In diesem Außenlager wurden ab Mitte September 1944 etwa 2000 bis 3000 männliche sowie 272 weibliche KZ-Häftlinge erwähnt. Die fast ausschließlich jüdischen Gefangenen[1] waren bei völlig unzureichender Ernährung der Vernichtung durch Arbeit ausgesetzt.[2]
Nach der Luftoffensive der Alliierten im Februar 1944 war die deutsche Rüstungsindustrie schwer getroffen. Die Flugzeug-Produktion sollte mittels U-Verlagerung unter die Erde verlagert werden, mit der Leitung beauftragt war der Jägerstab mit weitreichenden Vollmachten. Dieser beauftragte die Organisation Todt (OT) mit Organisation und Herstellung der Großbunker,[5] ursprünglich geplant war eine Länge von 400 Metern bei einem Innendurchmesser von 85 Metern und 25 Metern Innenhöhe, mit mindestens fünf Metern Wandstärke.[2] Mit dem massiven Einsatz von etwa 30.000 größtenteils an Baufirmen vermieteten KZ-Häftlingen im KZ-Außenlagerkomplex Kaufering sollten drei Großbunker für die Fertigung u. a. des Strahlflugzeugs Messerschmitt Me 262 erstellt werden: „Weingut II“, „Diana II“ und „Walnuss II“.[2]
Das Lager wurde für eine Gesamtkapazität von 3100 Gefangenen errichtet.[1] Es lag in der Nähe von Held & Francke (Tarnname „Erich II“), zur Herstellung von Fertigbetonteilen für den Großbunker Diana II,[2] die Häftlinge mussten wohl auch direkt auf den Baustellen der Großbunker Diana II und Weingut II arbeiten.[6]
Ab Herbst 1944 wurde es wegen der Typhus-Epidemie als Krankenlager auch zur Quarantäne genutzt,[2] ab Winter 1944/45 als Sterbelager, ähnlich der KZ-Außenlager Kaufering IV – Hurlach und Saulgau.[8] Arbeitsunfähige der Kauferinger, wie auch anderer Dachauer KZ-Außenlager wurden hierher gebracht. Im Gegensatz zum anderen Sterbelager in Hurlach war dieses Außenlager für Gefangene bestimmt, „die körperlich heruntergekommen“ waren, jedoch die Chance auf eine Wiederherstellung der „teilweisen Arbeitsfähigkeit“ bestand.[7] Das Sterben in diesem Lager blieb nicht unbemerkt. Ortsansässige Augenzeugen berichteten, dass jeweils bis zu 15 Tote in flachen Gruben von 1,3 mal 1,5 Metern Größe verscharrt wurden.[9]
Über den gesamten KZ-Außenlagerkomplex Kaufering kamen in den zehn Betriebsmonaten etwa die Hälfte der Gefangenen ums Leben. Hier war eine neue Dimension der Brutalisierung des KZ-Systems erreicht, es handelte sich weniger um typische Außenlager des KZ Dachau, sondern vielmehr die Fortsetzung der Linie des Konzentrationslager Auschwitz, des Konzentrations- und Vernichtungslagers Lublin-Majdanek und weiterer.[7]
Zu diesem Außenlager sind praktisch keine überlebenden Zeitzeugen bekannt.[6] Eine der wenigen Ausnahmen ist Jack Bresler, der nach der Selektion im KZ Auschwitz im Spätsommer 1944 mit seinem Bruder Joseph zunächst in dieses Außenlager des Lagerkomplexes Kaufering transportiert wurde.[10]
In solchen Erdhütten mussten die Häftlinge schlafen (hier Kaufering IV, 1945, National Archives and Records Administration, College Park)
Männerlager – Erdhütten
Für die Unterbringung wurden hier 55 Erdhütten errichtet.[11] Wie in den anderen Kauferinger Lagern auch, mussten die Männer in diesen schlafen. In diesen niedrigen Erdhütten konnte man nicht gerade sitzen, am Fußende waren sie wegen des Daches nur zehn Zentimeter hoch.[12]
