Holst wurde als Tochter des Komponisten Gustav Holst und dessen Ehefrau Isobel Harrison geboren. Ab 1921 besuchte sie die St Paul’s Girls School in Hammersmith, an der ihr Vater Musik unterrichtete. Ab 1926 studierte sie am Royal College of Music in London Komposition und Klavier. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie von 1941 bis 1944 als Organisatorin im Council for the Encouragement of Music and the Arts und von 1943 bis 1951 als musikalische Leiterin im Arts Centre in der Dartington Hall School.
Als Komponistin hinterließ Imogen Holst ein umfangreiches Werk, das sich mit instrumentalen, vokalen und orchestralen Genres befasst. Ebenso vielseitig arbeitete sie als Arrangeurin.
Arbeit mit Britten
Holst ging 1943 nach Dartington, um eine Musikausbildung zu absolvieren. Schließlich gründete sie dort eine Musikschule. Im Juli 1951 verließ Holst Dartington, um wieder eine freiberufliche Karriere aufzunehmen. Im Herbst 1952 bat der Komponist Benjamin Britten sie nach Aldeburgh zu kommen, um ihm bei seiner Oper Gloriana zu helfen. Dieser Bitte kam sie nach. Sie hatte Britten in den 1940er Jahren in Dartington kennengelernt und schätzte seine Musikalität.[1] „Deine Musik scheint mir das einzig Verlässliche zu sein, was heute passiert“, hatte sie Britten 1942 geschrieben, einige Tage nach ihrem ersten Treffen.[2] Ihr gegenseitiger Respekt führte zu einer echten Freundschaft.[3]
Benjamin Britten
Als Holst zu Britten kam, war die finanzielle Vereinbarung noch sehr vage. Britten bezahlte sie nur stückweise und nicht mit einem regulären Gehalt. Er wusste nicht, dass sie wenig Geld zur Verfügung hatte, da sie ihre Rechte am Nachlass ihres Vaters an ihre Mutter abgegeben hatte. Infolgedessen lebte sie sehr sparsam in Aldeburgh. Ihr Engagement für Britten stand im Vordergrund und in den nächsten zwölf Jahren war ihr Leben um die gemeinsamen Ziele mit Britten herum organisiert.[4]
Während der ersten 18 Monaten in Aldeburgh führte Imogen Holst ein Tagebuch, welches ein Abbild ihres „bedingungslosen Glaubens an Brittens Leistung und Status und ihre absolute Hingabe für seine Arbeit“ zeigt.[5]
In einem früheren Eintrag schreibt sie, dass ein Abend mit Britten „ein Leben lang dauern wird, so ein wunderbarer Abend wie dieser“. Sie machte einige Andeutungen, dass Benjamin Britten sich „genau wie G“ benahm, während sie einfache Aufgaben für Britten übernahm, um ihre Schuld zu lindern, ihren Vater Gustav Holst gegen Ende seines Lebens zumindest aus ihrer Sicht vernachlässigt zu haben.[6]
Musikalisch gesehen vergötterte sie ihren Vater, der den Grundbaustein für die englische musikalische Renaissance gelegt hatte. In Britten sah sie das Genie, „das den Traum ihres Vater zu einem triumphalen Höhepunkt gebracht hatte“.[6]
Holst war aber auch für Brittens Arbeit von großer Bedeutung. Sie kopierte transkribierte Manuskripte und war maßgeblich an der Fertigstellung von Brittens großen Werken beteiligt.[6] Darunter befand sich die Oper Gloriana, welche 1953 Teil der Krönungsfeierlichkeiten sein sollte. Daher übte der kurze Zeitrahmen für das Schreiben der Oper erheblichen Druck auf Holst und Britten aus. Holsts Aufgabe bei der Gloriana war es, Brittens Bleistiftskizzen zu kopieren und die Gesang- und Klavierauszüge vorzubereiten, welche die Sänger bis Februar 1953 für die Proben benötigten. Später half sie Britten auch beim Schreiben der gesamten Orchesterpartitur.[4]
Als Benjamin Britten während der Komposition seines Balletts Der Prinz der Pagoden in die Schweiz musste, begleitete Holst ihn, um an seiner Seite zu bleiben, als er das Werk fertigstellte.[7] Britten widmete das Ballett Holst und der Tänzerin Ninette de Valois.[8]
Des Weiteren veröffentlichten Holst und Britten gemeinsam Musik für Blockflöte in einer Serie von Boosey und Hawkes[9] und sie schrieben ein populäres Einführungsbuch, The Story of Music.[8]
In Holsts „ABC der Musik“ schwärmt Britten in einem von ihm verfassten Vorwort von ihren didaktischen Fähigkeiten. „Imogen Holst […] weiß, wie man das Interesse des Schülers wachhält – nämlich indem sie ernsthaft, doch ohne Pathos, kurzgefasst, doch nicht im Telegrammstil schreibt und den Text mit anschaulichen Vergleichen aus ihrem umfassenden Wissen über die Kunst und das Leben anreichert.“[10]
Imogen Holst lebte für den Rest ihres Lebens in Aldeburgh, teilweise als künstlerische Mitarbeiterin Benjamin Brittens, später aber auch als musikalische Leiterin des Aldeburgh-Festivals von 1956 bis 1977. Dort übernahm sie jegliche Aufgaben und führte beispielsweise die Johannes-Passion von Bach auf, die Britten als die beste beschrieb, die er je gehört hatte.[6]
Holsts Tätigkeit als Musikschriftstellerin
Imogen Holst verfasste hauptsächlich Musikliteratur und Biografien. Außerdem schrieb sie zwischen 1935 und 1984 Artikel, Broschüren, Essays, Einführungen und Programmnotizen.
