Kohlenstoffbasierte Selektive Katalytische ReduktionDie kohlenstoffbasierte selektive katalytische Reduktion (kurz CSCR, aus dem englischen carbon selective catalytic reduction) bezeichnet ein trockenes Abgasreinigungsverfahren zur Reduzierung von Schadstoffen in Abgasen von großtechnischen Anlagen wie zum Beispiel in Müllverbrennungsanlagen für Hausmüll und Industriemüll, Stahlwerken, Kohlekraftwerken, LCD-Glasherstellung[2] sowie in der Munitionsverwertung.[3] Das Verfahren zeichnet sich durch einen ein- oder mehrstufigen Aktivkoks-Wanderbettreaktor aus, welcher im Gegenstrom betrieben wird. Aktivkoks dient dabei sowohl als Katalysator für die Oxidation bestimmter Abgasbestandteile, wie auch als „Speicher“ für adsorbiertes Schwefeldioxid (SO2) in Form von Schwefelsäure (H2SO4) oder anderen Schadstoffe. Der beladene Aktivkoks wird ausgetragen und kann, je nach Anwendung, regeneriert werden oder wird in Kohlekraftwerken verbrannt. Zur Entstickung wird nach vorheriger SO2-Abscheidung ein Stickoxid (NOx) reduzierendes Gas, zumeist Ammoniak (NH3), dem Abgas beigemischt. Anschließend wird NOx in einem weiteren Aktivkoksbett in Gegenwart von Aktivkoks als Katalysator zusammen mit NH3 zu Stickstoff (N2) und Wasser (H2O) umgesetzt. Neben Stick- und Schwefeloxiden werden aufgrund der vielfältigen Eigenschaften[4] von Aktivkoks auch andere Schadstoffe wie etwa Dioxine und Furane, Staub, Schwermetalle wie zum Beispiel Quecksilber und Halogene wie Fluorwasserstoff und Chlorwasserstoff abgeschieden. Aufbau und Funktionsweise eines CSCR ReaktorsBei der CSCR-Technologie handelt es sich um ein adsorptives und absorptives trockenes Wanderbettverfahren. Die Rauchgasführung erfolgt entgegengesetzt dem Adsorptionsmittelfluss im Gegenstromprinzip.[5] Das Rauchgas wird mit einer Temperatur von 90 °C bis 140 °C in den Rauchgassammelraum unterhalb der Aktivkoksschüttung geführt. Von dort aus gelangt das Gas in ein Aktivkoksbett. Falls erforderlich ist dem ersten Aktivkoksbett ein zweites nachgeschaltet. Das erste Bett dient meist zur Abscheidung von Schwefeloxiden (SOx) und Staub. Der im Abgas enthaltene Staub wird aufgrund der Filterwirkung des Aktivkoksbettes abgeschieden. Im Abgas enthaltenes Schwefeldioxid (SO2) wird an der Aktivkoksoberfläche katalytisch zu Schwefeltrioxid (SO3) oxidiert und mit Wasserdampf (H2O) zu Schwefelsäure (H2SO4) umgesetzt, welche im Porensystem des Aktivkokses chemisch absorbiert wird. Neben SO2 und Staub werden auch andere Schadstoffe von dem Aktivkoks adsorbiert. Im zweiten Bett findet die Entstickung statt. Bevor das Rauchgas in das zweite Bett gelangt, wird es in eine Mischkammer geführt, in der gasförmiges Ammoniakwasser beigemischt wird. Mit dem zugegebenen Ammoniak (NH3) reagieren die Stickoxide des Rauchgases an der katalytischen Oberfläche des Aktivkokses zu den unschädlichen Produkten Stickstoff (N2) und Wasser.