Frauen mussten hier in „Tonflaschenhütten“ schlafen
Frauenlager – Tonflaschenhütten
Für die weiblichen KZ-Gefangenen[8] – alle Jüdinnen – wurden sechs „Tonflaschenhütten“ errichtet. Sie waren 13,5 Meter lang, 6,1 Meter breit und bis zu 2,8 Meter hoch, denn der Hüttenboden befindet sich einen Meter unter dem Geländeniveau. Sie waren zur Tarnung mit Erde bedeckt.[13] Aufgebaut waren sie als Tonnengewölbe aus vielen direkt aneinander stehenden Einzelbögen ineinander gesteckter Tonröhren – der Form wegen „Tonflaschen“ – aus Terrakotta, nach einem Patent des Franzosen Jaques Couelle.[13] Auch die Frauen mussten auf Baustellen der Bunkeranlagen arbeiten, wie auch in der Landwirtschaft, Küchen-, Reinigungs- oder Holzkommandos.[8]
Am 14. April 1945 war das Lager laut Organisation Todt noch mit 1180 Männern und 195 Frauen belegt, zusammen 1375 Gefangenen. Die Räumung erfolgte wohl am 24. April als Todesmarsch zum KZ Dachau, möglicherweise mittels Bahnverladung in Emmering.[6] Sie dürfte über den Sammelpunkt KZ-Außenlager Kaufering I – Landsberg erfolgt sein.[14]
Juristische Aufarbeitung
Der ungarische Freiwillige der Waffen-SS Georg Fiederer von der Wachmannschaft wurde 1948 wegen gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Haft verurteilt.[7] Die Lagerführer Arno Lippmann und Johann Baptist Eichelsdörfer wurden im Dachau-Hauptprozess zum Tode verurteilt[15] und im Mai 1946 hingerichtet.
Erinnerung und Gedenken
Dokumentationszentrum
Mit Stand 2022 bereitet die Stiftung Bayerische Gedenkstätten seit 2005 eine würdige Gestaltung der Überreste dieses Lagers vor.[7] Seit 2012 ist die Errichtung eines Dokumentationszentrums im Gespräch.[16] Mitte 2021 beauftragte der Stadtrat der Stadt Landsberg seine Verwaltung mit der dazu nötigen Planung.[17]
Gedenkort
Auf einem Teilgrundstück am westlichen Ende des ehemaligen KZ-Außenlagers befindet sich seit 1985 die „Europäische Holocaustgedenkstätte“ mit mehreren Gedenksteinen und Fahnenstangen, einer alten Kipplore aus der Zwangsarbeiterfabrik eines anderen Außenlagers und drei seit 2016 restaurierten „Tonflaschenhütten“.[18] Dieser Gedenkort kann seit Gründung nur nach Voranmeldung und in Begleitung betreten werden.[19]
KZ-Friedhof Landsberg-Erpfting
Der KZ-Friedhof Landsberg-Erpfting48.02626110.844477 befindet sich beim Ortsteil Erpfting im Wald. In ihm ruhen in neun Massengräbern[13] die sterblichen Überreste von 2000 Todesopfern des KZ-Außenlagers. Der zentrale Gedenkstein trägt einen großen blauen Davidstern und die Inschrift:[20]
Befiehl dem Herrn Deine Wege Er wird Deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht und Dein Recht wie den Mittag 37. Psalm Davids Den Opfern des KZ-Lagers Erpfting zum Gedenken errichtet im Jahre 1950
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege führt diesen Friedhof in der Liste der Baudenkmäler unter der Ortsbezeichnung „Hartmahd“ (D-1-81-130-73),[11] das Bodendenkmal unter D-1-7931-0084.[13]
Jack Bresler: Du sollst nicht mehr Jakob heissen – Kindheit in Ghetto und KZ – Dokumentation einer Sprachlosigkeit. Orac, Wien 1988, ISBN 978-3-7015-0120-5 (169 S., englisch: Why me? Übersetzt von Danni Lessing, Bericht des Überlebenden über seinen Weg durch KZ und etliche Außenlager).
