Von 1973 bis 2000 war Bosetzky Professor für Soziologie an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege der Stadt Berlin.[2] Er gilt in der Organisationstheorie als ein Hauptvertreter des Ansatzes der Mikropolitik. Dieser Ansatz betont besonders die Rolle von Macht in der Organisation. Er prägte die Organisationsforschung besonders durch die Zusammenfassung mikropolitischer Prozesse in der Organisation in prägnanten Begriffen wie die kameradschaftliche Bürokratie, das Don-Corleone-Prinzip[3] oder den Prinz-von-Homburg-Effekt.
Literarisches Schaffen
Bosetzkys literarische Schwerpunkte waren Kriminalromane sowie historische Romane mit Bezügen zu seiner Heimatstadt Berlin und der eigenen Biographie.[1] Er nutzte zuweilen die fiktive norddeutsche Kleinstadt Bramme als kleinbürgerlich-dominantes Reihenhausmilieu, in dem er einige seiner Protagonisten des Öfteren auftreten ließ. Bosetzky erklärte dazu: „Ich wollte Karriere machen bei Hans Koschnick im Stab und deshalb die Stadt nicht belasten. Deshalb habe ich den Ort Bramme erfunden, der die soziale Wirklichkeit von Bremen hat.“[2] Es folgten, parallel zu seiner Fachhochschullaufbahn, viele weitere literarische Werke.
Im Jahr 1971 legte Bosetzky seinen ersten Kriminalroman vor. Bereits dort nutzte er, wie für die nachfolgenden, aus Rücksicht auf seine berufliche Position an einer Hochschule, das Pseudonym „‑ky“. Unter diesem ließ er in einer großen Anzahl seiner Krimis Oberkommissar Mannhardt die Rolle des Ermittlers einnehmen. Wenn auch unter Pseudonym, so doch den Soziologen nicht verleugnend, sind gerade seine ersten Kriminalromane dem Zeitgeist der 1970er-Jahre verpflichtet und formulieren im „linken“ JargonGesellschaftskritik. Horst Bosetzky wurde damit neben Hansjörg Martin, Richard Hey und Michael Molsner stilbildend für die so genannten Sozio-Krimis, die sich in jener Dekade als neue deutsche Krimis von anderer Kriminalliteratur abzuheben und neben der reinen Unterhaltung auch die besonderen sozialen Hintergründe der handelnden Personen sowie allgemeine Aspekte der gesamtgesellschaftlichen Situation und deren Auswirkungen zu beleuchten suchten.
Ein weiterer literarischer Schwerpunkt ergab sich aus seiner Verbundenheit mit Berlin. So begann er 1995 mit dem Roman Brennholz für Kartoffelschalen eine mehrbändige Familiensaga, in der sich autobiographische Elemente des Autors mit der allgemeinen Zeitgeschichte verbinden. Zu dem im frühen 20. Jahrhundert beginnenden und bis in die 1980er reichenden, in Berlin spielenden KettenromanEs geschah in Berlin des Jaron Verlags, mit der Hauptfigur Kriminalkommissar Kappe (später sein Neffe, dann dessen Sohn), trug Bosetzky elf der 35 Bände bei. Seine Berlin(be)kenntnisse finden sich darüber hinaus in Geschichten über die Berliner Straßen-, S- und U-Bahn, sowie dem Nachschlagewerk Das Berlin-Lexikon (zusammen mit Jan Eik).
Bosetzkys Erinnerungen an seine Kindheit im Berlin der Nachkriegsjahre: ‑ky’s Berliner Jugend – Erinnerungen in Wort und Bild, in Zusammenarbeit mit der Fotografin Rengha Rodewill, wurden 2014 veröffentlicht.[4] 2017 erschien ein achtteiliges Video-Interview über seine Erinnerungen an Kindheit und Jugend in der Reihe Berliner Kindheiten[5], 2018 der 20-minütige Porträtfilm Bosetzky (Regie: Kristof Kannegießer).[6]
Von 1991 bis 2001 war Bosetzky Vorsitzender und Sprecher des Syndikats, der Vereinigung deutschsprachiger Krimiautoren. Ebenso gehörte er 2002 zu den Gründungsmitgliedern des bundesweiten Autorenkreises Historischer RomanQuo Vadis, dessen erste Vollversammlung im November 2002 in Kulmbach stattfand.[9] Er war Mitglied im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) und vom Mai 2000 bis Juni 2014 Vorsitzender des Landesverbandes VS Berlin.
