Industrielle BeziehungenUnter Industriellen Beziehungen (auch: Arbeitsbeziehungen) versteht man die Beziehungen zwischen dem Management eines Unternehmens und dessen Arbeitnehmern sowie die Beziehungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Als „dritte Partei“ fungiert der Staat als die Rahmenbedingungen bestimmender Gesetzgeber und als Arbeitgeber im öffentlichen Dienst. Zum BegriffDer Begriff ist eine Lehnübersetzung des englischen Begriffs Industrial relations. An dem Begriff wird kritisiert, dass industry im Englischen umfassender (im Sinne von "Gewerbe") verstanden wird als der deutsche Begriff "Industrie". Als Synonym wird auch der Begriff Arbeitsbeziehungen (engl.: labour relations) gebraucht. Ralf Dahrendorf hat den Begriff 1956 mit seiner Publikation Industrie- und Betriebssoziologie in den deutschen Sprachraum eingeführt.[1] Er sah darin eine „vermittelnde Zwischenebene zwischen Unternehmern und Arbeitern“.[2] Walther Müller-Jentsch hat den Begriff später als interdisziplinäres Forschungsgebiet bezeichnet,[3] nachdem er 1986 bereits das erste deutsche Lehrbuch für diesen Gegenstandsbereich mit dem Titel Soziologie der industriellen Beziehungen publiziert hatte. Aus systemtheoretischer Perspektive bilden die Industriellen Beziehungen ein Subsystem der modernen kapitalistischen Gesellschaft (s. Dunlop, Wood et al., Rogowski). NäheresIndustrielle Beziehungen sind ein Forschungsgebiet der Betriebswirtschaftslehre, der Industrie- und Betriebssoziologie sowie der Wirtschaftssoziologie. Als Ausgangspunkt liegt diesem folgender Sachverhalt zugrunde: Der auf dem Arbeitsmarkt vertraglich vereinbarte wirtschaftliche Austausch von Lohn gegen Arbeitsleistung führt zu sozialen Kooperations- und Konfliktbeziehungen zwischen Management und Arbeitnehmern/Betriebsrat bzw. zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft in einem Betrieb oder einer Branche (Wirtschaftszweig), in einem Staat oder einem transnationalen Wirtschaftsraum wie z. B. der EU (Beziehungen zwischen den Dachorganisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern). Im historischen Verlauf der Industrialisierung waren die industrial relations zunächst durch ungeregelte soziale Konflikte (bis hin zum „Maschinensturm“) und einschneidende politische Repressionen gekennzeichnet. Erst im 20. Jh. bildeten sich Verhandlungsarenen auf unterschiedlichen Ebenen – Unternehmen, Wirtschaftszweig, Nationalstaat, Europäischer Wirtschaftsraum – heraus. In ihnen werden von den jeweiligen „kollektiven Akteuren“ (wie Management und Betriebsrat, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisation sowie staatliche Institutionen) Verträge und Vereinbarungen über die Bedingungen der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse von Arbeitnehmern abgeschlossen. Die beteiligten Organisationen können dabei auch soziale Druckmittel wie Streik und Aussperrung anwenden. Pioniere in der Erforschung der Industriellen Beziehungen waren in Großbritannien Sidney und Beatrice Webb, in Deutschland Lujo Brentano und in den USA John R. Commons. In der fachwissenschaftlichen Diskussion wird das deutsche System der industriellen Beziehungen auch als "duales System" der Interessenvertretung bezeichnet, weil die Arbeitnehmerinteressen einerseits durch den Betriebsrat, andererseits durch die Gewerkschaft über den Tarifvertrag vertreten werden.[4] Im weiteren Sinne gehören auch die Beziehungen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen mit den für sie wichtigen staatlichen Instanzen (z. B. in der Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftspolitik) sowohl im nationalstaatlichen wie im europäischen Rahmen zu diesem Forschungsgebiet. Darüber hinaus übernimmt der Staat regulative Funktionen, indem er den Industriellen Beziehungen einen gesetzlichen Rahmen setzt (z. B. mit Betriebsverfassungsgesetz, Tarifvertragsgesetz, Mitbestimmungsgesetz). Mit der EU-Richtlinie über Europäische Betriebsräte (1994) wurde erstmals ein gesetzlicher Rahmen für eine transnationale Institution der Industriellen Beziehungen geschaffen. TheorienDas interdisziplinäre Forschungsfeld kennt eine Vielfalt theoretischer Ansätze für die Analyse und Erklärung komplexer Systeme, thematischer Komplexe oder auch nur einzelner Phänomene der nationalen und transnationalen industriellen Beziehungen. Im Einzelnen sind diese:[5]
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