Hybrider Krieg

Der Hybride Krieg oder „die hybride Kriegsführung beschreibt eine flexible Mischform der offen und verdeckt“ eingesetzten „regulären und irregulären, symmetrischen und asymmetrischen, militärischen und nicht-militärischen Konfliktmittel mit dem Zweck, die Schwelle zwischen den völkerrechtlich angelegten binären Zuständen Krieg und Frieden zu verwischen“.[1] Die Grenze zu der nach den Genfer Konventionen verbotenen Heimtücke (Perfidieverbot) ist fließend. Russland, China und Iran nutzen geschickt kostengünstige, kommerziell verfügbare, neue Technologien (z. B. soziale Medien), um ihre eigenen Ambitionen und Machtziele voranzutreiben. Hybride Kriegsführung hat sich zu einem wirksamen, scheinbar risikoarmen Machtinstrument böswilliger Akteure entwickelt und stellt deshalb eine Bedrohung für die NATO, die Europäische Union als Ganzes, die einzelnen Mitgliedstaaten und ihr weiteres Umfeld dar.[2] Mehrere Mitgliedsstaaten der EU und der NATO gründeten zur Bewältigung der hiermit verbundenen Risiken das „Zentrum gegen hybride Bedrohungen“ in Helsinki.[3]

Etymologie

Der Begriff wurde erstmals 2005 vom US-Marines-Offizier und Militärtheoretiker Frank G. Hoffman im heutigen Sinne definiert[4] und verbreitete sich im deutschsprachigen Raum im Jahr 2014 auf Grund der militärischen Interventionen Russlands auf der Krim und im Osten der Ukraine. Der russische Präsident Putin hatte russische Truppen ohne Hoheitszeichen eingesetzt. In einem Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR) wurden Teile der flankierenden russischen Propaganda als völkerrechtlich verbotene Hass-Propaganda bezeichnet.[5]

Elemente der hybriden Kriegsführung

Hybride Kriegsführung ist eine kreative Kombination verschiedener Mittel. Der Schwerpunkt liegt auf dem zivilen Bereich und das primäre Angriffsziel sind die staatliche Ordnung und der gesellschaftliche Zusammenhalt.[2]

Elemente dieser Kriegsführung sind:

Mittel sind:

Andere Definitionen sprechen u. a. von „einer Form des Guerillakrieges, der sich moderner Technologien und Informations- sowie Werbemethoden“ bedient.[9] „Die Rolle der nicht-militärischen Mittel beim Durchsetzen von politischen und strategischen Zielen ist gewachsen; in einigen Fällen ist ihre Durchschlagskraft deutlich höher als die von Waffen“ (Waleri Wassiljewitsch Gerassimow, Generalstabschef der russischen Streitkräfte).[10]

Problematik der hybriden Kriegsführung

Der hybride Krieg ist nicht definiert. Das bedeutet, dass sich die „Kämpfer“ zumindest teilweise im rechtsfreien Raum bewegen, solange die internationale Rechtslage in Bezug auf hybride Kriegsführung nicht geklärt werden kann. Das ist umso schwieriger, als sich der Einsatz von hybrider Kriegsführung gerade für Akteure anbietet, „die sich beim Einsatz konventioneller Methoden vor der internationalen Gemeinschaft rechtfertigen müssten“.[11]

Angebliche Guerillakämpfer sind verschleierte Kombattanten aus konventionellen Truppen oder treten umgekehrt als Demonstranten auf. So werden ergänzend zu oder ausschließlich anstelle konventioneller militärischer Mittel auch Mittel eingesetzt, „die bisher üblicherweise nicht Staaten zugeordnet wurden“, wie es die Schweizer Regierung definierte.[12] Der Begriff des hybriden Krieges wird stattdessen überwiegend mit Terrorismus, Fehlinformation, Manipulation und Cyberangriffen assoziiert.[13] Der „Verlust von gültigen Konventionen“ wurde auch von der Interparlamentarischen Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU festgestellt. Die „kriminelle Unordnung“ erschwere die Suche nach Antworten.[14]

2016 diagnostizierten Geostrategen auf einem NATO-Gipfel, dass die neuen Konflikte „nicht mehr nur von Waffenstärke, sondern auch von […] sozialen Techniken zur Spaltung von Gesellschaften bestimmt“ werden.[15]

Bei der extremen Beschleunigung des Hybriden Krieges durch immer schnellere und verbesserte Systeme spricht man vom Hyperwar.