Sie schrieb über ihren Vater Gustav Holst, Benjamin Britten, Johann Sebastian Bach, Henry Purcell und William Byrd - diejenigen Komponisten, die ihr persönlich am nächsten waren. Sie edierte Werke von Gustav Holst, arrangierte Musik, schrieb Programmtexte und referierte über ihre Entdeckungen in Archiven und Bibliotheken. Einige ihrer Bücher waren eine Zeit lang Standardwerke in der britischen Musikwelt. „An ABC of Music“, „Tune“, „Conducting a Choir“ und „Gustav Holst: A Biography“ werden auch heute noch gedruckt.[11]
Ausgenommen ihre Arbeit an den Klavierauszügen für Britten ging Imogen Holst jedoch sehr eigenmächtig mit den Quellen ihrer Veröffentlichungen um. Dies lässt sich vor allem an der Herausgabe der Werke ihres Vaters zeigen. Sie wählte selber aus, welche Exemplare sie für würdig erachtete, gedruckt zu werden. Außerdem nahm sie Änderungen im Notentext vor und lehnte Angebote für Aufnahmen ab, wenn ihr die Werke nicht wichtig genug erschienen. Ihre Biografien sind für ihre destruktive Kritik an Gustav Holsts Werken kritisiert worden.
Erst ihr 100. Geburtstag im Jahr 2007 war für viele Musikjournalisten der Beweggrund, sich noch einmal neu mit Holsts vielseitigem Schaffen auseinanderzusetzen. Beispielsweise war dies der Anlass für den Autor Christopher Grogan, eine umfangreiche Biografie über Imogen Holst herauszubringen.[11]
Holsts Werke
An ABC of Music
Der Name Imogen Holst war zu ihren Lebzeiten vor allem in Fachkreisen der englischen Musik bekannt. Ein paar ihrer Bücher waren und sind aber auch heute noch Standardwerke der musikalischen Fachliteratur, darunter zählt auch Das ABC der Musik (engl.: An ABC of Music).[11]
„Das ABC der Musik bietet eine grundlegende Einführung in die Sprache der Musik. Mit über 160 Notenbeispielen, zahlreichen Grafiken und Tabellen werden musikalische Formen erklärt, Instrumente in ihrer Entwicklung beschrieben und musikgeschichtliche Traditionslinien gezogen. Hier finde sich alles, was man im musikalischen Unterricht oder für ein erfolgreiches Selbststudium wissen muss.“[12]
Auf ihre Einleitung folgt das musikalische Alphabet mit genaueren Erläuterungen zu musikalischen Klängen, Notation, Phrasen und den Kirchentonarten. Anschließend erklärt Holst etwas zum Rhythmus und Metrum. Danach werden die Themen Spannung und Entspannungen, Kontrapunkt, Akkorde, Verwandtschaft von Tonarten und Harmonisierung aufgegriffen. Es knüpft eine musikalische Zeitreise vom 16. bis hin zum 20. Jahrhundert an, in dem Stile und Formen der Musik im jeweiligen Jahrhundert genauer erklärt werden.[13]
Gustav Holst: A Biography
Neben dem ABC der Musik schrieb sie zahlreiche Biografien über Komponisten, wobei sie die größte Bekanntheit mit der Biografie über ihren Vater erlangte.[14]
Diese Biografie, Gustav Holst: A Biography, wurde erstmals 1938 bei Faber veröffentlicht und 1969 neu aufgelegt. Im Vergleich zu ihren anderen Biografien hat sie bei dieser Biografie deutlich mehr Aufwand betrieben, um ein vollständiges und umfassendes Bild des Lebens und der Werke von Gustav Holst zu schaffen.
