Er wurde 1896 von Mönchen der französischen Abbaye Saint-Pierre de Solesmes herausgegeben und erschien bis 1964 in fast jährlich jeweils veränderten bzw. erweiterten Auflagen.
Die Herausgabe des Liber Usualis fällt in die erste Phase der Restitution des Gregorianischen Chorals, die ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in französischen Klöstern einsetzte, zu einer leidenschaftlichen Forschertätigkeit führte und in dem Motu ProprioTra le sollecitudini Papst Pius’ X. vom 22. November 1903 gipfelte, das den gregorianischen Choral als ureigenste musikalische Ausdrucksform der Kirche und ihrer Liturgie bezeichnete und ihm einen bevorzugten Rang in der Kirchenmusik zuordnete.[1] Der von Dom André Mocquereau (1849–1930) herausgegebene Liber Usualis litt aber von Anfang an unter dessen fehlerhaftem Rhythmusverständnis, nach dem jeder Ton des Chorals grundsätzlich gleich lang zu singen sei.[2]
Der Liber Usualis gilt heute teilweise als überholt, da er zum einen die liturgischen Reformen, die sich in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils ergeben haben, noch nicht berücksichtigt, und zum anderen, weil die Gregorianische Semiologie in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte in der Entschlüsselung der älteren Neumenhandschriften gemacht hat, die insbesondere differenziertere Erkenntnisse über die rhythmische Gestaltung der Choräle erlauben. Der Liber Usualis ist heute in der Praxis weitgehend durch andere Choralbücher wie das Graduale Romanum (1974) für die Gesangstextes der heiligen Messe und das Antiphonale für das Stundengebet abgelöst worden.
Wegen der Vollständigkeit der Sammlung ist der Liber Usualis dennoch auch heute noch ein gesuchtes Sammlerstück, und gut erhaltene antiquarische Exemplare erzielen Liebhaberpreise. Ein Reprint der Ausgabe von 1953 erschien 1997 in einem US-amerikanischen Verlag.
Liber usualis missae et officii pro dominicis et festis cum cantu Gregoriano ex editione Vaticana adamussim excerpto a Solesmensibus Monachis. Desclée, Paris/Tournai 1896 ff.
Liber usualis. With introduction and rubrics in English. Reprint der Ausgabe Tounai 1953. St. Bonaventure Publ., Great Falls, MT, 1997
↑Luigi Agustoni: Gregorianischer Choral. In: Hans Musch (Hrsg.): Musik im Gottesdienst. Ein Handbuch zur Grundausbildung in der katholischen Kirchenmusik. Band 1: Historische Grundlagen, Liturgik, Liturgiegesang. 5. unveränderte Auflage. ConBrio Verlags-Gesellschaft, Regensburg 1994, ISBN 3-930079-21-6, S. 199–356, hier S. 223 f.