Jüdischer Friedhof (Burgkunstadt)Der Jüdische Friedhof Burgkunstadt war der Friedhof des Burgkunstadter Distriktsrabbinats und einiger angrenzenden Orte. Er liegt im oberfränkischen Burgkunstadt, einer Gemeinde im Landkreis Lichtenfels. Der Bestattungsort befindet sich ein Kilometer nordwestlich von Burgkunstadt am Ebnether Berg. Die ältesten der etwa 2000 Grabsteine stammen aus dem 17. Jahrhundert; der letzte aus dem Jahr 1940. In der örtlichen jüdischen Bevölkerung hatte sich für den Friedhof vor allem der Name „Guter Ort“ etabliert. GeschichteBau- und Nutzungsgeschichte von 1620 bis 1933Im Jahr 1620 wurde das Feld am sogenannten „Hutanger“ als Grundstück für einen neu anzulegenden Friedhof der jüdischen Gemeinde Burgkunstadts bestimmt.[1] Möglicherweise fanden an dieser Stelle aber schon seit viel längerer Zeit die verstorbenen Gemeindemitglieder ihre letzte Ruhe.[1] Die ersten Juden siedelten in Burgkunstadt und der Umgebung bereits ab Mitte des 13. Jahrhunderts. Die erste Beerdigung im Friedhof fand gesichert im Jahr 1626 statt, wobei auch bereits 1623 schon eine stattgefunden haben könnte, von der jedoch kein Grabstein mehr erhalten ist.[1] 1679 erfolgte eine erste Erweiterung des Friedhofs.[2] Finanziert wurde der Friedhof durch den „Israelitischen Begräbnisverein“, der auch den bis 1835 genutzten Jüdischen Friedhof in Küps mitbetreute. Einnahmen generierte der Verein insbesondere durch Beiträge, die anlässlich von Hochzeiten gezahlt werden mussten und sich in der Höhe nach dem Vermögen des Brautpaares richteten. Im Jahr 1829 betrugen diese Einnahmen aus insgesamt 17 Gemeinden zusammen 54,15 Gulden.[1] Bedingt durch die stark angewachsenen jüdischen Gemeinden im Einzugsgebiet des Friedhofs stellten am 12. März 1841 die drei Vorsteher des Begräbnisvereins (Moritz Mack aus Altenkunstadt, Michael Rothschild und Abraham Schreyer Thurnauer, beide aus Burgkunstadt) bei der Stadt Burgkunstadt einen Antrag auf „Erweiterung des israelitischen Begräbnisplatzes zu Burgkunstadt.“ Diese wurde bald darauf genehmigt und die Planungen begonnen. Abgeschlossen werden konnten die Arbeiten im Jahr 1844. Erneuert wurde im Zuge der Bauarbeiten die Freidhofsumfassungsmauer, die zudem mit einem großen Portal versehen wurde, neben dem an der Innenseite der Mauer ein neues Taharahaus und ein neuer Brunnen errichtet wurden. Die meisten Beerdigungen fanden auf dem Friedhof in der Blütezeit der jüdischen Gemeinden im Einzugsgebiet um den Friedhof in den Jahren von 1830 bis 1850 statt. Waren dies um 1840 noch über 2000 Personen, sank die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder bis 1867 auf rund 800 ab. Bedingt war dies vor allem durch die starke Abwanderung in größere Städte wie Bamberg und Nürnberg und die Auswanderung in die USA. Im Jahr 1900 lebten noch etwa 400 Juden im Einzugsgebiet und 1933 nur noch 120.[1] Entwicklungen im Dritten Reich von 1933 bis 1945Bedingt durch die antijüdischen Entwicklungen im Dritten Reich, nahm der Burgkunstadter Bürgermeister Leo Feuersinger im November 1938 Verhandlungen mit dem Begräbnisverein auf, den Friedhof und einige angrenzenden Flurstücke an die Stadt Burgkunstadt zu verkaufen, was jedoch vorerst nicht geschah. Die letzte Bestattung auf dem Begräbnisort fand 1940 statt. Nach der Auflösung des Begräbnisvereins und der Auslöschung der jüdischen Gemeinde durch Flucht und Deportation im April 1942 wurden die Kaufverhandlungen mit der „Reichsvereinigung der Juden, Bezirksstelle München“ weitergeführt. Am 2. Juni 1943 erfolgte schließlich der Kauf durch die Stadt für den sehr geringen Preis von 1000 RM. Am 6. März 1944 wurde die Stadt Burgkunstadt vom Finanzamt Lichtenfels aufgefordert, zusätzlich noch 200 RM an die Reichsvereinigung der Juden zu zahlen, mit denen der Erwerb der Grabsteine abgegolten werden sollte.[3] Nach dem Kauf kursierte kurzzeitig das Gerücht, dass die SA plane, den Friedhof zu schleifen und auf dem Gelände einen Schießplatz zu errichten, was jedoch nie so geplant war. Durch einzelne Personen kam es in den Jahren 1943 bis 1945 zu politisch motivierten Schändungen einzelner Gräber, wobei manche völlig zerstört wurden.[3] Entgegen der Befürchtungen, den Friedhof einzuebnen, wandte sich in einem Schreiben vom 18. Februar 1943 das Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands an die Stadt Burgkunstadt und forderte diese auf, den Friedhof umgehend zu schützen und weitere Zerstörungen zu unterbinden:
– Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands, 1943[3] Des Weiteren wurde durch das Reichsinstitut anstehende Maßnahmen angekündigt, unter anderem die fotografische Erfassung der Grabsteine und Ausgrabungen für „anthropologische Messungen“. Alle Arbeiten sollten unter „rassekundlichen, genealogischen und kunstgeschichtlichen“ Gesichtspunkten erfolgen.[3] Durch die kriegsbedingte Personalknappheit des Institutes wurden jedoch keine der Arbeiten durchgeführt. Der erzwungene Verkauf des Friedhofs an die Stadt wurde 1945 rückgängig gemacht und das Anwesen dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern übereignet, dem es bis heute gehört. Soweit möglich, wurden die Schäden aus der NS-Zeit behoben.[3] Entwicklung seit 1945Für großes Entsetzen und internationale Berichterstattung (vor allem in den USA und in Israel, aber auch unter anderem in der Tagesschau) sorgte eine Schändung des Friedhofs in der Nacht zum 24. Februar 1973. Ein Spaziergänger hatte entdeckt, dass in der Nacht mehr als 600 Grabsteine umgeworfen und teilweise zerstört worden waren.[2] Neben einem rechtsextremen Tatmotiv wurde auch ein Racheakt an den Israelis für den Abschuss einer libyschen Verkehrsmaschine über der Sinai-Halbinsel durch israelische Kampfflugzeuge am 21. Februar 1973 in Betracht gezogen. Nach nur drei Tagen Ermittlungsarbeit konnten jedoch die Täter gefasst werden, bei denen es sich um junge Männer aus Alten- und Burgkunstadt handelte, welche die Schändung unter Alkoholeinfluss nach einer Faschingsparty begangen hatten. In Zusammenarbeit mit dem Israelitischen Landesverband wurde der Friedhof durch die Stadt Burgkunstadt wieder hergerichtet.[3] Durch mehrere Institutionen und Schülergruppen erfolgen in unregelmäßigen Abständen ehrenamtliche Pflegemaßnahmen des Friedhofsgeländes. Seit 1989 wird alljährlich im September durch die „Interessensgemeinschaft Synagoge Altenkunstadt“ in den Tagen um Rosch ha-Schana eine Gedenkfeier auf dem Friedhof abgehalten.[3] Aufbau und Charakterisierung des FriedhofesMit einer Fläche von 144,5 Ar und noch etwa 2000 Grabsteinen (Mazewot) zählt der Begräbnisplatz zu den größten jüdischen Landfriedhöfen Bayerns. Die viereckige Anlage wird von einer Sandsteinummauerung begrenzt und steht unter Denkmalschutz. Das schmiedeeiserne Eingangstor ist von einer massiven Steinmauer eingefasst. Links dahinter befindet sich das 1844 erbaute kleine Taharahaus aus Sandstein und ein Brunnen. Das Einzugsgebiet des Friedhofes umfasste das Obermaingebiet mit den jüdischen Gemeinden in den Distriktsrabbinaten Burgkunstadt (Altenkunstadt, Burgkunstadt, Ebneth, Fassoldshof, Maineck, Weidnitz), Distriktsrabbinat Redwitz (Friesen, Horb am Main, Kronach, Küps (ab 1832), Lichtenfels (bis 1840), Mistelfeld, Mitwitz, Oberlangenstadt (ab 1832), Redwitz) sowie in Teilen auch Bayreuth (bis 1787),[4] Coburg, Hochstadt am Main, Kulmbach, Rothwind, Seubelsdorf.[1][2] GrabsteineDie Grabsteine sind in vier größeren Feldern aufgestellt, wobei sich die ältesten beiden Felder noch weiter unterteilen lassen. Im mittleren Teil (Feld 1) stehen die ältesten Grabsteine. Sie lassen sich in drei kleinere Bereiche unterteilen, wobei die Belegungen ab 1620, 1730 und 1784 begannen.[5] Die meisten Steine aus diesen Feldern sind heutzutage weitgehend umgekippt oder komplett im Boden versunken. Sehr gut erhalten ist jedoch nach wie vor der älteste noch erhaltene Stein des Friedhofes aus dem Jahr 1626. Die meisten Steine in den beiden ältesten Abschnitten des Friedhofs sind mit 80 bis 100 cm Höhe relativ niedrig, haben eine Breite von meist 40 bis 50 cm und eine Stärke von 8 bis 15 cm. Vorherrschend sind die Stilformen des Barock, Rokoko und Biedermeier, ergänzt um traditionelle jüdische Symbolzeichen wie Kohanimhände, Mohelmesser, Levitenkannen, Schofarhörner und -bläser und Familienembleme. Viele der Steine sind teilweise oder fast vollständig im Erdboden eingesunken; einige jedoch auch in den Jahren 1926 bis 1928 mit Unterstützung des Landesrabbinats München saniert.[1] TaharahausDas Taharahaus erstreckt sich über eine Grundfläche von etwa 4,5 × 5 m und erhebt sich als eingeschossiger Sandsteinquaderbau mit Satteldachabschluss. An der Westseite befindet sich ein kleines Fenster und an der Nordseite drei kleine Fenster, wovon eines im Giebel eingelassen ist. Der Zugang zum Taharahaus erfolgt an der Ostseite, wo sich auch eine Steinplatte mit einer hebräischen Inschrift befindet, deren Übersetzung wie folgt lautet:
– Michael Trüger: Übersetzung[6] Literatur
WeblinksCommons: Jüdischer Friedhof Burgkunstadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
Koordinaten: 50° 9′ 8″ N, 11° 14′ 58″ O |