Ich glaub’, mich tritt ein Schimmel. (Geschichten aus dem Amt für Bürgersorgen, als ‑ky), Rowohlt (rororo-Tomate 5687), Reinbek 1986, ISBN 978-3-499-15687-8.
Dich reitet wohl der Schimmel. (Neue Geschichten aus dem Amt für Bürgersorgen, als ‑ky), Rowohlt (rororo-Tomate 5890), Reinbek 1987, ISBN 978-3-499-15890-2.
Noch jemand ohne Fahrschein? – Straßenbahn-Erinnerungen (mit Alfred B. Gottwaldt). Jaron Verlag, Berlin 1997, ISBN 978-3-932202-16-2.
Das Berlin-Lexikon. Was man wirklich über die Hauptstadt wissen muß: von Allex bis Zimtzicke., (mit Jan Eik). Jaron, Berlin 1998, ISBN 978-3-932202-57-5.
Tegel. Zurückbleiben bitte! – U-Bahn Erinnerungen (mit Uwe Poppel). Jaron, Berlin 1999, ISBN 978-3-89773-000-7.
Berlin wie es lacht und lästert – Neue Berliner Zehn-Minuten-Geschichten. Jaron, Berlin 2005, ISBN 978-3-89773-521-7.
Herz und Schmerz – Berliner Zehn-Minuten-Geschichten. Jaron, Berlin 2006, ISBN 978-3-89773-546-0.
Ran an’n Sarg und mitjeweent. Acht-Minuten-Geschichten. Eulenspiegel, Berlin 2010, ISBN 978-3-359-02276-3.
Die schönsten Berliner Zehn-Minuten-Geschichten. Jaron, Berlin 2011, ISBN 978-3-89773-636-8.
Die schrägsten Berliner Zehn-Minuten-Geschichten. Jaron, Berlin 2013, ISBN 978-3-89773-726-6.
Sachliteratur
Mord und Totschlag bei Fontane. Jaron Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-932202-28-7.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen
Fachbücher
Grundzüge einer Soziologie der Industrieverwaltung. Möglichkeiten und Grenzen der Betrachtung des industriellen Grossbetriebes als bürokratische Organisation. Dissertation, Freie Universität Berlin, Enke, Stuttgart 1970.
mit Jochen Schulz zur Wiesch, unter Mitarbeit von Jörg Adomeit: Mythos S-Bahn und anderes über die Alternativen zum MIV (Publikationen der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege 71, Staat und Gesellschaft). Fachschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin 1990, ISBN 3-926478-34-9.
mit Peter Heinrich, Jochen Schulz zur Wiesch: Mensch und Organisation, Aspekte bürokratischer Sozialisation. Eine praxisorientierte Einführung in die Soziologie und Sozialpsychologie der Verwaltung(6. Aufl.) Kohlhammer, Deutscher Gemeindeverlag, Stuttgart, Köln 2002, ISBN 978-3-555-01238-4.
FachartikelMitautor und -herausgeber
Projektgruppe Organisationswesen und Verwaltungsreform: Organisationssoziologische Untersuchung der bremischen Verwaltung. Senatskanzlei der FHSB, Bremen 1972.
Soziologie. Eine Einführung für Angehörige des öffentlichen Dienstes. Zus. mit Klaus-Dieter Fischer und Hans-J. Tiefensee. Herford: Maximilian 1975.
Der „Regionale Sozialdienst“ (RSD) Kreuzberg – Ein Beispiel von Modernität in der Öffentlichen Verwaltung. Zus. mit Peter Heinrich (Hrsg.). (Publikationen Bd. 77) Berlin: FHSVR 1992.
