Kandidatenturnier Madrid 2022Das Kandidatenturnier 2022 war ein Schachturnier, das vom 16. Juni bis zum 4. Juli 2022 in Madrid stattfand, um den Herausforderer des Schachweltmeisters Magnus Carlsen bei der Schachweltmeisterschaft 2023 zu ermitteln. Da dieser aber auf die Verteidigung seines Titels verzichtet hatte, wurde die Schachweltmeisterschaft 2023 zwischen dem Sieger des Kandidatenturniers Jan Nepomnjaschtschi und dem Zweitplatzierten Ding Liren ausgetragen. TeilnehmerFür das Turnier qualifizierten sich insgesamt acht Spieler auf unterschiedliche Weise.[1]
Ursprünglich war Sergei Karjakin als Zweitplatzierter des Weltpokals 2021 qualifiziert gewesen. Aufgrund von Äußerungen, in denen er den von Russland geführten Krieg gegen die Ukraine unterstützte, wurde er vom Schachverband FIDE im März 2022 für sechs Monate gesperrt.[2][3] Laut den Regularien der FIDE würde sein Platz an den am höchsten platzierten Spieler der Weltrangliste vergeben werden, der nicht schon auf andere Art qualifiziert war und im maßgebenden Jahreszeitraum (Mai 2021 bis April 2022) mindestens 30 Turnierpartien gespielt hatte. Ding Liren stand auf Platz 2 der Weltrangliste,[4] hatte aber zum Zeitpunkt von Karjakins Disqualifikation nur vier Partien vorzuweisen. Es gelang Ding jedoch, in mehreren vom chinesischen Schachverband kurzfristig anberaumten Turnieren, weitere 28 Partien in nur einem Monat (27. März bis 24. April 2022) zu spielen (davon sechs in einem Wettkampf mit Wei Yi) und damit die benötigte Anzahl Partien doch noch zu erreichen.[5][6][7] Damit erfüllte er die Regularien der FIDE und rückte in das Kandidatenturnier nach.[8] In Folge änderte die FIDE die Regularien für künftige Kandidatenturniere so, dass mehr Partien zu spielen sind, und mehrheitlich in Turnieren mit einer Beteiligung von mindestens vier Verbänden.[9] ModusDie Eröffnungs- und Abschlusszeremonie fanden im Luxushotel Four Seasons in der spanischen Hauptstadt statt.[10][11] Der Austragungsort war der Santoña-Palast.[12] Es wurde ein doppelrundiges Turnier gespielt, also insgesamt 14 Runden. Beginnend mit dem 17. Juni wurde jeden Tag eine Runde gespielt, wobei nach der 3., 6., 9. und 12. Runde jeweils ein Ruhetag eingeschoben wurde. Im Fall von Punktegleichheit an der Spitze wäre zur Ermittlung des Siegers noch eine zweite und dritte Play-off-Runde zwischen den Erstplatzierten in Form von Schnellpartien erfolgt. Alle Play-off-Partien sollten (falls nötig) am 5. Juli gespielt werden.[12][1] Zur Ermittlung der weiteren Plätze galt bei Punktegleichheit die folgende Feinwertung (in absteigender Priorität):
Als Bedenkzeit kam ein klassisches Format zur Anwendung: jeweils 120 Minuten Startzeit für die ersten 40 Züge, danach zusätzliche 60 Minuten für die nächsten 20 Züge, gefolgt von weiteren 15 Minuten für den Rest der Partie. Ein Zeitinkrement von 30 Sekunden pro Zug gab es ab dem 61. Zug. Das Kandidatenturnier diente der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2023. Diese sollte zwischen dem amtierenden Weltmeister und dem Sieger des Kandidatenturniers ausgetragen werden. Für den Fall, dass einer der beiden ausfallen würde, sollte der Zweitplatzierte des Kandidatenturniers nachrücken. Bereits nach der Schachweltmeisterschaft 2021 hatte der Weltmeister Magnus Carlsen über mangelnde Motivation für eine weitere Titelverteidigung gesprochen. Ob er noch einmal antreten oder seinen Titel zurückgeben würde, ließ er zunächst offen. Lediglich im Falle einer Qualifikation des jüngsten Teilnehmers, Alireza Firouzja, hätte er Interesse an einem Weltmeisterschaftsmatch. Daher war auch der zweite Platz potenziell von