Hutzelfeuer

Aufschichtung zum Hutzelfeuer 2006 in Magdlos
Hutzelfeuer in Silges 2008
Als Hutzelhexen verkleidete heischende Jugendliche in Silges 2008
Hutzelfeuer in Burghaun 2014
Hutzelfeuer in Gläserzell 2017
Hutzelfeuer in Burghaun 2020

Das Hutzelfeuer ist eine regionale Variante der Winterverbrennung in Mittel-, Ost- und Nordhessen und in Thüringen mit Schwerpunkt in der Rhön. Üblicher Termin ist der Hutzelsonntag, der erste Sonntag der Fastenzeit (Invocabit), örtliche Abweichungen sind aber möglich. Im katholisch geprägten Fuldaer Land hat es den alten Brauch des Johannisfeuers verdrängt[1] und wird zum Teil auch in Dörfern in Südungarn (südöstliches Transdanubien) ausgeübt, in denen sich ab 1720 Siedler aus dem Hochstift Fulda (die sogenannten Stiffoller) niedergelassen hatten.[2]

Bis 1919 war diese Tradition lange Zeit kirchlich verboten, da nach dem langen Winter und der Fastnacht weitere Ausschweifungen in der Fastenzeit befürchtet wurden. In Bischofsheim in der Rhön wird der „Fackelsonntag“ am 4. Fastensonntag (Laetare) gefeiert. Manche Quellen sehen den Ursprung des Hutzelfeuers als Frühjahrsfeuer in sogenannten Lätarebräuchen[3] (vgl. auch Todaustragen), andere als „erweiterten“ Fastnachtsbrauch.[4]

Begriffsherkunft

Der Begriff Hutzelfeuer leitet sich von den Hutzeln ab, einer regionalen Bezeichnung für gedörrte Birnen und Zwetschgen, die traditionell an diesem Tag gegessen wurden.[5] Andere Quellen berichten, dass sogenannte Hutzeln – nebst Kräppel und anderen Beigaben[6] – den heischenden Kindern oder Burschen abgegeben wurden, die Brennmateralien wie Stroh für das Feuer sammelten.[7]

In manchen Orten der Rhön gehen auch im 21. Jahrhundert noch Schulkinder, die bereits die Kommunion empfangen haben, Jugendliche oder Burschen als „Hutzelhexen“ verkleidet von Haus zu Haus und fordern die Bewohner auf, ihnen „Hutzeln“ (gerne auch in pekuniärer Form) zu geben, weil sie sonst zum Beispiel mit Stöcken gegen die Tür schlagen oder einen Spottvers schreien.[2][8]

Geschichte

Nach Otto Mahr liegen nur aus der jüngsten Zeit Belege vor, obwohl der Brauchtum Elemente enthält, die in den vorchristlichen Zeiten wurzeln. Erste Zeugnisse stellen die Feuerräderverbote aus den Jahren 1768–76 bzw. 1786 dar. In der Literatur wird der Hutzelsonntag erst im 19. Jahrhundert erwähnt, die erste bedeutende Darstellung stammt von Jäger aus dem Jahre 1803 (MAHR 1938, 19; 1939, 11–12, 39).[9]

In den „Physikatsberichten“ der Landgerichte Weyhers und Hilders aus dem Jahr 1861 wurde als Brauch am Hutzelsonntag noch beschrieben, dass die Jugend abends mit ungefähr drei Meter langen Holzstangen, bei denen am oberen Ende brennende Strohbüschel befestigt waren, auf die umliegenden Hügel zog, bevorzugt dort, wo frische Saatfelder angelegt waren, oder rund um die Gemarkung. Dörrobst und Kräppel werden dort auch schon erwähnt.[10]

Gegenwart

Heutzutage wird das Hutzelfeuer auf einen aufgeschichteten Reisighaufen entfacht, für den an einigen Orten die nicht mehr benötigten Weihnachtsbäume eingesammelt werden. Das Feuer soll den durch eine oben aufgestellte Hutzelpuppe (auch Hutzelhexe oder Hutzelmann genannt) symbolisierten Winter vertreiben. Das Hutzelfeuer wird heute meist von Vereinen aufgebaut, beispielsweise Jugendfeuerwehr, Sportvereinen oder anderen Jugendverbänden.

Seit 2012 gibt es in Hessen ein Orientierungspapier für Brauchtumsfeuer[11], was zum Teil zu politischen Kontroversen führte.[12] Das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz stellte 2014 klar, dass die Kommunen eine solche Handreichung gefordert hätten und dass das Papier nur Hilfestellungen biete, um „Klarheit für die Städte und Gemeinden bei den Anforderungen zur Anzeige, Durchführung und Gefahrenabwehr von so genannten „Brauchtumsfeuern“ zu schaffen“.[13]

Siehe auch

Feuerbrauchtum

Commons: Hutzelfeuer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gottfried Rehm: Leben in der Rhön - Beiträge zur Rhöner Geschichte und Volkskunde. Videel 2003, S. 64; vgl.: Google Books
  2. a b Katharina Wild: Der Hutzelsonntag in Südungarn (I) Hutzelsingen, Hutzellieder, Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen auf der Website Sulinet.hu, abgerufen am 19. Februar 2018
  3. Josef Dünninger, Horst Schopf: Die Plassenburg Band 30, Freunde der Plassenburg S. 315; online in Google Bücher
  4. Adolf Strack, Karl Helm, Hugo Hepding: Hessische Blätter für Volkskunde, Bände 39-41 W. Schmitz Verlag, 1941; S. 100; online in Google Bücher
  5. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache; Walter de Gruyter 1967 S. 323; online in Google Bücher
  6. Fuldaer Geschichtsverein: Veröffentlichung des Fuldaer Geschichtsvereins, Band 49; Band 17 von Quellen und Abhandlungen zur Geschichte der Abtei und der Diözese Fulda. Parzeller 1971, S. 56; online in Google Bücher
  7. Deutsche Landschaft, Band 1. Burkhard-Verlag 1956, S. 78; online in Google Bücher
  8. Heimat und Geschichtsverein Silges (Hrsg.): 700 Jahre Silges. Ein Dorf im Wandel der Zeiten. Nüsttal. Ortsteil Silges. 2000. S. 135. f.
  9. Mahr, Otto: Zur Geschichte des Hutzelsonntags. In: BuBl 1938, S. 19.
  10. Thomas Heiler, Klaus Reder, Willy Kiefer: Die Landgerichte Hilders und Weyhers um 1860. Institut für Deutsche Philologie, Würzburg, 2005, Seiten 93 und 153.
  11. Orientierungshilfe zum Brauchtumsfeuer (Memento vom 21. Februar 2018 im Internet Archive) des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, abgerufen am 21. Februar 2018
  12. Hessen beharrt auf Orientierungshilfe für Brauchtumsfeuer (Memento vom 21. Februar 2018 im Internet Archive), Frankfurter Neue Presse vom 7. März 2014
  13. Waldbrandgefahr: Brauchtumsfeuer. In: landwirtschaft.hessen.de. Abgerufen am 26. September 2024.