KürschnermesserEin Kürschnermesser ist ein Handwerkszeug zum Schneiden von Fellen. Es unterscheidet sich erheblich von der Form anderer Schneidwerkzeuge. Ursprünglich aus bestem Stahl hergestellt, bezeichnet es heute auch einen entsprechenden Klingenhalter mit auswechselbaren Klingen. GeschichteWie die Bezeichnung Kürschnermesser vermuten lässt, beginnt die eigentliche Entwicklung eines Spezialmessers zum Zuschneiden von Fellen (früher auch Zuschneidemesser genannt) mit dem Entstehen eines eigenen Berufszweiges zur Pelzherstellung, dem des Kürschners. Zuvor oblag das Anfertigen von Pelzkleidung oder pelzverzierter Kleidung in der Regel den Frauen, deren Männer die erlegten Pelztiere heimbrachten. Nahe dem Dorf Swanscombe in der Grafschaft Kent (Borough of Dartford) in England fand sich neben vielen andere Fundstücken ein aus Stein geschlagenes Handwerkszeug zur Lederbearbeitung aus der Acheuléen-Kultur der Altsteinzeit, das einem modernen Kürschnermesser verblüffend ähnlich sieht.[1] Auch lässt sich sagen, dass das Kürschnermesser der Eisenzeit sich weniger in der Gestalt und Größe als durch ein geeigneteres Material von dem Feuersteinmesser der vorgeschichtlichen Menschen unterscheidet.[2] Die Eskimofrauen benutzen für das Entfleischen und Zuschneiden der Felle bis in die jüngste Zeit ein besonderes, halbkreisförmiges Messer, das Ulu. Bei den Kürschnern Asiens war bis Ende des 20. Jahrhunderts ein dem Ulu sehr ähnliches Messer in Gebrauch. Für die Eskimos war es allerdings ein Allzweckmesser, das für sämtliche anfallenden Schneidearbeiten eingesetzt wurde, hauptsächlich jedoch zur Fellbearbeitung, für die es auch speziell geformt ist. Im 14. und 15. Jahrhundert hatten die Kürschnermesser noch die Form eines gewöhnlichen starken Brotmessers.[3] Im 18. Jahrhundert besaßen sie einen kurzen Griff. Folgt man O. L. Hartwig, dann wurde damit nicht wie heute mit der Klingenspitze geschnitten, sondern mit der ganzen Schneide.[4] Die heutige, besonders handgerechte Form der Kürschnermesser entstand etwa um 1800. Der mit China Handel treibende deutsche Rauchwarenhändler Emil Brass vermerkte in seinem 1925 in zweiter Auflage erschienenen Buch: „Das chinesische Kürschnermesser weicht in der Form von dem unsrigen stark ab, es ähnelt mehr einem Kreismesser“.[5] In den 1890er Jahren erfand King Camp Gillette die Einwegrasierklinge. Das Kürschnermesser mit auswechselbarer Klinge dürfte erst etwa in den 1930er Jahren erstmals in Gebrauch gekommen sein. Der unvermeidbar gewordene Übergang vom Ganzstahlmesser zum Klingenmesser zeichnete sich ab, als 1928 der Hersteller Alexander Kemper, seit 1884 im Messhaus Leipzig ansässig, warb: „Neuheit: Schwedenstahlmesser, dünn wie eine Rasierklinge“.[6] Aber selbst 1941 wird den deutschen Kürschnern noch geraten, sich beim Schneiden des Ganzstahl-Kürschnermessers zu bedienen, auch wenn nicht abzustreiten sei, „dass sich manche Fellarten, besonders wenn sie alt sind, auch mit dem schärfsten Kürschnermesser kaum schneiden lassen. Das ist hauptsächlich bei manchen Lammarten der Fall. In solchen Fällen tut die Rasierklinge wirklich gute Dienste“.[7] Das Pelzlexikon von 1950 bestätigt, dass das Klingenmesser „eine weniger günstige Aufnahme“ fand.[8] Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Einführung des neuen Messers mit den noch recht teuren Klingen in die Zeit des Zweiten Weltkrieges und in die darauffolgende Notzeit fiel. – Üblicherweise gehörte das Kürschnermesser zu den Handwerkszeugen, die der Kürschnergeselle selbst zu stellen hatte. Als die Klingenmesser in Gebrauch kamen, mussten die Gesellen dementsprechend in vielen Betrieben noch lange Zeit auch die Klingen aus eigener Tasche bezahlen.