Bedeutung. VerlaufIn der Hinrunde zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Sieger der beiden vorangegangenen Kandidatenturniere, Nepomnjaschtschi (2020/21) und Caruana (2018), ab. Beide gewannen ihre Auftaktspiele, Nepomnjaschtschi beendete die Hinrunde ungeschlagen mit überragenden 5½ Punkten aus 7 Partien, dicht gefolgt von Caruana, ebenfalls ungeschlagen, mit 5 Punkten. Der Abstand zum Drittplatzierten (Nakamura) betrug dabei schon 1½ Punkte. Nepomnjaschtschi hatte in der letzten Partie der Hinrunde gegen Rapport Glück, dass sein Gegner (zu Caruanas Befremden) ein sicheres Remis durch Zugwiederholung ausschlug und später noch verlor. Für die beiden nach ELO-Zahl stärksten Spieler hingegen verlief die Hinrunde enttäuschend: Ding (Elo 2806) verlor bereits seine erste Partie, vergab in Runde 4 und 5 klare Vorteile gegen Caruana und Rəcəbov und erzielte sieglos nur 3 Punkte. Firouzja (Elo 2793) stand mit 2½ Punkten sogar am Tabellenende. In der Rückrunde verfolgten die beiden Führenden unterschiedliche Strategien: Nepomnjaschtschi spielte auf Sicherheit und wählte Eröffnungsvarianten mit Remistendenz. Die Strategie ging auf: Er verlor kein einziges Mal und konnte gegen Firouzja einen klaren Sieg erzielen. Caruana hingegen wählte riskanteres Spiel, um zu Nepomnjaschtschi aufschließen zu können. Aber aus den ersten drei Partien der Rückrunde holte er nur einen halben Punkt gegen Nepomnjaschtschi, der eine deutlich schlechtere Position remis halten konnte. Als Caruana dann in der folgenden elften Runde eine vorteilhafte, aber komplizierte Endspielstellung gegen Ding nicht nutzen konnte und am Ende sogar noch verlor, musste er seine Hoffnungen begraben. Ding hingegen erzielte damit seinen dritten Sieg in Folge und stand nun auf Platz 2. In Runde 12 fiel dann die Entscheidung um den Turniersieg: Ding verlor gegen Rəcəbov, Nepomnjaschtschi hingegen spielte ein kurzes Remis gegen Nakamura und hatte nun zwei Runden vor Schluss 2 Punkte Vorsprung vor Ding und Nakamura. Ein Remis in Runde 13 stellte den Sieg sicher. Da der Sieger nun feststand, und weil bei einem möglichen Rücktritt Carlsens auch der zweite Platz für die Qualifikation zur WM ausreichen konnte, richtete sich das Interesse hauptsächlich auf den Kampf um Platz 2. Zu diesem Zeitpunkt hatten noch zwei Spieler Chancen: Hikaru Nakamura mit 7,5 Punkten und Ding Liren mit 7 Punkten. Diese beiden Spieler trafen in der 14. und letzten Runde aufeinander, in der Ding Liren sich mit einem Sieg den zweiten Platz sicherte. Nachdem Carlsen am 20. Juli 2022 bekanntgab, dass er nicht zur Weltmeisterschaft 2023 antreten werde, standen Ian Nepomnjaschtschi und Ding Liren als Kontrahenten des WM-Matches fest. ErgebnisseRundenübersichtDie Paarungen wurden am 28. April 2022 bekannt gegeben.[13] Es gab folgende Ergebnisse:[14]
Von den insgesamt 56 Partien endeten 33 remis, 14 Mal gewann Weiß und 9 Mal Schwarz. Weiß erzielte 30½ von 56 Punkten, (54 %), Schwarz 25½ Punkte (46 %). Punktestand nach Runden
Endstand
1) Tie-Break: Wertung nach Sonneborn-Berger. Die nachrangigen Tie-Breaks kamen nicht zur Anwendung. Anders als noch bei vorangegangenen Kandidatenturnieren entfiel der direkte Vergleich von punktgleichen Spielern als erster Tie-Break. Stattdessen kamen alle Teilnehmer mit der Regel überein, dass im Fall eines geteilten 1. Platzes ein Match ähnlich dem Schach-Weltpokal veranstaltet werden soll, um einen Sieger zum ermitteln, in dem die zwei nach Tie-Break besten Spieler antreten.[1] Diese Tie-Break-Regel kam jedoch nicht zur Anwendung. Weblinks
Einzelnachweise
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