und geistiger Kraft; mehr als jeder andere frühe Star kämpfte sie darum, dem Film Anerkennung als wahre Kunstform zu bringen und ihre Errungenschaften wurden der Standard, gegen den alle anderen Schauspieler gemessen werden.“
1920 wurde ihre einzige Regiearbeit Remodeling Her Husband veröffentlicht. Gish war auch maßgeblich am Drehbuch beteiligt. Der Film gilt als verschollen. Anfang der 1920er Jahre erfolgten ihre letzten Arbeiten mit Griffith und anschließend arbeitete sie bei zwei Filmen erfolgreich mit Regisseur Henry King. 1926 wirkte Gish unter King Vidor mit John Gilbert in Mimi mit und drehte später im Jahr die Literaturverfilmung Der scharlachrote Buchstabe. Beide Filme waren finanziell erfolgreich. Das Aufkommen von Greta Garbo und Norma Shearer änderte jedoch ihr Gewicht in der Studiohierarchie. Ihren letzten künstlerischen, wenn auch nicht finanziellen Erfolg als Hauptdarstellerin hatte sie 1928 unter Regie von Victor Sjöström in Der Wind, in dem sie eine junge, sensible Frau darstellt, die langsam dem Wahnsinn verfällt und einen Mann in Notwehr tötet. Mit dem Aufkommen des Tonfilms Ende der 1920er Jahre änderte sich auch der Publikumsgeschmack sehr rasch. Gish wurde nun in den Augen der Zuschauer zu einer Repräsentantin einer vergangenen Zeit und trat in den folgenden sechs Jahrzehnten nur noch in unregelmäßigen Abständen in Filmen auf. Umso mehr arbeitete sie wieder am Theater. Politisch war Gish Republikanerin und unterstützte unter anderem mit Warren G. Harding, Calvin Coolidge und Herbert C. Hoover die zu dieser Zeit progressiveren Präsidentschaftskandidaten. Außerdem engagierte sich die Pazifistin beim America First Committee, eine isolationistische Bewegung, die 1940/41 die Teilnahme der Vereinigten Staaten am Zweiten Weltkrieg zu verhindern suchte.
Auf der Oscarverleihung 1971 erhielt Gish einen Ehrenoscar für ihr Lebenswerk. In den 1970er Jahren trat sie zunehmend für Bewahrung des filmischen Erbes und die Stummfilmrestauration ein. Sie verfasste zahlreiche Bücher über ihre Arbeit mit Griffith, in denen sie dessen Bedeutung für die technische und künstlerische Entwicklung des Films betonte. Hierzu hielt sie Vorträge in Universitäten und Filmklubs. Gish veröffentlichte mehrere Bücher mit Lebenserinnerungen. Sie war nie verheiratet und hatte keine Kinder, aber unter anderem eine Beziehung mit dem Theaterkritiker George Jean Nathan. Sieben Monate vor ihrem 100. Geburtstag verstarb sie 1993 an Herzversagen.[6]
Star Acting – Gish, Garbo, Davis – Charles Affron (E.P. Dutton, 1977)
A Moment with Miss Gish – Peter Bogdanovich (Santa Teresa Press, 1995)
Lillian Gish A Life on Stage and Screen – Stuart Oderman (McFarland & Company, 2000)
Lillian Gish Her Legend, Her Life – Charles Affron (Scribner, 2001)
Film
Jeanne Moreau drehte zusammen mit dem Kameramann Tom Hurwitz ein Filmporträt der Schauspielerin unter dem Titel Lillian Gish (1984). Jeanne Moreau besuchte die Schauspielerin 1983 in ihrem Appartement und befragte den Stummfilmstar über ihre Karriere, die Erfahrungen in Hollywood und ihre Ansichten zum Film überhaupt.[7]
↑Zeitlebens machte Gish widersprüchliche Angaben zu ihrem Alter und Geburtsjahr, häufig wurde 1896 angenommen. Die Überprüfung der registrierten Geburtseinträge förderte jedoch 1893 zutage. Hierzu ausführlich bei Charles Affron: Lillian Gish. Her legend, her life. Scribner, New York NY u. a. 2001, ISBN 0-684-85514-3, S. 17 ff.
↑Albin Krebs: Lillian Gish, 99, a Movie Star Since Movies Began, is Dead. In: The New York Times. 1. März 1993, ISSN0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 26. August 2020]).