Jacob Joseph Oettinger wurde am 17. Juni 1780 als Sohn von Mordechai Oettinger in Glogau geboren. Seine Ausbildung erfolgte beim Ortsrabbiner Hirsch Samotsch, hier stand besonders die rabbinische Literatur im Vordergrund. Nach seiner talmudischen Ausbildung übernahm er 1801 die Glogauer Jeschiwa (Jüdische Schule) als Lehrer für die hebräische Sprache, den Talmud und die Bibel.[1]
Im Jahre 1804 heiratete Oettinger Libe Rösel (geb. Sachs) (unbekannt; gestorben 1859 in Berlin); 1816 wurde er der Rabbiner von Glogau.[2]
Von der Berliner Gemeinde wurde er 1820 zum Dajan und Rabbiner berufen. In Berlin gab er Talmudunterricht an der Zacharias-Veitel-Ephraimschen Lehranstalt und anderen Stiftungseinrichtungen.
Nach dem Tod des Vize-Oberlandesrabbiners Meyer Simon Weyl Vorsitzender des Berliner rabbinischen Gerichtshofs, übernahm Jacob Joseph Oettinger die Stelle des Rabbinatsverwesers und hatte die Aufsicht über das Lehrer- und Rabbinerseminar von Jeremias Heinemann. Im Folgejahr 1827 gab er diese Tätigkeit aber wieder ab.[4][5][6]
Oettinger war Vertreter des traditionellen Rabbinertums und wurde bei der Einweihung des neuen Jüdischen Friedhofs Schönhauser Allee am 29. Juni 1827 von Regierungsvertretern als Nachahmer christlicher Sitten verunglimpft. Er hatte seine Rede in hochdeutscher Sprache gehalten, hierin sah die Polizei, ironischerweise, eine unerlaubte Reform und erteilte ihm eine Rüge.
Zu seinen Amtsaufgaben gehörten auch, am 30. April 1839, bei der Einweihungsfeier des jüdischen Waisen-Erziehungs-Instituts für Knaben zu Berlin (gegründet von Baruch Auerbach) die Waisenkinder zu segnen.[7] Er war verantwortlich für die Bar Mitzwa der Kinder, nahm Eheschließungen vor und verfasste die vorgeschriebenen aramäischen Eheverträge (Ketubba).
Seine Arbeit war auf die Vermittlerrolle zwischen Orthodoxie und Reform in der Jüdischen Gemeinde Berlin gerichtet. Gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Bet-Midrasch-Rabbinatsassessor Elhanan Rosenstein (1796–1869), füllte er diese Rolle bis ins hohe Alter aus. Im März 1844 sollte unter der Leitung von Oettinger und Rosenstein ein neuer Religionslehrer und ein zweiter Rabbinatsassessor für ihre Gemeinde gewählt werden. Die Wahl fiel auf Michael Sachs, der aus Prag abberufen wurde. Sein damaliger Schüler aus der kleinen jüdischen Schule in Glogau konnte 21 von 26 Stimmen der Wahlkommission auf sich vereinigen.[8][9]
Oft hatten sie mit Widerständen und offener Kritik zu kämpfen, zum Beispiel, in welcher Sprache die Predigten gehalten werden sollten (Jiddisch oder Hochdeutsch), ob Selbstmörder innerhalb des normalen Friedhofs begraben werden dürfen und ein spezielles Problem mit dem Ehrengrab von Samuel Holdheim, das Oettinger befürwortete. Holdheim erhielt 1847 das Amt des ersten Predigers der 1845 gegründeten Reformgenossenschaft zu Berlin, einer eigenständigen Gruppierung des Reformjudentums der Berliner jüdischen Gemeinde. Nach seinem Tode kam es zu Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde, selbst mit Michael Sachs, ob er in der Ehrenreihe der Rabbiner begraben werden sollte.[10][11][12]
Am 7. November 1860 starb Jacob Joseph Oettinger in seinem 81. Lebensjahr und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee, neben seiner Frau Libe Rösel, beigesetzt.(Gräberverzeichnis A 1/41 und A 1/42)[13][14]
↑Nathanja Hüttenmeister, Christiane E. Müller: Umstrittene Räume jüdische Friedhöfe in Berlin: Grosse Hamburger Straße und Schönhauser Allee. Metropol, 2005, ISBN 978-3-936411-55-3, S. 303 (Snippet Ansicht) (google.de).
