Dieser Artikel befasst sich mit dem norwegischen Schriftsteller und Dramatiker. Für seinen Enkel, den SS-Offizier und Polizeiminister siehe Jonas Lie (Politiker).
Lie wurde am 6. November 1833 als Sohn eines Beamten in Hokksund geboren. Er wuchs ab dem sechsten Lebensjahr in Tromsø auf und studierte von 1851 bis 1858 Rechtswissenschaften in Kristiania. Dort traf er Henrik Ibsen und Bjørnstjerne Bjørnson. Nach erfolgreichem Studium praktizierte Lie zwischen 1859 und 1869 als Rechtsanwalt in Kongsvinger. In den frühen 1860er Jahren war er Eigentümer der Wochenzeitschrift Illustreret Nyhedsblad, die er jedoch nicht vor dem finanziellen Ruin retten konnte.
1866 erschien seine Sammlung Digte, die ihn populär machte. Danach gab er seinen Beruf auf und arbeitete als Journalist. 1870 erschien die NovelleDen Fremsynte, die ihn finanziell unabhängig machte. 1871 unternahm er eine Reise in die Polarkreisregion. Dort schrieb er eine Sammlung von Volkserzählungen, Fortællinger og Skildringer fra Norge. Der RomanTremasteren Fremtiden 1872 machte ihn international bekannt. Ab 1871 lebte und reiste Lie bis 1874 durch Italien, finanziert durch die norwegische Regierung. Während dieser Reise erschien 1873 seine ErzählungFanfulla. Nach seiner Rückkehr erhielt er 1874 vom norwegischen Storting einen Ehrensold. Noch unter dem Einfluss einer Italienreise schrieb er 1875 die Erzählung Antonio Banniera und das Gedicht Faustina Strozzi. Seit Ende der 1870er Jahre lebte Lie zunächst in Norddeutschland, später dann in Bayern. Den Winter verbrachte er meist in Paris, den Sommer in Berchtesgaden. Nachdem er 1882 schon kurz nach Norwegen zurückgekehrt war, ließ er sich 1893 endgültig in Holskogen bei Kristiansand nieder.
Jonas mit seiner Frau Thomasine Lie 1892
Erste Anerkennung fand Lie durch seine lebendigen Natur- und Menschenschilderungen aus Nordnorwegen. Zum Schreiben animiert und gefördert wurde er durch seinen Freund Bjørnson. Spätere Werke, die durch eine ausgeprägte impressionistische Erzähltechnik und mystische Tendenzen gekennzeichnet sind, rücken soziale Konflikte ins Dämonische. In seinen Märchen ist auch der Einfluss der Neuromantik spürbar. Mit Bjørnson, Alexander Kielland und Ibsen zählt er zu den Großen Vier (De fire store) des 19. Jahrhunderts der norwegischen Literatur.
Ein Mahlstrom. Erzählung von Jonas Lie. Autorisierte Übertragung aus dem Norwegischen von Erich Holm. Reclams Universal-Bibliothek, Nr. 2402/03, Leipzig 1888
Kommandørens døtre. Roman, 1886; dt. Ausgabe:
Die Töchter des Commandeurs, Übersetzung von M. Ottesen. Engelhorn’s allgemeine Romanbibliothek (Bd. 8), Stuttgart 1887
Willy Pastor: Jonas Lie (Rezension zum Roman Dyre Rein). In: Studienköpfe. Zwanzig essayistische Porträts. Georg Heinrich Meyer, Leipzig und Berlin 1902
Joachim Schiedermair: Eine aufgeschobene Peripetie. Zum Zusammenhang von Modernität und Malerei in Jonas Lies »Familien paa Gilje« (1883) und »Grabows Kat« (1880). In: European Journal of Scandinavian Studies, Band 38–40, Heft 1 (2010), S. 3–21.