Kandidatenturnier Toronto 2024Das Kandidatenturnier 2024 war ein Schachturnier, bei dem der Herausforderer des Titelverteidigers Ding Liren in der Schachweltmeisterschaft 2024 ermittelt wurde. Es fand vom 3. bis 22. April 2024 im kanadischen Toronto statt. Austragungsort war die Great Hall, ein 1889 erbautes und 2016 restauriertes Veranstaltungshaus.[1] Es nahmen acht Spieler daran teil, darunter drei Inder, zwei US-Amerikaner und je ein Spieler aus Frankreich, Aserbaidschan und Russland. Gewonnen wurde das Turnier vom jüngsten Teilnehmer, dem erst 17-jährigen Inder D. Gukesh. Er ist damit der jüngste Herausforderer in der Geschichte der Schachweltmeisterschaften. QualifikationDie acht Plätze für das Kandidatenturnier wurden auf folgenden Wegen vergeben:
Der nach dem K.-o.-System ausgetragene Schach-Weltpokal stellte erstmals seit dem Kandidatenturnier London 2013 nicht nur zwei, sondern drei Kandidaten. Damit war das „kleine Finale“ um Platz 3 ausschlaggebend für den dritten Qualifikationsplatz. Die Turnierserie des FIDE Grand Prix, durch den in den vergangenen fünf Kandidatenturnieren jeweils zwei Teilnehmer ermittelt wurden, wurde nach dem Auslaufen des Vertrages zwischen der FIDE und dem kommerziellen Ausrichter WorldChess abgeschafft. Zwei von der FIDE im Mai 2022 angekündigte Qualifikationsplätze für die Top-Platzierten der Grand Chess Tour kamen nicht zustande, ohne dass die FIDE den Grund für die Änderung bekannt gab.[2] Jedoch wurden im Folgenden alle Turniere der Tour in den FIDE Circuit aufgenommen. Teilnehmer
a April 2024 b Nachrücker für den Sieger des Schach-Weltpokals Magnus Carlsen, da dieser auf das Turnier verzichtete.[3] c Nachrücker für den Sieger des FIDE Circuit Fabiano Caruana, da dieser bereits auf anderem Wege für das Kandidatenturnier qualifiziert war.[4] Für das Kandidatenturnier qualifizierten sich acht Spieler:
ModusWie bei den vorherigen Kandidatenturnieren handelte es sich um ein Doppelrundenturnier – das bedeutet, dass in 14 Runden jeder Teilnehmer zwei Partien mit vertauschten Farben gegen jeden anderen Teilnehmer spielte.[9] Hauptschiedsrichter war Aris Marghetis aus Kanada. Die Bedenkzeit betrug 120 min für die ersten 40 Züge und 30 min für den Rest der Partie mit einem Inkrement von 30 s pro Zug (ab Zug Nr. 41). In den ersten 40 Zügen waren Remisvereinbarungen zwischen den Spielern nicht gestattet. Eine Partie konnte in den ersten 40 Zügen also nur nach Patt, dreimaliger Stellungswiederholung oder durch eine tote Stellung unentschieden enden. Wie in Schachturnieren allgemein üblich wurden Siege mit einem Punkt und Remisen mit einem halben Punkt gewertet. Der Spieler mit den meisten Punkten gewann das Turnier und qualifizierte sich als Herausforderer für den Weltmeisterschafts-Zweikampf gegen den amtierenden Weltmeister Ding Liren. Im Falle von Punktgleichheit auf dem ersten Platz wären Tie-Breaks zwischen den betroffenen Spielern ausgetragen worden, und zwar zunächst durch Schnellschach-Partien und dann – falls das keine Entscheidung gebracht hätte – durch Blitzpartien. Bei Punktgleichheit auf den weiteren Plätzen wären folgende Kriterien zur Anwendung gekommen: Feinwertung nach Sonneborn-Berger, dann Gesamtzahl der Siege, dann Resultat der Direktpartien zwischen den betroffenen Spielern, und schließlich Losentscheid. Die Preisgelder betrugen 48.000 €, 36.000 € und 24.000 € für die besten drei Spieler sowie ein Bonus für alle Spieler in Höhe von 3500 € für jeden halben Punkt.[10] VerlaufNakamura – Vidit