[6] Das Rauchgas verlässt das zweite Bett und kann gereinigt in die Umgebungsluft über einen Kamin abgegeben werden. Der konstruktive Aufbau des Adsorberanströmbodens sichert einerseits eine gleichmäßige Verteilung des Rauchgases beim Eintritt in die Aktivkoksschüttung und sorgt andererseits gleichzeitig dafür, dass sich die Schüttung beim Austragen des beladenen Aktivkoks planparallel absenkt.[7] Bei Betätigung der Austragsvorrichtung gelangt der Aktivkoks in den Austragstrichter. Dabei senkt sich das Aktivkoksbett um einige Millimeter ab und frischer Aktivkoks rutscht selbsttätig aus dem Vorratsbunker in den Adsorptionsbereich des Adsorbers nach. Durch das Gegenstromprinzip ist im Vergleich mit anderen Reaktoren eine gleichmäßige Beladung des Aktivkokses über die gesamte Anströmfläche sichergestellt. Ein weiterer Vorteil des Gegenstromprinzip ist die bessere Aktivkoksbeladefähigkeit und somit die Minimierung des Aktivkoksverbrauchs. Letzteres wird dadurch erreicht, dass über den einfachen, geregelten Abzug nur die am höchsten beladene Aktivkoksschicht in nahezu beliebig einstellbaren Chargen abgezogen wird. Aktivkoks kann mit thermischer Behandlung regeneriert werden. Man erhält auf diesem Wege ein hoch konzentriertes SO2-Reichgas, welches verwendet werden kann, um beispielsweise elementaren Schwefel oder Schwefelsäure herzustellen. Chemische ReaktionenIm Abgas enthaltenes SO2 wird gemäß der aufgezeigten Reaktionsgleichung auf der Aktivkoksoberfläche im Temperaturbereich von etwa 20 – 150 °C katalytisch zu SO3 oxidiert, welches mit dem Wasserdampf im Abgas zu Schwefelsäure umgesetzt wird.
Ein geringer Teil der gebildeten Schwefelsäure wird mit den basischen Aschebestandteilen zu den entsprechenden Sulfaten umgesetzt. Erst nach dem DeSOx-Bett wird dem Rauchgas NH3 als Reduktionsmittel hinzugegeben, da NH3 aufgrund seiner Affinität zuerst mit SO2 reagieren würde. Dabei entstehen Sulfate und Bisulfate, welche am Aktivkoks abgeschieden werden und dessen katalytische Eigenschaften hemmen. Deswegen wird im ersten Aktivkoksbett ein Großteil des SO2 ohne NH3 abgeschieden. Im zweiten Aktivkoksbett, welches für die Entstickung (DeNOx) gedacht ist, reagiert dann das restliche SO2, welches nicht im DeSOx-Bett abgeschieden wurde, zusammen mit Ammoniak und Wasserdampf zu Ammoniumsulfit und wird im Porensystem absorbiert.
Die Zusammensetzung des Rauchgases wird zwar von dem eingesetzten Brennstoff und den Verbrennungsparametern bestimmt, jedoch gilt die Regel, dass Stickoxide aus 5 - 10 %-Vol. NO2 und 90 - 95 %-Vol. NO bestehen. Sauerstoffgehalt von Abgasen variiert zwischen 1 %-Vol. für Gasfeuerungen und etwa 15 %-Vol. für Müllverbrennungsanlagen. Stickstoff und Kohlenstoffdioxid (CO2) sind Residuen und nehmen an der Abscheidereaktion nicht teil.[8] Stickstoffmonoxid oxidiert katalytisch an der Oberfläche des Aktivkokses und mithilfe des Sauerstoffs im Abgas zu Stickstoffdioxid.
NO2 wird dann durch das in der Mischkammer zugegebene Ammoniak reduziert und die Produkte Stickstoff und Wasserdampf verlassen zusammen mit dem gereinigten Rauchgas die Anlage.[9]
Stickstoffmonoxid kann auch direkt katalytisch umgesetzt werden.[10]
Die Hauptreaktion für Stickoxidabscheidung lautet wie folgt.