Alleinautor
Bürokratische Organisationsformen in Behörden und Industrieverwaltungen. In: Renate Mayntz (Hrsg.), Bürokratische Organisation, Köln/Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1968, 179–188.
Die „kameradschaftliche Bürokratie“ und die Grenzen der wissenschaftlichen Untersuchung von Behörden, in: Die Verwaltung, 4. Jg. 1971, 325–335.
Die instrumentelle Funktion der Beförderung, in: Verwaltungsarchiv, 63. Jg. 1972, 372–384.
Über das Ausmaß von Entfremdung in der Öffentlichen Verwaltung. Die öffentliche Verwaltung, 26. Jg. 1973, 302–309.
Interne Machtverteilung und Chancen von organisatorischen Änderungen, in: Zeitschrift für Organisation, 1973, 219–227.
Das Don Corleone-Prinzip in der öffentlichen Verwaltung, in: Baden-Württembergische Verwaltungspraxis, 1. Jg. 1974, 50–53.
Das Verdrängen bürokratischer Elemente als Organisationsnotwendigkeit. Die Verwaltung 7. Jg. 1974, 23–37.
„Dunkelfaktoren“ bei Beförderungen im Öffentlichen Dienst. Die Verwaltung 1974, 7, 427–438.
Zur Erzeugung von Eigenkomplexität in Großorganisationen, in: Zeitschrift für Organisation 1976, 279–285.
Machiavellismus, Machtkumulation und Mikropolitik, in: Zeitschrift für Organisation 1977, 121–125.
Bürokratisierung in Wirtschaft und Unternehmen. In: Heiner Geißler (Hrsg.), Verwaltete Bürger – Gesellschaft in Fesseln. Frankfurt/M.: Ullstein 1978, 55–71.
Selbstverständnis und Ansehen des öffentlichen Dienstes. In: Eberhard Laux (Hrsg.), Das Dilemma des öffentlichen Dienstes. Bonn: Dt. Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaft 1978, 105–127.
Innovative Bürokratie. Die Öffentliche Verwaltung, 32. Jg. 1979, 194–201.
Bürokratie. In: E. Grochla (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation. Stuttgart: Poeschel 1980, Sp. 386–392.
Forms of Bureaucratic Organization in Public and Industrial dministration – Trends in the Federal Republic of Germany, in: Social Science Information, vol. 19 (1980), 107–137.
Macht und die möglichen Reaktionen der Machtunterworfenen. In: G. Reber (Hrsg.), Macht in Organisationen. Stuttgart: Poeschel 1980.
Organisationsklima. In: H. Strutz (Hrsg.), Handwörterbuch der Verwaltung und Organisation. Köln: Deutscher Gemeindeverlag; Kohlhammer 1982, 347–352.
Systemimmanente Grenzen einer planvollen Verwaltungsführung. In: A. Remer (Hrsg.), Verwaltungsführung. Berlin/New York: de Gruyter 1982, 219–230.
Führung in der Bürokratie. In: A. Kieser, G. Reber, R. Wunderer (Hrsg.), Handwörterbuch der Führung. Stuttgart: Poeschel 1987, 128–136.
Mikropolitik, Machiavellismus und Machtkumulation. In: W. Küpper u. G. Ortmann (Hrsg.), Mikropolitik. Opladen: Westdt. Verlag 1988, 27–37.
Managementrolle: Mikropolitiker. In: W. H. Staehle (Hrsg.), Handbuch Management. Die 24 Rollen der Führungskraft. Wiesbaden: Gabler 1991, 286–300.
Ordnung ist das halbe Leben – und die andere Hälfte? Über die Lust am Stören von Ordnung und die Boykottstrategien desinteressierter Organisationsmitglieder. In: Verwaltungsführung – Organisation – Personal, 13. Jg. (1991), 271–275.
Widerstände gegen Integrationsbemühungen. Organisationsentwicklung (Spezial 1: Integration – Modelle der Integration in Wirtschaft, Staat, Gesellschaft). Zürich 1992.
