Lee PerryLee „Scratch“ Perry (* 20. März 1936 in Kendal, Manchester, Jamaika als Rainford Hugh „Leeburn“ Perry; † 29. August 2021 in Lucea, Jamaika[1]) war ein jamaikanischer Musikproduzent und Musiker. Er gilt als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Entwicklung des Reggae und Ska und vor allem als Wegbereiter des Dub und Roots-Reggae in Jamaika und weltweit.[1] Bekannt wurde er außer als Musiker und DJ vor allem durch sein exzentrisches Auftreten sowie durch seinen äußerst gewagten Umgang mit Effekten und Mischpult als Musikproduzent.[2] Der Musikjournalist Lloyd Bradley schrieb über ihn: „Lee ‚Scratch‘ Perry ist der Salvador Dalí des Dub.“[3] Leben und WerkLee Perry war der Sohn einer Farmarbeiterin und eines Straßenarbeiters. Mit 15 verließ er die Schule und bestritt seinen Lebensunterhalt mit Dominospiel, als Tänzer und als Hilfsarbeiter in Negril und Westmoreland, bis er 1959 mit dem Ziel, in der Musikbranche zu arbeiten, nach Kingston ging. Hier begann er als Talent-Scout im Studio von Clement „Coxsone“ Dodd. Unter anderem brachte er dort die Maytals voran und schrieb Songs für Delroy Wilson. Er produzierte auch selbst, unter anderem das Stück „Chicken Scratch“, dem er seinen Spitznamen „Scratch“ verdankt.[1] Ab 1967 arbeitete Perry mit Produzenten wie Prince Buster oder auch Clancy Eccles und begann eine Kooperation mit Joe Gibbs. Hier nahm er seine ersten Upsetter-Produktionen auf. Die Arbeit mit Gibbs sorgte zusehends für Missstimmung, und Perry wurde klar, dass er eigene Wege gehen musste. Im Jahre 1968 gründete er das Label Upsetter Records. Mit im Studio waren Lynford Anderson („Andy Capp“), dessen Cousin Barry Lambert und ein Praktikant – die Upsetters. Die erste Produktion „Place In The Sun“ deckte gerade die Kosten, die zweite Aufnahme „People Funny Boy“ war jedoch bereits ein Erfolg. Der Reggae-Rhythmus war beschleunigt und mit afrikanischen Rhythmen angereichert. Dem Ganzen folgten Orgelklänge, die zeitgenössischen Italo-Western und Spionage-Filmen entlehnt waren. Der Erfolg der Single sorgte für großes Aufsehen unter den Musikern Kingstons, und viele suchten fortan Perry auf, um mit ihm zu arbeiten. Unter ihnen auch Aston Barrett („Family Man“), den er mit den Wailers zusammenbrachte, nachdem Bob Marley gerade von einer Reise in die USA zurückgekehrt war. Mit den Wailers produzierte Perry die Titel „My Cup“, „Duppy Conqueror“, „Keep On Moving“, „Mr.Brown“ und „Small Axe“ und das Album „Soul Revolution II“. Im Jahre 1972 endete die Zusammenarbeit, Bob Marley blieb jedoch in Kontakt mit Perry. Später nahm Marley Songs aus der Zeit mit Lee Perry noch einmal auf, so entstanden zum Beispiel 1977 Kaya und Sun Is Shining (Version ’77). Es wurden Singles mit Dave Barker, Carl Dawkins sowie den Silvertones und vor allem Junior Byles, mit dem er große Erfolge erzielte, aufgenommen. Die sog. Ex-Perry-Ments wurden immer gewagter, erste Versuche mit der Kompilation von Deejays wurden unternommen, womit Perry seiner Zeit weit voraus war. Viele kreative Abenteuer und die Freundschaft mit King Tubby nahmen ihren Lauf. Perry missfiel es immer mehr, bei seinen Produktionen auf fremde Aufnahmestudios angewiesen zu sein, daher baute er ab dem Jahr 1973 sein berühmtes Black Ark Studio (dt.: Die Schwarze Arche) auf. Es lag in Kingstons Stadtteil Washington Gardens, im Hof seines Hauses in der Cardiff Crescent, wo er mit seiner damaligen Frau Pauline „Isha“ Morrison und deren drei Kindern lebte. Bis zum Jahre 1974 hatte Perry 12.000 jamaikanische Dollar in eine visuell eher unauffällige Studioausrüstung investiert, deren wahrer Wert nach Zeitzeugenaussagen nur zu hören war. Sie bestand aus einem TEAC Vierspur-Aufnahmegerät, einem Soundcraft-Mischpult mit Exoplex-Verzerrern und einer Auswahl kleinerer Geräte. Der Sound unterschied sich in jeder Hinsicht radikal von allen anderen seiner Zeit. Perry behauptete, dass er selbst tatsächlich nur vier Spuren aufnehme, „zwanzig weitere habe ich von der außerirdischen Truppe empfangen (...)“ – „It was only four tracks written on the machine, but I was picking up twenty from the extraterrestral squad (...)“. Das Black Ark Studio wurde zu einem kreativen Zentrum der lokalen Musikszene, wo fast alle bekannt gewordenen Musiker Jamaikas häufig anzutreffen waren. 