Das Adelsgeschlecht entstand durch die Nobilitierung der zwei Glashüttenbesitzerbrüder Wolfgang (1782–1833) und Kajetan Kiesling (1788–1852) als Edle von Kiesling auf Kieslingstein am 8. Juli 1810 in den erblichen bayerischen Adelstand. Johann war der zweitälteste Sohn des Apothekers Kajetan Edler von Kiesling auf Kieslingstein (* 1838) und dessen Ehefrau Ida, geborene Widemann (* 1849). Der spätere deutsche GeneralleutnantBruno von Kiesling auf Kieslingstein (1878–1957) war sein Cousin.
Karriere
Kiesling wuchs in einem katholischen Elternhaus auf und trat nach seinem Abitur an einem Humanistischen Gymnasium 1892 als Dreijährig-Freiwilliger in das 1. Infanterie-Regiment „König“ der Bayerischen Armee ein. Nach dem Besuch der Kriegsschule in München avancierte er Anfang März 1894 zum Leutnant und war ab Ende November 1898 als Adjutant zum Bezirkskommando Rosenheim kommandiert. Er wurde mit „wohlwollenden, gerechten und freundlichen Entgegenkommen“ charakterisiert.[1] Kiesling absolvierte ab Oktober desselben Jahres zur weiteren Ausbildung für drei Jahre die Kriegsakademie in München, die ihm die Qualifikation für den Generalstab und das Lehrfach (Taktik, Kriegsgeschichte) aussprach. Während dieser Zeit wurde er am 9. März 1902 zum Oberleutnant befördert und zum 1. Oktober 1903 zum Generalstab kommandiert.
Nach einer weiteren Kommandierung zum Generalstab des I. Armee-Korps wurde Kiesling am 1. Oktober 1907 zunächst ohne PatentHauptmann in der Zentralstelle des Generalstabes. Das Patent zu seinem Dienstgrad erhielt er am 26. Oktober 1907. 1908 versuchte er vergeblich eine Position in der Osmanischen Armee zu erhalten.[5] Mit der Ernennung zum Kompaniechef im 15. Infanterie-Regiment „König Friedrich August von Sachsen“ trat er am 28. Oktober 1909 in den Truppendienst zurück. Am 24. April 1910 wurde Kiesling mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen der Uniform des Generalstabes zur Disposition gestellt, um als erster bayerischer (zuvor waren nur Preußen als Instrukteur in Südamerika tätig) Instruktor in Argentinien zu arbeiten.[6] Kurz vorher lernte er General Emil Körner, den Reformierer der Chilenischen Armee in Berlin kennen.[7] Daraufhin trat Kiesling in diese Armee ein und wirkte 1911/14 als Oberstleutnant im Generalstab des Heeres. 1912 schickte er einen halbjährigen Puma zum Tierpark Hellabrunn.[8] Im Auftrage der chilenischen Regierung besuchte er 1913 Bolivien.[9]
In der Nachkriegszeit diente er zunächst als Grenzschutzkommandeur in Kempten und wurde 1919 mit dem Charakter als Oberstleutnant aus der Armee verabschiedet.[12] Bis 1920 wurde er Geschäftsführer der Münchener Außenstelle des deutschen Auslandinstitutes und machte sich für seinen Antikommunismus und seine Russophobie einen Namen.[13] Auch wurde er Mitglied der Bezirksgruppe Süd des Bund der Asienkämpfer.[14]
Nach 1924 wirkte Kiesling als Sonderberichterstatter der Münchner Neuesten Nachrichten.[15] Auch schrieb er für den nationalsozialistischenVölkischen Beobachter.[5] Im selben Jahre wanderte er nach Chile aus,[16] um an einem Siedlungsprojekt teilzunehmen, was alsbald scheiterte. Er trat daraufhin in die chilenische Armee ein und nahm Kontakt zu seinem alten Freund Wilhelm Faupel auf. Durch den Widerstand von französischen Diplomaten konnte er nur als inoffizieller Instruktor dienen. Nachdem sein ehemaliger Schüler Carlos Ibáñez del Campo in Chile an die Macht gekommen war, wurde Kiesling 1926 als offizieller Instruktor an der Kriegsakademie angestellt und konnte wichtige Waffengeschäfte zwischen der deutschen und chilenischen Regierung vereinbaren. Er galt neben Otto Zippelius als führender Militärspezialist in Chile. Nachdem Ibáñez während der Weltwirtschaftskrise zurückgetreten war, wurde von Kieslings Einfluss deutlich eingedämmt. Trotzdem wurde er 1933 zum Brigadegeneral befördert. 1937 nahm er seinen Abschied von der chilenischen Armee.[5]
Er trat zum 1. Mai 1934 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 3.452.565).[17][18]
Familie
Kiesling hatte sich am 15. Juni 1896 in München mit Maria von Varennes-Mondasse (* 1876) verheiratet, mit der er einen Sohn und vier Töchter hatte. Nach der Scheidung 1910 heiratete er am 23. Mai desselben Jahres in Hamburg Hedwig Auracher (* 1876).
Schriften
Gefechtsbefehle. Eine befehlstechnische Übung. R. Eisenschmidt, 1907.
Das Begegnunsgefecht. 1912.
Damaskus. Altes und Neues aus Syrien. 1919.
Rund um den Libanon. Friedliche Wanderungen während des Weltkrieges. 1920.
Mit Feldmarschall von der Goltz Pascha in Mesopotamien und Persien. 1922.
Die Deutschen in Chile. In: Münchner Neueste Nachrichten. Juli 1925.
Soldat in drei Weltteilen. 1935.
Literatur
Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Alter Adel und Briefadel. 1921. Fünfzehnter Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1920, S. 415–416.
Othmar Hackl: Die Bayerische Kriegsakademie (1867–1914). C.H. Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München 1989, ISBN 3-406-10490-8, S. 492.
↑ abcThomas Adam: Germany and the Americas: Culture, Politics, and History : a Multidisciplinary Encyclopedia. ABC-CLIO, 2005, ISBN 978-1-85109-628-2 (google.com [abgerufen am 10. November 2022]).
↑Gotthold Schramm: Flucht vor der Junta: die DDR und der 11. September. Edition Ost, 2005, ISBN 978-3-360-01067-4 (google.com [abgerufen am 15. November 2022]).