Letztere Reaktion findet nur in Gegenwart von Sauerstoff statt, welches im Abgas enthalten ist. Eine Erhöhung der Sauerstoffkonzentration im Rauchgas über 5 %-Vol. hinaus führt jedoch nicht zu einer weiteren Erhöhung der NO-Reduktion. Des Weiteren erhöht überstöchiometrische NH3-Zugabe zwar die Konversion, führt aber häufig zu NH3-Schlupf, der im Reingas zu messen ist. CSCR in der StahlindustrieAbgase von Sinterbandprozessen stellen einen erheblichen Anteil der Verunreinigungen dar, die bei der Stahlerzeugung insgesamt anfallen. Aufgrund der sehr hohen Abgasmengen, die bei Sinterbandanlagen anfallen, ist eine zufriedenstellende Abgasreinigung mit hohen Kosten und großem Aufwand verbunden, da bei herkömmlichen Reinigungsverfahren mehrere Reinigungsschritte hintereinandergeschaltet werden müssen. Insbesondere, wenn Stickoxide aus dem Rauchgas entfernt werden sollen, stellt man sich der Herausforderung, dass andere Schadstoffkomponenten, wie SO2 und HCl auf den Aktivkoks wie ein Katalysatorgift wirken. Bei der CSCR Technologie wird dieses Problem vermindert oder weitgehend beseitigt. SO2 und NOx kann mit diesem Verfahren gleichzeitig ohne Katalysatorschädigung abgeschieden werden, indem der Sinterabgasreinigungsprozess als zweistufiger Wanderbettreaktor ausgeführt wird. Auch wenn das Sinterabgas nach einem Vorreinigungsprozess bspw. Mit einem Nasswäscher immer noch deutliche Konzentrationen an SO2 und/oder HCl vorweist, werden diese Stoffe im ersten Verfahrensschritt des CSCR-Prozesses abgeschieden, ohne die Reinigung für NOx zu belasten und den dafür verwendeten Katalysator nennenswert zu schädigen.[11] Bevorzugte Verfahren zur Vorreinigung des Sinterabgases, bevor es zur CSCR übergeben wird, sind Schlauch- oder Elektrofilter, Abgaswäscher oder Flugstromabsorber bspw. mit Kalkstaub. Mit diesem Gegenstrom Wanderbettverfahren werden Restwerte im gereinigten Sinterabgas von 10 mg/Nm3 SO2, 50 mg/Nm3 NOx und 10 mg/Nm3 Staub erreicht. Aufgrund der Vorteile die CSCR bietet ist dieses Verfahren von einer Nischentechnologie mehr und mehr in die Mitte gerutscht und findet Einsatz in vielen Stahlwerken im asiatischen Raum, zum Beispiel bei Anlagen der Jiangsu Shagang Group, der Anshan Iron and Steel Group und der Masteel Group. CSCR in MüllverbrennungsanlagenMüllverbrennungsanlagen zur Energie- und Wärmegewinnung gerieten in den 1990er Jahren in Bedrängnis, da bekannt wurde, dass die Verbrennung von Haus- und Industrieabfällen eine Quelle für polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PCDD/F) darstellen. Viele Menschen, die in der Nähe von Müllverbrennungsanlagen wohnen, waren besorgt, dass sie hohen Konzentrationen dieser krebserregender Schadstoffe ausgesetzt wurden. Die CSCR-Technologie ist eine wirtschaftliche Möglichkeit Dioxine und Furane fast bis zur Nachweisgrenze (0,001 ngTE/Nm³) abzuscheiden. Neben PCDD/F werden in Müllverbrennungsanlagen auch Staub, Schwermetalle und Quecksilber, Schwefeloxide und Halogene, wie HF und HCl abgeschieden. Typischerweise wird in thermischen Abfallbehandlungsanlagen Braunkohleaktivkoks eingesetzt, der nicht wieder regeneriert wird. In vielen Anwendungen wird dieser Herdofenkoks in Kohlekraftwerken mitverbrannt. Dioxine und Furane zersetzen sich dabei. Zu den in Deutschland mit CSCR-Abgasreinigungstechnologie ausgerüsteten zählen unter anderen: Weitere Anwendungen für CSCRDa die CSCR-Technologie von den vielfältigen Eigenschaften von Aktivkoks getragen wird, so ist auch der Anwendungsbereich dieser Technologie ebenso vielseitig. Die modulare Bauweise der CSCR-Reaktoren erlaubt den Betrieb von Anlagen für beliebige Rauchgasmengen. Typische Anwendungen liegen zwischen 3.000 Nm³/h und 2.000.000 Nm³/h.[1] Anwendungsfelder für CSCR-Technologie:
Einzelnachweise
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