KatachreseDie Katachrese [kataˈçʁeːzə] (altgriechisch κατάχρησις katáchrēsis „Missbrauch, Gebrauch über Gebühr“) bezeichnet eine rhetorische Figur mit bewegter Begriffsgeschichte und unterschiedlichen Bedeutungen. Als „tote“, „konventionalisierte“ oder „lexikalisierte Metapher“ bezeichnete sie ursprünglich den uneigentlichen Gebrauch eines Wortes für einen zuvor nicht benannten Sachverhalt, der auf diese Weise eine sprachliche Leerstelle schließt und sich mit der Zeit einbürgerte, also habitualisiert und nicht mehr als Metapher wahrgenommen wurde. Mittlerweile bezeichnet der Ausdruck vorwiegend das phraseologische Phänomen des Bildbruchs, der durch die Verbindung mehrerer, zuweilen semantisch unstimmiger oder widersprüchlicher sprachlicher Bilder in einer zusammengehörigen Texteinheit entsteht. Schließlich wurde die Katachrese auch vereinzelt als Bezeichnung für die Verknüpfung komplexer Sachverhalte mit einem Bild herangezogen. Begriffs- und ForschungsgeschichteDie Katachrese als rhetorischer Tropus ist bereits seit der Antike bekannt. Bei den altgriechischen Rhetorikern taucht sie als altgriechisch κατάχρησις auf, der lateinischen Rhetorik war sie insbesondere bei Marcus Tullius Cicero und Quintilian als abusio bekannt. Beide Bezeichnungen lassen sich mit „Missbrauch“ übersetzen. Erstmals beschrieben wird das Phänomen bei Aristoteles, der es allerdings noch unter die Metaphern einordnet und nicht als eigenständige Trope anerkennt. Nichtsdestoweniger wird ihm von Cicero die erstmalige Verwendung des Ausdrucks katáchrēsis zugeschrieben.[1] Die erste ausführliche Definition des Phänomens als eigenständige Trope findet sich bei Cicero, der die abusio beziehungsweise die Katachrese als missbräuchliche Metapher neben der tralata als übertragender und der mutata als verändernder oder vertauschender Metapher zu den drei rhetorischen Tropen des mittleren Redestils zählt.[1][2] Diese missbräuchliche Metapher ist bei Cicero einem sprachlichen Mangel geschuldet und wird also dort verwendet, wo für einen Sachverhalt noch keine eigentliche Bezeichnung existiert. Dies unterscheidet sie von der übertragenden Metapher, die einen eigentlichen Ausdruck durch einen uneigentlichen ersetzt,[1] beispielsweise „ut cum minutum dicimus animum pro parvo“.[2] Anders definiert Quintilianus die Katachrese in seiner Institutio oratoria: Während sich Cicero in seiner Definition durchaus auf den Aspekt des Ästhetischen in der Sprache bezieht, so benennt Quntilianus die Abwesenheit eines eigentlichen Ausdrucks als einziges Bestimmungskriterium. Hier heißt es: „Um Katachrese handelt es sich da, wo eine Benennung fehlte, um Metapher, wo sie eine andere war.“[1] Bernd Steinbrink und Gert Ueding fassen dies folgendermaßen zusammen: „Die Katachrese ist also der Tropus, der die Bezeichnung für Dinge, die keine eigene Benennung haben, dem anpasst, was dem Gemeinten am nächsten liegt.“[3] In der bisher zur Katachrese erschienenen Forschungsliteratur werden dafür üblicherweise die aristotelischen Beispiele „Lebensabend“ und „Zeitvertreib“ bemüht, „Lebensabend“ als Metapher für den eigentlichen Ausdruck des „Alters“ und „Zeitvertreib“ als katachrestischer (paläonymer) Ausdruck für einen Sachverhalt ohne eigentliche Bezeichnung.[1][4] Der spätere Gebrauch des Begriffs der Katachrese erschwert eine eindeutige Definition zusätzlich, weil er sich immer seltener auf die Ebene der Wortbildung bezog und immer häufiger auf die textphraseologische, also sowohl die Füllung sprachlicher Leerstellen als auch Bildbrüche als katachrestisch bezeichnete,[5] weshalb Rhetorikhandbücher die Katachrese heutzutage größtenteils als Stilblüte zurückweisen.[1][6] Konventionalisierte Metapher, ExmetapherKatachrese ist die Bezeichnung für den Gebrauch eines Wortes, das eine sprachliche Lücke schließt und wie eine verblasste Metapher nicht mehr als solche wahrgenommen wird.[7] Sie dient damit häufig der Benennung neuartiger Gegenstände bzw. der Bildung fehlender Begriffsbezeichnungen.[8] Beispiele BildbruchFerner ist Katachrese die Bezeichnung für eine semantisch unstimmige, zuweilen widersprüchliche Verbindung mehrerer sprachlicher Bilder in einer Texteinheit. In der Antike war dies ein übliches Mittel, um Komik zu erzeugen. Heute wird dieses Stilmittel eher selten eingesetzt. Beispiele für die Katachrese als komisches Stilmittel findet man unter anderem bei dem österreichischen Schriftsteller Johann Nestroy oder den zeitgenössischen deutschen Kabarettisten Piet Klocke und Johann König. Geschieht eine Katachrese ungewollt (z. B. durch den Prozess des Versprechens als Kombination aus zwei oder mehreren Redensarten), so betrachtet man sie hingegen als eher peinlichen oder komischen Stilfehler. Beispiele
Verknüpfung eines komplexen Sachverhaltes mit einem BildDer Literaturwissenschaftler Jürgen Link hält die Katachrese hingegen für das grundlegende Prinzip, mit dem (insbesondere in den Massenmedien) verschiedene Spezialdiskurse (Wissenschaft, Ökonomie, Medizin usw.) und komplexe Sachverhalte mit einem Bild verknüpft werden können, das unmittelbar plausibel ist und vom Rezipienten automatisch verstanden wird. Die Katachrese sei daher kein Beispiel schlechten Stils, sondern grundlegendes Prinzip der Textproduktion. Dafür eignen sich insbesondere die Bildbereiche, die durch starke pragmatische Verankerung besonders eingängig sind: Schiffe, Automobile, Umweltkatastrophen, Organismen, Spielmetaphern usw. Die Wahl des Bildbereiches und das Phänomen, das damit ausgedrückt werden soll, verweisen zudem auf die grundlegende ideologische Position des Bildproduzenten – so werden ökonomische Prozesse oft durch Naturkatastrophen symbolisiert, um sie „natürlich“ erscheinen zu lassen. Beispiele
Literatur
Einzelnachweise
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