Bürokratische Sozialisation in den Zeilen des Wertewandels. In: H. U. Derlien et al. (Hrsg.), Systemrationalität und Partialinteresse. Festschrift für Renate Mayntz zum 65. Geburtstag. Baden-Baden: Nomos 1994, 99–122.
„Was nicht ist, kann nie werden“ – Über Möglichkeiten und Grenzen der Veränderung von Verwaltungsapparaten (Organisationsentwicklung, Spezial 2, Veränderungsstrategien im Non-Profit-Bereich). Basel 1994.
Führung in der Bürokratie. In: A. Kieser, G. Reber, R. Wundere: Handwörterbuch der Führung. Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1995, S. 182–192.
Mikropolitik und Führung. In: dies. (Hrsg.): Handwörterbuch der Führung. Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1995, S. 1517–1526.
Auszeichnungen
1980: Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman für Kein Reihenhaus für Robin Hood
1988: Prix Mystère de la critique für den besten ausländischen Kriminalroman in französischer Sprache – Kein Reihenhaus für Robin Hood
2018: Humboldt-Medaille des Bezirks Berlin-Reinickendorf[13]
Literatur
Autorenporträt in Rudi Kost: Tödliche Beziehungen. Diana Verlag, Zürich 1984.
Peter Heinrich und Jochen Schulz zur Wiesch (Hrsg.): Wörterbuch der Mikropolitik. Eine Festschrift für Horst Bosetzky. Leske & Budrich, Leverkusen 1998, ISBN 3-8100-2013-3.
Peter Hüne (Hrsg.): Zwischen Bramme und Berlin – (Horst Bosetz)‑ky zum 60.Geburtstag. Jaron Verlag, Berlin 1998.
Horst Bosetzky: Mein Berlin, Essay mit redaktionell vorangestelltem Nachruf in Süddeutsche Zeitung vom 17. September 2018, online unter sueddeutsche.de
Johannes Zillhardt: Horst Bosetzky. In: Berliner Kindheiten. 16. Oktober 2017; abgerufen am 17. September 2018 (8 Video-Interviews, je 1–3 Minuten).
Horst Bosetzky. In: Literatur PORT. Abgerufen am 12. November 2020
H. P. Karr: -ky. In: Lexikon der deutschen Krimiautoren. 22. Januar 2011; abgerufen am 17. September 2018.
↑ abMein Berlin. In: Süddeutsche Zeitung, 17. September 2018. Es handelte sich um die private (Geburts-)„Klinik Dr. Tismer“ in der Lindenstraße 34, siehe auch Horst Bosetzkys Erlebnisbericht West-Berlin. Erinnerungen eines Inselkindes. Jaron, Berlin 2013, ISBN 978-3-89773-708-2, S. 15; zur einzigen Klinik in der Lindenstraße (Nr. 34): Urte Verlohren: Krankenhäuser in Groß-Berlin. Die Entwicklung der Berliner Krankenhauslandschaft zwischen 1920 und 1939. Be.bra wissenschaft, Berlin 2019, ISBN 978-3-947686-26-1, S. 304.
↑ abHendrik Werner: Tatort Bramme. In: Weser-Kurier vom 1. Februar 2018, S. 23.
↑Sighard Neckel/Monica Titton: Eine Hand wäscht die andere. Horst Bosetzky: »Das Don-Corleone-Prinzip in der öffentlichen Verwaltung« In: Sighard Neckel, Ana Mijić, Christian von Scheve, Monic Titton: Sternstunden der Soziologie. Wegweisende Theoriemodelle des soziologischen Denkens, Campus-Verlag, Frankfurt am Main/New York 2010, ISBN 978-3-593-39181-6, S. 253–267.
↑Gründung. Quo Vadis – Autorenkreises historischer Roman, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Januar 2012; abgerufen am 17. Juli 2018.
↑Biographie. In: horstbosetzky.de. 2. September 2006, archiviert vom Original am 18. September 2018; abgerufen am 14. September 2018.
↑Auskunft des Bundespräsidialamtes vergeben am 26. Oktober 2004