Um 1887 hatte die Regierung die Beschaffung eines Refraktors bewilligt. Küstner wählte ein Doppelrefraktor mit 5 Meter Brennweite. Das eine Rohr diente der optischen Beobachtung sowie der genauen Nachführung des Teleskops, das andere war für die fotografischen Aufnahmen ausgelegt. So leitete er den Wechsel von der visuellen zur fotografischen Astronomie ein.
1900 konnte Küstner mit seinen Aufnahmen beginnen. Er machte Messungen vorwiegend an Sternhaufen mit dem Ziel, darin die relativen Positionen der Sterne zu bestimmen, aber auch, um aus über Jahre zu sammelnde Aufnahmen möglicherweise relative Bewegungen (Eigenbewegungen) zu gewinnen. Sein Nachlass enthielt aus den Jahren 1900 bis 1922 etwa 600 astronomische Aufnahmen auf Glas. Durch ihre hohe Qualität dienten diese Platten Jahrzehnte später als Grundlage für das aufblühen der Bonner Astrometrie und die Bonner Eigenbewegungs-Studien. 1911 bis 1912 amtierte er als Rektor der Bonner Universität.
Schon vor seiner Bonner Zeit konnte Küstner 1885 bis 1888 die bereits von Friedrich Wilhelm Bessel vermutete Annahme bestätigen, dass in längeren Messreihen der Polhöhe (geografische Breite) ein kleiner periodischer Einfluss von etwa 0,3" (10 Meter) auftritt. Er macht nur etwa ein Millionstel des Erdradius aus, lag also damals an der Grenze der Nachweisbarkeit. Nach heutigen Erkenntnissen verläuft die Polbewegung in Form einer Spiralen-Schwingung von 5 bis 10 Metern Amplitude und einer Periodendauer von etwa 430 Tagen (Chandler-Periode).
H. Schmidt: Astronomen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – Ihr Leben und Werk 1819–1966. Bouvier Verlag, Bonn 1990, ISBN 3-416-80604-2.
↑Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 142.