Siehe auch

Literatur

  • Margaret S. Bond: Hybrid War: A New Paradigm for Stability Operations in Failing States. United States Army War College (USAWC), Strategy Research Project, 2007.
  • Captain Scott A. Cuomo, Captain Brian J. Donlon: Training a "Hybrid" Warrior at the Infantry Officer Course. Small-Wars-Journal-Blog-Post, 27. Januar 2008.
  • Wolfgang Schreiber: Der neue unsichtbare Krieg? Zum Begriff der „hybriden“ Kriegsführung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Ausgabe 35–36/2016 (29. August 2016), S. 11–15 (online)
  • Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (Hrsg.): Hybride Kriege – die Ohnmacht der Gegner? Ethik und Militär 2015/2. (online)
Wiktionary: Hybrid – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Florian Schaurer: Alte Neue Kriege – Anmerkungen zur hybriden Kriegsführung (Memento vom 12. April 2016 im Internet Archive). In: Bundesministerium der Verteidigung. August 2015. (PDF)
  2. a b c d e f g h Ralph Thiele: Hybride Kriegsführung. Zukunft und Technologien. Springer-Verlag, Wiesbaden 2023, Vorwort & Kapitelexposés.
  3. Hybride Bedrohungen auf bmvg.de abgerufen am 4. Dezember 2024.
  4. John G. L. J. Jacobs, Martijn W. M. Kitzen: Hybrid Warfare, in: Oxford Bibliographies (online) nennen als früheste Belege: James N. Mattis und Frank G. Hoffman. Future Warfare: The Rise of Hybrid Wars, in: United States Naval Institute Proceedings Magazine 131.11 (2005), S. 18–19 (online; Bezahlschranke); Frank G. Hoffman: Complex Irregular Warfare: The Next Revolution in Military Affairs, in: Orbis 50.3 (2006), S. 395–411 doi:10.1016/j.orbis.2006.04.002; Frank G. Hoffman: Conflict in the 21st Century: The Rise of Hybrid Wars, Arlington, VA, Potomac Institute for Policy Studies, 2007. Jacobs und Kitzen weisen eine frühere Verwendung mit etwas abweichender Bedeutung nach: Thomas R. Mockaitis: A Hybrid War: The Indonesian Confrontation, in: British Counterinsurgency in the Post-imperial Era. Hg. v. Thomas R. Mockaitis, S. 14–44. Manchester, Manchester University Press, 1995.
  5. Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte im April. „Media monitors indicated a significant raise of propaganda on the television of the Russian Federation, which was building up in parallel to developments in and around Crimea. Cases of hate propaganda were also reported.“
  6. Gary S. Schaal: Hybride Diskurs-Beeinflussung. Angriffe auf die demokratische Öffentlichkeit durch ausländische Propaganda. In: Stephan Ruß-Mohl: Streitlust und Streitkunst. Diskurs als Essenz der Demokratie. Köln 2020, S. 348 f.
  7. Was sind hybride Bedrohungen? 29. Februar 2024, abgerufen am 3. März 2024.
  8. dpa: Kleine grüne Männchen, ein Hybridkrieg und die Probleme der Nato. In: Die Welt. 25. Juni 2014, abgerufen am 21. Februar 2015.
  9. Frank G. Hoffman: Hybrid vs. compound war. In: Armed Forces Journal. 1. Oktober 2009, archiviert vom Original am 17. September 2010; abgerufen am 11. Oktober 2015.
  10. Gerassimow in einem Artikel der russischen militärisch-industriellen Wochenzeitung WPK («Военно-промышленный курьер») Nr. 8/2013. Zitiert in „Spiel im Schatten – Putins unerklärter Krieg im Westen“. In: ARD. 4. Juli 2016, Minute 11:04
  11. Robert Helbig: Wie wir in Zukunft Krieg führen. In: Handelsblatt. 7. August 2014, abgerufen am 11. Oktober 2015.
  12. Schutz gegen hybride Bedrohungen Geschäftsdatenbank des Schweizer Parlaments, 20. Januar 2015.
  13. Weiterentwicklung der Armee – Änderung der Rechtsgrundlagen. In: Schweizerisches Parlament. 14. Sitzung 18. Juni 2015.
  14. Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Interparlamentarischen Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Gemeinsame Sicherheitsund Verteidigungspolitik zu Handen des Bundestags, 11. Juni 2015.
  15. Tom Schimmeck: Die NATO und die hybride Kriegsführung: Der Kopf als Ziel. In: Deutschlandfunk. 7. Juli 2016, abgerufen am 6. Februar 2018.