Barbara Fenner: Emotionen, Geschichtsbewusstsein und die Themenzentrierte Interaktion (TZI) am Beispiel des Unterrichtsprojekts zum Außenlagerkomplex Kaufering/Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“ – Aus der Geschichte lernen. Augsburg, Univ., Diss., 2012. Wißner, Augsburg 2014, OCLC862808883, S.135f., 138f., 145, 159, 221 (298 S., uni-augsburg.de [PDF; 9,7MB; abgerufen am 1. November 2020] zugleich Dissertation 2012, Universität Augsburg. Schwerpunkt KZ-Außenlager Kaufering XI – Stadtwaldhof, sowie Zusammenfassungen zu den anderen Außenlagern des Lagerkomplexes).
Edith Raim: Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf – Rüstungsbauten und Zwangsarbeit im letzten Kriegsjahr 1944/45. Neumeyer, Landsberg am Lech 1992, ISBN 3-920216-56-3, S.151–153, 173f., 193–195, 272 (317 S., zugleich München, Universität, Philosophische Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaft, Dissertation 1992).
Ulrike Puvogel, Martin Stankowski: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus – Eine Dokumentation – Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein. Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung. Band1. Edition Hentrich Berlin, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S.158 (840 S., bpb.de [PDF; 24,8MB; abgerufen am 3. September 2021]).
Film
United States Holocaust Memorial Museum: Oral history interview with Zvi Za'ira. In: Film, Audio and Video / Testimony. ushmm.org, 1. April 1992, abgerufen im September 2021 (hebräisch, Accession Number 1995.A.1272.174, RG Number RG-50.120.0174): „transport to Dachau to camp number 7 (Kaufering VII or Erpfting Concentration camp) […] worked in the forests chopping woods and digging. Escaped from the the camp, captured, and was about to be hanged, but was rescued because the Allied forces were approaching.“
Carls Luftbild Datenbank: Kaufering VII 1945. (JPG) In: Landsberg-Kaufering erinnern – Erinnerungsorte. Stadt Landsberg am Lech, Landkreis Landsberg am Lech, Marktgemeinde Kaufering mit Unterstützung der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, April 2021, abgerufen am 4. September 2021 (oben = Nordwesten / Die Tonflaschenhütten befinden sich ganz oben links im orange umrahmten Bereich).
Panoramarundgang ehemaliges KZ-Außenlagers Kaufering VII
dieKunstBauStelle e. V.: KZ-Aussenlager VII Bewahren, Erinnern, Gedenken. (Website) dieKunstBauStelle e. V., Juni 2017, abgerufen am 29. März 2024 (In diesem Dokumentationsprojekt von Wolfgang Hauck wurden Panoramaaufnahmen für einen virtuellen Rundgang erstellt. Sie führen über das Gelände und zeigen den Zustand im Jahr 2017.).
Einzelnachweise
↑ abcEdith Raim: Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf. Neumeyer, Landsberg am Lech 1992, ISBN 3-920216-56-3, S.151–153, 173f., 193–195, 272.
↑ abcdeBarbara Fenner: Emotionen, Geschichtsbewusstsein […] zum Außenlagerkomplex Kaufering/Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“. Augsburg, Univ., Diss., 2012. Wißner, Augsburg 2014, OCLC862808883, S.135f., 138f., 145, 159, 221 (uni-augsburg.de [PDF; 9,7MB; abgerufen am 1. November 2020]).
↑Edith Raim: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S.378–380.
↑Evelyn Zegenhagen: Early Camps, Youth Camps, and Concentration Camps and Subcamps under the SS-Business Administration Main Office (WVHA). Enzyklopädie. In: United States Holocaust Memorial Museum (Hrsg.): Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. I A. Indiana University Press, Bloomington, USA 2009, ISBN 978-0-253-35328-3, S.497 (englisch, ushmm.org [PDF; 68,0MB; abgerufen am 23. September 2020] Encyclopedia Vol-I, Part A).
↑Barbara Fenner: Emotionen, Geschichtsbewusstsein […] zum Außenlagerkomplex Kaufering/Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“. Augsburg, Univ., Diss., 2012. Wißner, Augsburg 2014, OCLC862808883, S.127–129 (uni-augsburg.de [PDF; 9,7MB; abgerufen am 1. November 2020]).
↑ abcdeEdith Raim: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S.360–373.
↑ abcSabine Schalm: Überleben durch Arbeit? Außenkommandos und Außenlager des KZ Dachau 1933–1945. In: Geschichte der Konzentrationslager 1933-1945. Band10. Metropol, Berlin 2009, ISBN 978-3-940938-45-9, 5.5.2. Frauen in Außenlagern, 6.3.6. Sterbelager, S.195f., 240f., 349 (368 S., zugleich Dissertation an der TU Berlin 2008).