Dessen Komplexität wird besonders deutlich, wenn diese Biografie mit Holsts anderen Biografien verglichen wird. Sie veröffentlichte in der Serie „Great Composers“ zahlreiche Biografien, zum Beispiel über Johann Sebastian Bach, Benjamin Britten und William Byrd, welche aber deutlich weniger umfangreich sind. Allein die Seitenanzahlen der Werke deuten auf den unterschiedlichen Aufwand hin. Sie zitiert in der Biografie ausführlich aus seinen zahlreichen Briefen an seine Freunde - insbesondere an seinen engsten Kollegen Vaughan Williams - und stützt sich auf ihre persönlichen Erinnerungen an Holsts spätere Jahre. Des Weiteren führte sie persönliche Gespräche mit Freunden und Familie, um ein tieferes Verständnis von Holsts Leben und seiner Musik zu erhalten.[15]
Holsts Beitrag zur Förderung der Werke ihres Vaters
Viele Werke komponierte sie für bestimmte Anlässe, Musiker oder Ensembles und daher waren Aufführungsmöglichkeiten im Vorhinein begrenzt. Sie bemühte sich jedoch nie aktiv um die Aufführung ihrer eigenen Werke, da sie den Fokus voll und ganz auf die Förderung der Werke ihres Vaters legte.[11]
„Nach dem Tod von Gustav Holst im Jahr 1934 schlüpfte sie in die Rolle einer universellen Ansprechpartnerin und Beraterin in Sachen Gustav Holst und seine Musik.“[16] Zusammen mit dem Komponisten Colin Matthews gab sie wissenschaftliche Ausgaben der Werke ihres Vaters heraus (darunter vier Bände mit Faksimiles) und erstellte einen thematischen Katalog (A Thematic Catalogue of Gustav Holst’s Music, 1974).[17]
Zu der Frage, warum sie ihr ganzes Leben nach der Förderung der Werke ihres Vaters ausrichtete, steht vor allem eine Theorie im Vordergrund: Wahrscheinlich wollte Imogen Holst ihre Schuld schmälern, da sie der Meinung war, ihren Vater Gustav Holst gegen Ende seines Lebens zumindest aus ihrer Sicht vernachlässigt zu haben.[2]
Es steht außer Frage, dass Holst ihren Vater musikalisch verehrte; sie sah in ihm den Mann, der den Grundstein der englischen Musikrenaissance gelegt hatte.[2] Insgesamt lässt sich feststellen, dass Gustav Holsts Musik durch Imogen Holst ein großes Wiederaufleben erfuhr.
Veröffentlichungen
Imogen Holst: Das ABC der Musik. Grundbegriffe, Harmonik, Formen, Instrumente. Mit einem Vorwort von Benjamin Britten. Englische Originalausgabe 1963, übersetzt von Meinhard Saremba. 7. Auflage. Reclam Sachbuch, ISBN 978-3-15-018681-7.
(Die folgende Liste ist der englischen Wikipedia entnommen)
Gustav Holst: A biography. Oxford University Press, London 1938, OCLC852118145. (Neuauflage 1969).
The Music of Gustav Holst. Oxford University Press, London 1951, OCLC881989. (revidierte Ausgaben 1968 und 1985, letztere mit Zusatz Holst’s Music Reconsidered).
The Book of the Dolmetsch Descant Recorder. Boosey & Hawkes, London 1957, OCLC221221906.
The Story of Music („The Wonderful World“ Serie). Rathbone, London, OCLC2182017. (Coauthor Benjamin Britten).
Heirs and Rebels: Letters Written to Each Other, and Occasional Writings on Music by Ralph Vaughan Williams and Gustav Holst. Oxford University Press, London 1959, OCLC337514. (Coautorin Ursula Vaughan Williams).
Henry Purcell, 1659–1695: Essays on his Music. Oxford University Press, London 1959, OCLC602569. (Hrsg.).
Henry Purcell: The Story of his Life and Work. Boosey & Hawkes, London 1961, OCLC1200203.