↑Franz D. Lucas, Heike Frank: Michael Sachs der konservative Mittelweg: Leben und Werk des Berliner Rabbiners zur Zeit der Emanzipation. J.C.B. Mohr Datum=1992, ISBN 978-3-16-145888-0, S. 12 (google.de).
↑Sandra Anusiewicz-Baer: Die Jüdische Oberschule in Berlin Identität und jüdische Schulbildung seit 1993. transcript Verlag, 2017, ISBN 978-3-8394-4019-3, S. 32 (google.de).
↑Mordechai Eliav: Jüdische Erziehung in Deutschland im Zeitalter der Aufklärung und der Emanzipation. Bitaon Limited, 1960, ISBN 978-3-8309-5894-9, S. 278 (google.de).
↑Baruch Auerbach: Die jüdische Gemeindeschule tora talmud zu Berlin, in ihrer fernern Entwickelung. J. Lewent, 1833, S. 40 bis S. 45 (google.de).
↑ Isaac Gastfreund : Die Wiener Rabbinen seit den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. transcript Verlag, 1879, S. 92 (google.de).
↑Franz D. Lucas, Heike Frank: Michael Sachs der konservative Mittelweg: Leben und Werk des Berliner Rabbiners zur Zeit der Emanzipation. J.C.B. Mohr Datum=1992, ISBN 978-3-16-145888-0, S. 54 (google.de).
↑Leo Baeck Institute, Marion A. Kaplan: Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland vom 17. Jahrhundert bis 1945. Beck, 2003, ISBN 978-3-406-50205-7, S. 166 (google.de).
↑Franz D. Lucas, Heike Frank: Michael Sachs der konservative Mittelweg: Leben und Werk des Berliner Rabbiners zur Zeit der Emanzipation. J.C.B. Mohr Datum=1992, ISBN 978-3-16-145888-0, S. 70 (google.de).
↑Wolf Alois Meisel: “Der” Carmel religiöse Wochenschrift für Synagoge, Schule und Haus Band 1 - Nekrolog. Ph. Wodianer, 1860, S. 142 bis S. 143 (google.de).
↑Nathanja Hüttenmeister, Christiane E. Müller: Umstrittene Räume jüdische Friedhöfe in Berlin : große Hamburger Straße und Schönhauser Allee. Metropol, 2005, ISBN 978-3-936411-55-3, S. 302 (Snippet Ansicht) (google.de).
↑Carsten Wilke, Julius Carlebach, Michael Brocke: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023232-5, S. 661 (google.de).
↑Carsten Wilke, Julius Carlebach, Michael Brocke: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023232-5, S. 420 (google.de).
↑Louis Lewin: Geschichte der Juden in Lissa. N. Gundermann, 1904, S. 294 (Snippet Ansicht) (google.de).
↑Levi Herzfeld, Gustav Karpeles: Handelsgeschichte der Juden des Alterthums. Meyer, 1894, S. 5 (google.de).
↑Carsten Wilke, Julius Carlebach, Michael Brocke: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023232-5, S. 757 (google.de).
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↑Carsten Wilke, Julius Carlebach, Michael Brocke: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023232-5, S. 666 (google.de).
↑Carsten Wilke, Julius Carlebach, Michael Brocke: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023232-5, S. 653 (google.de).
↑Carsten Wilke, Julius Carlebach, Michael Brocke: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781–1871. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023232-5, S. 563 (google.de).
אטינגר, יעקב יוסף (hebräisch); Öttinger, J. J.; Oettinger, J. J.; Oettinger, Jacob Joseph ben Mordechai; Öttinger, Jacob Joseph; Oettinger, Jacob Joseph b. Mordechai; Ben Mordechai, Jaakob Josef