↑Edith Raim: Überlebende von Kaufering – biografische Skizzen jüdischer ehemaliger Häftlinge. Metropol, Berlin 2008, ISBN 978-3-938690-97-0, Jack Bresler, S.54f. (191 S.).
↑ abRegierungsbezirk Oberbayern, Landkreis Landsberg am Lech, Große Kreisstadt Landsberg am Lech, Baudenkmäler. (PDF; 440 KB) Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 18. September 2021, S. 15, abgerufen am 3. Oktober 2021: „D-1-81-130-73 Hartmahd. Ehem. Außenlager "Kaufering VII" des Konzentrationslagers Dachau, Teile des ehem. Lagers auf einer viereckigen Waldlichtung; Erdhütten, drei noch intakte sowie mehrere eingestürzte ausgemauerte Erdgruben mit Beton-Flaschengewölben sowie Aushebungen für 55 weitere Erdhütten; ehem. Versorgungsbauten, Fundamentreste; Einfriedung, Reste der einstigen Stacheldrahtumzäunung; ehem. Bauten der KZ-Bewacher, Fundamentreste außerhalb der Einfriedung am Feldweg zur Straße Erpfting-Landsberg; 1944. nachqualifiziert / D-1-81-130-445 Hartmahd. KZ-Friedhöfe zum KZ-Außenlager "Kaufering VII", eine rechteckige Anlage mit niedriger Ummauerung, mehreren Grabsteinen und Gedenkstein in der Mittelachse und eine unmittelbar anschließende niedrig ummauerte Fläche, 1950; südlich der Straße Landsberg-Erpfting. nachqualifiziert“
↑ abcdJ. Ramming, D. Stonus: Machbarkeitsstudie für einen Dokumentationsort zum ehemaligen KZ-Außenlagerkomplex Landsberg / Kaufering. Hrsg.: FranKonzept. Würzburg April 2016, 3.1.1.VII. Lager VII (Erpfting), S.41–44, 61 (198 S., stiftung-bayerische-gedenkstaetten.de (Memento vom 28. September 2021 im Internet Archive) [PDF; 20,3MB; abgerufen am 11. September 2021]): „Anzahl der Hütten – Ca. 62 […] Heutiger Zustand – Von noch verbliebenen sechs Unterkünften sind drei eingestürzt bzw. es stehen hiervon nur noch Teile der Stirnwände und Fundamente. […] Raumes wurde ein gemauerter Kamin ausgeführt, originale Ausstattungsstücke der Gebäude wie Ofen, Fenster oder Türen sind nicht mehr vorhanden.“
↑Office of Judge Advocate: Case No. 000-50-2 (US v. Martin Gottfried Weiss et al) Trial concluded 13 December 1945. Original. Hrsg.: Jewish Virtual Library. Dachau Dezember 1945, S.39–41, 75f. (englisch, 166 S., jewishvirtuallibrary.org [PDF; 40,0MB; abgerufen am 1. Oktober 2021] /dachau-war-crimes-trials – The Dachau Trials: Dachau Cases (1945 - 1947)).
↑Der Weg zum Gedenkort ist frei. In: Landsberger Tagblatt. 31. Juli 2021: „Stadtrat Die KZ-Außenlager bei Landsberg erinnern an den Holocaust. Bei Erpfting soll nun ein Dokumentationszentrum entstehen […] Der Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung die Verwaltung damit beauftragt, die Grundlagen zu ermitteln und eine entsprechende Planung zu entwickeln.“
↑Webseite der Europäischen Holocaustgedenkstätte: Besichtigung und Öffnungszeiten, online unter kaufering-memorial.de. Abgerufen am 28. März 2024.
↑Ulrike Puvogel, Martin Stankowski: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus – Eine Dokumentation – Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein. Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung. Band1. Edition Hentrich Berlin, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S.158.
Normdaten (Körperschaft): VIAF: 305280572 | | Anmerkung: USHMM, Encyclopedia of camps and ghettos, 1 A, Bloomington 2009 / Benz, Der Ort des Terrors, München 2005