Beschaffenheit (Form, Material)Das vor dem Aufkommen des Klingenhalters in der modernen Kürschnerei übliche Messer ist aus einem Stahlblech bester Qualität hergestellt. Die Form ist dem Gebrauch und der Hand angepasst. Auffallend ist vor allem der hochgebogene Rücken und der schmale Auslauf, der meist mit einem Messingfortsatz versehen ist. Wesentlich für den Gebrauch ist eine vorzüglich spitzgeschliffene Spitze, um in das Fellleder einstechen zu können. Die Ganzstahlmesser waren in verschiedenen Härtegraden erhältlich. Es wurde empfohlen, weder ein zu hartes noch ein zu weiches Messer zu wählen. Beim harten Stahl springen beim Arbeiten leicht Scharten aus oder es bricht die Spitze ab; das zu weiche Messer wird schnell wieder stumpf.[9] Das moderne europäische Ganzstahl-Kürschnermesser hat eine der Handgestalt angepasste Form, frühe Formen waren etwas größer und plumper. Mit der Verfeinerung der Arbeitstechniken mussten auch die Werkzeuge entsprechend weiterentwickelt werden. Der rückwärtige verschmälerte Ansatz dient zum Markieren des Leders.[8] Die Größe der Ganzstahl-Kürschnermesser ist verschieden und richtet sich nach der Handgröße, wie auch nach der Gewohnheit des Arbeitenden. Geübte Kürschner ließen ihr Messer derart schleifen, dass die Spitze nicht nur der Schneide zu, sondern auch etwas den Messerrücken hinauf scharf war. Dadurch konnte der Schnitt sowohl zu sich her, wie auch von sich weg geführt werden, ohne das Messer zu drehen. Anfängern wurde davon jedoch abgeraten.[9] Der heute fast überall nur noch übliche Klingenhalter entspricht in der Form dem Ganzstahl-Kürschnermesser. Er wird jedoch nicht in verschiedenen Größen produziert, die Modelle variieren allerdings je nach Hersteller etwas in ihrer Form und Größe. Wurden anfangs noch verschiedene Kürschnermesser mit Spezialklingen angeboten, haben sich in Europa überwiegend Modelle durchgesetzt, bei denen handelsübliche Rasierklingen verwendet werden. Gebräuchlich sind in den Fachbetrieben speziell für Kürschnermesser von einem Solinger Betrieb gefertigte, etwas dickere und preisgünstigere Klingen, die sich auch leicht brechen lassen, ohne sich dabei zu verbiegen. Die Klinge wird jeweils in der Länge geteilt, bevor sie in den Halter eingespannt oder, je nach Modell, eingeschraubt wird. Die speziellen Kürschnerklingen sind auch vorgebrochen erhältlich. Die halbe Klinge wird vor dem Einsetzen in den Klingenhalter zusätzlich am Ende abgebrochen, spitz der Schneide zu. Das in Deutschland zuletzt gebräuchlichste, ursprünglich gebrauchsmustergeschützte Kürschnermesser entspricht dem der Firma Sievers („System Sievers“). Es besteht aus Messing; die Klingen werden unkompliziert mit einer einfachen Klemmvorrichtung gehalten. Unten befindet sich eine Hilfe zum Brechen der Klingen mit einer Markierung des Brechwinkels. Die Firma Sievers besteht nicht mehr, das Messer wird jedoch in fast gleicher Ausführung weiter hergestellt.
Das Schneiden der FelleGanzstahlmesser müssen von Zeit zu Zeit auf dem feuchten Wetzstein nachgeschliffen werden. Indem die Schneidekante nach oben zu bogenförmig abgeschliffen wird, erhält man eine besonders feine Spitze. Zwischendurch wird die Schneidekante auf der Arbeitsplatte oder besser einem Lederriemen, wie ihn früher auch die Barbiere benutzten, abgezogen; das heißt die feinen, beim Schneiden entstehenden Scharten werden geglättet. Versierte Kürschner hielten mehrere Messer vorrätig, so dass sie die Arbeit beim Stumpfwerden eines Messers nicht zu unterbrechen brauchten.[10] Neben den spitz geschliffenen Messern hielten die spezialisierten amerikanischen Pelzschneider (cutter, cut = engl. „schneiden“) für bestimmte Arbeiten auch eckigere Exemplare bereit. Der Cutter rangierte an oberster Stufe („supreme“) der Hierarchie der amerikanischen Pelzarbeiter, seine Aufgabe lag zwischen der des Sortierers und der des Nähers, das Spannen („Zwecken“) des genähten Pelzes war dort bereits die Aufgabe eines weiteren Spezialisten, des Zweckers.[11] Beim stumpfgewordenen Klingenmesser wird eine neue Klinge eingesetzt oder die Klinge wird gewendet; beim Schneiden eine Nerzfelles zum Auslassen kann das bei einem kräftigen Leder durchaus nach etwa jedem Fell oder sogar öfter notwendig sein, je nach Art des Leders und der Qualität der Klinge. Eine der ersten Arbeiten bei der Pelzherstellung ist das Anbrachen, österreichisch Bestechen, das Entfernen der Schadstellen der Felle. Der österreichische Kürschnermeister Alexander Tuma beschreibt den sachgerechten Gebrauch des Kürschnermessers wie folgt:
– Alexander Tuma jun.: Die Praxis des Kürschners[9] Das Schneiden kann auf drei verschiedene Arten geschehen:
Das Fell liegt beim Schneiden nie flach auf der Unterlage auf, sondern wird mit der freien Hand leicht angehoben, andernfalls würden dabei Haare mit abgeschnitten werden. Deshalb verbietet sich auch das Schneiden mit der Schere. Ebenfalls aus dem Grund wird immer mit dem Haarschlag und nicht entgegen der Haarrichtung geschnitten.[9] Die Klinge sollte deshalb auch kaum tiefer als die Lederdicke eindringen, die Schnitttiefe soll so gering wie möglich gehalten werden. Die halbe Klinge kann dann noch einmal gewendet benutzt werden, indem auf der noch scharfen Gegenseite eine zweite Spitze gebrochen wird.
Fellschneidegeräte
WeblinksCommons: Kürschnermesser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Siehe auchEinzelnachweise
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