An ABC of Music: a Short Practical Guide to the Basic Essentials of Rudiments, Harmony, and Form. Oxford University Press, Oxford 1963, ISBN 0-19-317103-1.
Your Book of Music. Faber & Faber, London 1964, OCLC170598.
Bach („Great Composers“ Serie). Faber & Faber, London 1965, OCLC748710834.
Britten („Great Composers“ Serie). Faber & Faber, London 1966, OCLC243904447.
Byrd („Great Composers“ Serie). Faber & Faber, London 1972, ISBN 0-571-09813-4.
Conducting a Choir: a Guide for Amateurs. Oxford University Press, London 1973, ISBN 0-19-313407-1.
Holst („Great Composers“ Serie). Faber & Faber, London 1974, ISBN 0-571-09967-X. (Neuauflage 1981)
A Thematic Catalogue of Gustav Holst’s Music. Faber Music, in conjunction with G & I Holst Ltd, London 1974, ISBN 0-571-10004-X.
Imogen Holst schrieb zwischen 1935 und 1984 auch zahlreiche Artikel, Pamphlete, Aufsätze, Einführungen und Programmeinführungen.[14]
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Werkliste
(S = Sopran; A = Alt; T = Tenor; B = Bass)
1. Original Kompositionen
Genre
Jahr
Titel
Forces (instrumental und vocal)
Bemerkungen
Kammermusik
1918
Sonata in D minor
Violine, Viola, Cello and Klavier
Opus 1 (nur die ersten vier Werke sind nummeriert)
Annika Forkert: Artikel „Imogen Holst“. In: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 18. Juli 2012.
Artikel: Imogen Holst. In: Faber Music, abgerufen am 18. Dezember 2022.
Christopher Grogan: Part III – 1952-54. In: Christopher Grogan; Rosamund Strode (Hrsg.): Imogen Holst - A Life in Music. The Boydell Press, Woodbridge, Suffolk 2010.
Christopher Grogan: Part IV – 1955-84. In: Christopher Grogan; Rosamund Strode (Hrsg.): Imogen Holst - A Life in Music. The Boydell Press, Woodbridge, Suffolk 2010.
Christopher Tinker: Part V – The Music of Imogen Holst. In Christopher Grogan; Rosamund Strode (Hrsg.): Imogen Holst - A Life in Music. The Boydell Press, Woodbridge, Suffolk 2010.
Eric Walter White: Benjamin Britten, his Life and Operas. University of California Press, Berkeley und Los Angeles 1983.
Humphrey Carpenter: Benjamin Britten – A biography. Faber and Faber, London 1992.
Imogen Holst: An ABC of Music. A short practical guide to the basic essentials of rudiments, harmony, and form. Oxford University Press, Oxford / New York 1963.
Einzelnachweise
↑Imogen Holst. In: Faber Music. Abgerufen am 18. Dezember 2022 (englisch).
↑ abcChristopher Grogan: Daughter of the renaissance. In: The Guardian. 17. Oktober 2007, abgerufen am 18. Dezember 2022 (englisch).
↑ abChristopher Grogan: Imogen Holst: A Life in Music. The Boydell Press, Woodbridge Suffolk 2010, ISBN 978-1-84383-599-8, S. 348–49.
↑ abEric Walter White: Benjamin Britten, his Life and Operas. University of California Press, Berkeley / Los Angeles 1983.
↑Christopher Tinker: Part V: The Music of Imogen Holst. In: Christopher Grogan, Rosamund Strode (Hrsg.): Imogen Holst - A Life in Music. The Boydell Press, Woodbridge / Suffolk 2010, ISBN 978-1-84383-599-8.
↑Imogen Holst: An ABC of Music. Oxford University Press, Oxford / New York 1963.
↑ abcdAnnika Forkert: Imogen Holst. In: MUGI – Musik und Gender im Internet. 18. Juli 2012, abgerufen am 5. Februar 2023.
↑Imogen Holst: An ABC of Music. Oxford University Press, Oxford / New York 1963.
↑Imogen Holst: An ABC of Music. Oxford University Press, Oxford / New York, S.5–8.
↑ abEine Liste ausgewählter Artikel und Programme enthält die Bibliografie von Christopher Grogan: Imogen Holst: A Life in Music. The Boydell Press, Woodbridge Suffolk 2010, ISBN 978-1-84383-599-8, S. 464–465.
↑Imogen Holst: Gustav Holst: A Biography. Oxford University Press, Oxford / New York 1938.