1974 produzierte er mit Leo Graham den Hit „Black Candle“ und 1975 mit den Mighty Diamonds die Ballade „Talk about it“. Bunny Rugs (auch bekannt als Bunny Scott/Clarke) von Third World verwirklichte in der „Ark“ mehrere Soloaufnahmen. Perry mischte Vocals von U-Roy, I-Roy, Prince Jazzbo oder Dillinger mit Posaunensoli von Vin Gordon und Melodicaklängen von Augustus Pablo. Er destillierte ständig neue Sounds aus seinem beständig wachsenden Fundus an Mitschnitten. Zu jedem spontanen Einfall hatte er meistens schon eine passende Tonspur zur Hand; so gelang es ihm angeblich, zusammen mit Max Romeo Songs wie Chase the Devil (der später von The Prodigy im Breakbeatstück Out of Space verwertet wurde) in nur zwanzig Minuten aufzunehmen. Von 1976 bis 1978 veröffentlichte Island Records international verschiedene Perry-Alben: Colombia Colly mit Jah Lion oder War Inna Babylon mit Max Romeo und den Upsetters. 1976 wurden im Black Ark die Alben Party Time von den Heptones und Super Ape von den Upsetters aufgenommen. Im Jahr 1977 gelang Junior Murvin der Hit Police & Thieves. Perry begann Alben unter einer unüberschaubaren Vielzahl von Namen und Labels zu produzieren. Dank seiner Mitschnitte konnte er modular Dubs mit veränderten Gesangs- oder Instrumentalspuren publizieren und sein Material so vielfach verwenden und lokal weiter auf eigene Rechnung verkaufen. Das führte zu einem baldigen Zerwürfnis mit Island Records. Perry beklagte sich allerdings später in Interviews auch über seiner Meinung nach mangelnde Bezahlung und darüber, dass er sich durch Island Records ausgenutzt fühle. Die Situation im Black Ark Studio wurde immer angespannter, wie die Upsetters-Produktion City Too Hot in ihrem Text andeutet. 1979 ging das Studio in Flammen auf. Lee Perry war wegen Verdachtes auf Brandstiftung drei Tage lang in Untersuchungshaft, letztendlich wurden die tatsächlichen Ursachen nie aufgeklärt. Perry ging zunächst in die USA und arbeitete dort mit den Reggaebands Terrorists und Majestics. 1983 begann seine Zusammenarbeit mit Mad Professor und Adrian Sherwood. Mit Lloyd „Bullwackie“ Barnes aus Brooklyn, New York produzierte Lee Perry 1988 das Album „Satan Kicked The Bucket“ und die zugehörige Dub-LP „Satan's Dub“. Coxsone Dodd schließlich brachte verschiedene Kompilationen mit Studio-One-Produktionen aus den 1960er Jahren, an denen Lee Perry mitgewirkt hatte, heraus. 2011 veröffentlichte er das Album „Rise Again“, auf dem er viele Musikgrößen versammeln konnte: So wirkten u. a. Bill Laswell und dessen Frau Ejigayehu „GiGi“ Shibabaw sowie Sly Dunbar, Bernie Worrell und Aiyb Dieng an dem auf M.O.D. Technologies erschienenen Werk mit.[4] Lee Perrys Kreativität war bis ins hohe Alter ungebrochen. Jährlich produzierte er mindestens ein eigenes Album und trat weiterhin regelmäßig auf. Seine Gesangsbeiträge waren oft frei improvisiert und spiegelten Perrys ureigenen Sinn für Humor und seine Schaffensfreude. Durch seine Arbeit wurden viele spätere Künstler inspiriert, von Yello über die Red Hot Chili Peppers bis hin zu The Prodigy.[5] PrivatesIn den 1970er Jahren lebte Perry mit seiner damaligen Frau Pauline „Isha“ Morrison und deren drei Kindern in Kingstons Stadtteil Washington Gardens in der Cardiff Crescent; die Ehe wurde 1979 geschieden. 1989 begegnete er und heiratete er später im selben Jahr die Schweizerin Mireille Campbell in einer Krishna-Zeremonie. Das Paar hatte zwei Kinder. Sie lebten lange in Einsiedeln im Kanton Schwyz. Im Dorf war er als „verrückter Paradiesvogel“ bekannt, der seine ausgefallene, kreative Kleidung gerne mit CD-Silberscheiben schmückte. Auch seine Selbstbeschreibungen in Interviews waren äußerst fantasievoll, er bezeichnete sich mehrfach als einen Alien aus einer anderen Welt und er lebe im Weltenraum und sei hier nur ein Besucher.[1] Im Jahre 2015 brannte auch sein zweites eigenes Aufnahmestudio, das Secret Laboratory, dort in der Schweiz ab.[6] Zuletzt hielt er sich wieder vorwiegend in seinem Heimatland Jamaika auf. Im Januar 2021 schrieb er auf Instagram, in der Schweiz sei es zu kalt und die „Energie“ sei schlecht. Aufgrund der Einschränkungen im Zuge der COVID-19-Pandemie konnte er nicht mehr international auftreten, zudem beklagte er sich über die Anti-Corona-Maßnahmen. Er brauche Jamaikas Sonnenschein, schrieb Perry. Er starb dort am Sonntag, den 29. August 2021 mit 85 Jahren in einem Krankenhaus in Lucea.[7] Auszeichnungen
DiskografieFrühe Produktionen:
Black Ark Studio – Produktionen:
Weitere Produktionen:
Kompilationen:
Verschiedene:
Dokumentarfilm
Literatur
WeblinksCommons: Lee Perry – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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