Das Jōgan-Erdbeben 869 (japanisch貞観地震Jōgan jishin), auch Jōgan-Sanriku-Erdbeben (貞観三陸地震, Jōgan Sanriku jishin) genannt, war eines der stärksten Erdbeben mit Tsunamis in der Geschichte Japans und ereignete sich am 9. Juli[1] 869 (traditionelles Datum: Jōgan 11/5/26) vor der Sanriku-Küste.
Das Ereignis wird in der im Jahr 901 zusammengestellten Reichschronik Nihon Sandai Jitsuroku (Band 16) wie folgt beschrieben:
„5. Monat […] 26. Tag: Ein großes Beben traf die Provinz Mutsu. Der Himmel war von taghellen Erscheinungen [vgl. Erdbebenlicht] durchzogen. Nach kurzer Zeit hallten die Schreie der Menschen. Niedergeworfen, war man nicht fähig wieder aufzustehen. Einige wurden von zusammenstürzenden Gebäuden zerdrückt und starben, andere wurden vom aufreißenden Boden verschluckt und starben. Pferde und Rinder erschraken, liefen umher und zertrampelten sich gegenseitig. Unzählige Bauwerke wie Burgmauern, Lagerhäuser, Tore, Türme, Zäune und Mauern stürzten ein. Das Meer toste wie Donner, große Wellen strömten heran und bewegten sich auf großer Länge flussaufwärts. In kürzester Zeit erreichten sie die Burgstadt. Das Meer ließ einige hundert Meilen verschwinden und man wusste nicht wo die Küste [= das Inland] aufhörte. Die Felder und Straßen wurden zum Ozean. Es war keine Zeit, die Boote zu besteigen oder in die Berge zu fliehen. Etwa tausend Menschen ertranken. Persönlicher Besitz und die Saat wurden fast vollständig zerstört.“[2]
Die in dem Bericht beschriebene Burgstadt wird häufig mit derjenigen um die Burg Taga (heute in der Gemeinde Tagajō) identifiziert,[3] die damals Provinzhauptstadt (kokufu) war. Zudem wurden archäologische Hinweise auf ihre Zerstörung für das 8./9. Jahrhundert gefunden.[3]
Basierend auf den beschriebenen Schäden für diesen Ort, die auf eine seismische Intensität von mindestens der Stufe 5 schließen lassen, wird vermutet, dass das Erdbeben eine Magnitude von 8,3 hatte. Eine Simulation durch Minoura et al. von 2001 lokalisierte das Erdbeben zwischen 37° und 39° N, 143° und 144,5° O, wobei die Verwerfung etwa 200 km lang, 85 km breit war und in 1 km Tiefe stattfand. Der Tsunami besaß demnach dann eine Höhe von etwa 8 m.[3] Satake et al. bestimmten 2008 die Verwerfung mit einer Länge von 100 bis 200 km und einer Breite von 100 km bei einer Momenten-Magnitude MW 8,1 bis 8,4.[4] Die Erdbeben-Datenbank des National Geophysical Data Center der US-amerikanischen NOAA gibt eine Oberflächenwellen-Magnitude von MS 8,6 an.[5]
Geologische Untersuchungen fanden marine Sedimentablagerungen, die auf diesen Tsunami zurückzuführen sind, in der Ebene zwischen dem heutigen Sendai und Sōma mehr als 4–4,5 km landeinwärts. Allerdings lag die Ebene damals etwa einen halben Meter niedriger als heute. Dies bestätigt die beschriebenen großflächigen Überflutungen und die hohe Zahl der Todesopfer (verglichen mit der Tatsache, dass die Gegend damals weit weniger und nur sehr verstreut besiedelt war).[3][6] So wird für das 8. Jahrhundert für diese zweitbevölkerungsreichste Provinz eine Bevölkerung von 186.000 angenommen.[7]
Zudem wurden Hinweise auf zwei ähnlich verheerende, vorangegangene Tsunamis mit ähnlichen Auswirkungen gefunden: einen zwischen 910 und 670 v. Chr. und einen zwischen 140 v. Chr. und 150 n. Chr. Basierend darauf wird angenommen, dass derartige Tsunamis diese Küstengegend etwa alle 800 bis 1100 Jahre,[3] bzw. unter Hinzunahme des Keichō-Sanriku-Erdbebens 1611 alle 450–800 Jahre[8] treffen. Minoura et al. meinten 2001, dass ein ähnlich starker Tsunami, der etwa 2,5–3 km ins Land eindringe, zu erwarten sei.[3] Diese Vorhersage wurde häufig mit dem Tōhoku-Erdbeben und -Tsunami vom 11. März 2011 identifiziert und dieses wiederum dem Jōgan-Erdbeben gleichgestellt.[6][8][9][4]
↑Es wird häufig auch der 13. Juli angegeben, was jedoch eine anachronistische Anwendung des Gregorianischen Kalenders darstellt.
↑Kōji Minoura: 津波災害は繰り返す. In: Universität Tōhoku (Hrsg.): まなびの杜. Nr.16, 30. Juni 2001 (Volltext)., Übersetzung angelehnt an Masatoshi Ishii: Information History: Research.
↑ abcdef
K. Minoura, F. Imamura, D. Sugawara, Y. Kono, T. Iwashita: The 869 Jōgan tsunami deposit and recurrence interval of large-scale tsunami on the Pacific coast of northeast Japan. In: Journal of Natural Disaster Science. Band23, Nr.2, 2001, S.83–88 (jsnds.org [PDF]).
↑Cornelius J. Kiley: Provincial administration and land tenure in Heian Japan. In: Donald H. Shively, William H. McCullough (Hrsg.): The Cambridge History of Japan. Volume 2: Heian Japan. Cambridge University Press, 1999, ISBN 0-521-22353-9, S.255 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑ abKenji Satake: The Giant off Tohoku earthquake of 11 March 2011. (PDF; 9 kB) AGU – Natural Hazards Focus Group, 16. März 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. März 2012; abgerufen am 15. August 2015 (englisch).