2. Runde Stellung nach 11. … Lxh3!
Nach vier Remispartien in der ersten Runde sahen alle Partien der zweiten Runde einen Sieger. Bemerkenswert war unter anderem Vidits Sieg über Nakamura, der als Schwarzer in der Berliner Verteidigung der Spanischen Partie schon früh von der Theorie abwich und bereits im 11. Zug ein Läuferopfer anbot (siehe Diagramm). Nakamura lehnte das Opfer ab, sah sich aber wegen des unterentwickelten Damenflügels einem starken Angriff ausgesetzt, den er nicht abwehren konnte, sodass er bereits im 29. Zug aufgab. Nach diesem Sieg folgten für Vidit aber zwei Niederlagen gegen Praggnanandhaa und Nepomnjaschtschi. Letzterer spielte in der so genannten „Berliner Mauer“ eine Neuerung (11. g4 nebst 12. Sh2). Vidit verteidigte sich gut, bis er mit 26. … Tb3? seinen Turm ins Abseits stellte und in Nachteil geriet. Durch seinen Sieg in der vierten Runde übernahm Nepomnjaschtschi vorerst die alleinige Führung vor dem ersten Ruhetag. In der fünften Runde kam es gleich an mehreren Brettern zu Zeitnotdramen. Sowohl Praggnanandhaa als auch Vidit erspielten sich leichte Vorteile mit Weiß, schafften es aber nicht, diese in Zeitnot gegen ihre erfahrenen Gegner Nepomnjaschtschi und Caruana zu verwerten. Noch schlechter erging es Firouzja. In seiner Partie gegen Nakamura erreichte er ein Endspiel, das laut Endspieldatenbanken bei perfektem Spiel remis enden müsste. Doch Firouzja lief die Zeit davon. In der allerletzten Sekunde des Inkrements machte er im 62. Zug den Fehler, der die Niederlage besiegelte. Damit bildeten Firouzja und Abasov das Tabellenende. Dies verfestigte sich in der sechsten Runde durch die Niederlagen von Firouzja gegen Vidit und jene von Abasov gegen Praggnanandhaa. Letzterer bildete nun zusammen mit Caruana die Verfolgergruppe der führenden Nepomniaschtschi und Gukesh. Nakamura – Nepomnjaschtschi
7. Runde Stellung nach 26. … Lxg3!
Die siebte Runde endete mit drei Remisen und einem Sieg von Firouzja gegen Gukesh. Gukesh hatte scharf auf Gewinn gespielt und unter anderem einen Springer für drei Bauern geopfert, um im Endspiel mit seinen Freibauern zu gewinnen, aber den folgenden Königsangriff von Firouzja unterschätzt. In einem Zeitnot-Drama, bei dem beide Spieler zwischenzeitlich weniger als zehn Sekunden auf der Uhr hatten, unterlief Gukesh der entscheidende Fehler, wonach er Matt nicht mehr vermeiden konnte. Hervorzuheben ist auch die Opfer-Partie von Nepomnjaschtschi. Mit 26. … Lxg3! (siehe Diagramm) opferte er seinen Läufer. Nach 27. hxg3 Sf4+ (Springeropfer) 28. gxf4 Dg6+ 29. Kf1 Sg3+ konnte Nepomnjaschtschi schließlich durch eine Gabel die Dame für insgesamt drei Leichtfiguren gewinnen. Trotzdem war er noch immer materiell im Nachteil, da er zuvor bereits die Qualität geopfert hatte. Daher gab sich der Russe mit einem Remis durch Zugwiederholung zufrieden. In Folge lag Nepomniaschtschi wieder allein in Führung. Vidit – Gukesh
8. Runde Stellung nach 31. … Dg1+
Nach dem Ruhetag zur Halbzeit des Turniers gelang Gukesh ein schöner Sieg gegen Vidit. Dabei wob er ein Mattnetz für den weißen König, aus dem sich jener nicht befreien konnte (siehe Diagramm). Gukesh wetzte damit die Scharte aus der vorhergehenden Runde aus und zog mit dem führenden Nepomnjaschtschi gleich, der währenddessen gegen den Tabellenletzten Abasov über ein Remis nicht hinauskam. Nakamura schlug Caruana und hatte somit erstmals im Turnier eine positive Bilanz. In der neunten Runde verlor Nakamura auch die zweite Partie gegen Vidit. Doch dann schloss er durch eine Siegesserie gegen Abasov, Praggnanandhaa und Firouzja zur Spitze auf; Praggnanandhaa verlor durch die Niederlage seinerseits den Anschluss. Nepomnjaschtschi ging zwischenzeitlich in der elften Runde durch seinen zweiten Sieg gegen Vidit wieder in alleinige Führung. Doch in der zwölften Runde wurde er eingeholt von Nakamura und wiederum von Gukesh, der auch seine zweite Partie gegen Abasov gewann. Auch Caruana holte auf und lag noch 0,5 Punkte hinter den drei Führenden. Damit stand fest, dass der Turniersieg nur mehr zwischen diesen vier Spitzenreitern ausgetragen werden wird. Gukesh übernahm in der dreizehnten Runde durch einen Sieg gegen Firouzja erstmals die alleinige Führung mit einem halben Punkt Vorsprung. Damit endete eine bemerkenswerte Serie: Jan Nepomnjaschtschi hatte zuvor in allen Runden der Kandidatenturniere, an denen er bis zu diesem Zeitpunkt teilgenommen hatte, in Führung oder zumindest in der Spitzengruppe gelegen, also in insgesamt 36 Runden. Caruana wiederum schlug Praggnanandhaa und konnte seinen Rückstand auf Nakamura und Nepomnjaschtschi aufholen. Caruana – Nepomnjaschtschi
14. Runde Stellung nach 66. … Kb5
In der vierzehnten und letzten Runde kam es zu direkten Duellen unter den Spielern des Spitzenquartetts. Mit einem Sieg hätte Gukesh das Turnier bereits aus eigener Kraft gewinnen können, ein halber Punkt reichte ihm aber sicher für den Tie-Break. Mit Schwarz gelang ihm gegen Nakamura ein ungefährdetes Remis. Parallel dazu kämpften Caruana und Nepomnjaschtschi ebenfalls um den Einzug in den Tie-Break, wobei ein Remis jedoch keinem von beiden reichte. Mit den weißen Figuren erreichte Caruana schließlich ein Endspiel mit einer Qualität mehr. Da aber beide Damen noch auf dem Brett standen, Schwarz noch einen Bauern unmittelbar vor dem Umwandlungsfeld hatte und außerdem ständig mit Dauerschach drohte, war die Stellung äußerst schwierig zu spielen. In der Diagrammstellung unterlief Caruana der entscheidende Fehler. Zwar versuchte er danach noch durch ein Qualitätsopfer Siegchancen zu schaffen, jedoch endete diese Partie nach beidseitiger Bauernumwandlung und insgesamt 109 Zügen remis. Somit wurde Gukesh von keinem Spieler mehr eingeholt und gewann das Turnier mit einem halben Punkt Vorsprung vor Nakamura, Nepomnjaschtschi und Caruana. Alle drei waren punktgleich. Über ihre Reihenfolge entschieden die Sonneborn-Berger-Wertung und dann die Anzahl der erspielten Siege. ErgebnisseRundenübersicht
Von den insgesamt 56 Partien endeten 31 remis, 15 Mal gewann Weiß und 10 Mal Schwarz. Weiß erzielte 30½ von 56 Punkten (54 %), Schwarz 25½ Punkte (46 %). 14 der 25 entschiedenen Partien wurden in der Rückrunde gespielt. Nepomnjaschtschi lag nach der Hinrunde in Führung und blieb als einziger Spieler im Turnier ungeschlagen. Nakamura gewann in der Rückrunde dreimal in Folge. Abasov blieb als einziger Spieler ohne Sieg. Kreuztabelle
WeblinksCommons: Kandidatenturnier Toronto 2024 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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