Herbert-Baum-Gruppe

Gedenkstein der Widerstandsgruppe Standort: Am Lustgarten (Mitte)
Stolperstein Lotte Rotholz

Die Herbert-Baum-Gruppe war eine jüdisch-kommunistische Widerstandsgruppe in der Zeit des Nationalsozialismus in Berlin.

Geschichte

Gedenktafel Martin und Sala Kochmann in der Gipsstraße 3

Die Gruppe wurde 1936 von Herbert Baum gegründet.[1] In dieser Zeit entstanden viele kommunistische Widerstandsgruppen in Berlin, die fast alle miteinander in Verbindung standen.[1] Die meisten Mitglieder kannten sich aus der Jüdischen Jugendbewegung. Den Kern dieser Gruppe bildeten Herbert Baum, seine Frau Marianne Baum, Martin Kochmann und dessen Frau Sala Kochmann.[2][3] Zeitweilig umfasste die Gruppe etwa 100 Mitglieder. Die Herbert-Baum-Gruppe arbeitete und finanzierte sich völlig eigenständig.[1]

Die Gruppe erstellte Flugblätter und Untergrundzeitungen.[1] Zudem unterstützte sie jüdische Zwangsarbeiter und half Juden beim Untertauchen, um ihre Deportation zu verhindern. Intern wurden zahlreiche politische Diskussionen geführt und die kulturelle Arbeit gepflegt.

Im Oktober 1940 führten die Antifaschisten auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee eine Aktion durch. Rudi Arndt, ein jüdisches KPD-Mitglied, war im Mai 1940 im KZ Buchenwald von den Nazis ermordet worden. Ihm zu Ehren organisierten sie dort eine Beisetzungsfeier mit ca. 50–60 Teilnehmern. Wie durch ein Wunder hatte es für die Teilnehmer keinerlei Folgen.

In Brainstormings diskutierten mehrere Mitglieder gemeinsam über den Inhalt der Flugblätter und Untergrundzeitungen, wobei Juden in Deutschland damals die Benutzung einer Schreibmaschine nicht erlaubt war.[4][1] Dieses Problem lösten zwei „arische“ Gruppenmitglieder, die während der Arbeitszeit die Texte heimlich auf einer Schreibmaschine im Keller von Herbert Baum zu Papier brachten.[1] Die Flugblätter wurden entweder postalisch verbreitet[1] oder gezielt an Angehörige bestimmter Berufsgruppen verteilt.

Angesichts der hohen Kosten für die verschiedenen Aktionen, für das Papier, für einen Kopierapparat und die Matrizen beging die Gruppe Diebstähle.[1][4] Die Mitglieder mussten sogar einen Teil ihres erarbeiteten Einkommens spenden.[1] Im Laufe des Krieges wurde das Papier immer knapper und immer begehrter, was den Preis zusätzlich in die Höhe trieb.

Stolperstein für Siegbert Rotholz

Am 17. Mai 1942[5] (oder 18. Mai 1942[6]) führten sie einen Brandanschlag auf die Ausstellung „Das Sowjet-Paradies“ durch, eine antisowjetische Propagandaschau der Nazis im Berliner Lustgarten.[7][1][4][5] Wenige Tage später wurde die Widerstandsgruppe aufgedeckt und die meisten Mitglieder wurden verhaftet.

Hinrichtungen, Ermordungen und Überlebende

Viele Mitglieder wurden in den Jahren 1942 und 1943 in der Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee hingerichtet, darunter Marianne Baum, Heinz Birnbaum, Adolf Bittner, Herbert Budzislawski, Joachim Franke (Denunziant?), Felix Heymann, Hella Hirsch, Hildegard „Hilde“ Jadamowitz, Arthur Illgen, Heinz Joachim, Marianne Joachim, Martin Kochmann, Sala Kochmann, Karl Kunger, Hildegard Löwy, Hans-Georg Mannaberg, Gerhard Meyer, Hanni Meyer, Helmut Neumann, Heinz Rotholz, Siegbert Rotholz, Werner Schaumann, Werner Steinbrinck, Hans-Georg Vötter und Suzanne Wesse.

Andere wurden bis zum Kriegsende in den Vernichtungslagern im Osten ermordet.

Im KZ Auschwitz starben Kurt Bernhardt, Edith Fraenkel, Alice Hirsch und Lotte Rotholz.

Der Leiter der Gruppe, Herbert Baum, wählte im Juni, kurz nach der Festnahme am 22. Mai 1942, im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit den Suizid.[1][4]

Folgende Mitglieder haben den 2. Weltkrieg überlebt: Herbert Ansbach, Lisa Behn (geb. Attenberger), Hans Fruck, Ilse Haak, Charlotte Holzer, Richard Holzer, Franz Krahl, Willi May, Walter Sack, Alice Zadek, Gerhard Zadek und Ismar Zöllner.

Siehe auch

Literatur (Herbert-Baum-Gruppe und Jüdischer Widerstand)

  • Stephan Hermlin: Die erste Reihe. Verlag Neues Leben, Berlin 1951, S. 165 ff.
  • Günther Weisenborn (Hrsg.): Der lautlose Aufstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des deutschen Volkes 1933–1945. Rowohlt, Hamburg 1953
  • Wolfgang Wippermann: Die Berliner Gruppe Baum und der jüdische Widerstand, Berlin 1981
  • ASTA der TU Berlin (Hrsg.): Die Berliner Widerstandsgruppe um Herbert Baum. Informationen zur Diskussion um die Benennung des Hauptgebäudes der TU Berlin, Berlin 1984
  • Konrad Kwiet / Helmut Eschwege: Selbstbehauptung und Widerstand. Deutsche Juden im Kampf um Existenz und Menschenwürde, 1933–1945, Hamburg 1984, S. 114–139
  • Margot Pikarski: Jugend im Berliner Widerstand. Herbert Baum und Kampfgefährten. 2. berichtigte Auflage, Berlin 1984 (1. Auflage 1978)
  • Eric Brothers: Anti-Fascist Resistance of German Jews. In: Leo Baeck Institute Year Book. Vol. XXXII. 1987, S. 369–382
  • Hermann Graml: Reichskristallnacht. Antisemitismus und Judenverfolgung im Dritten Reich, München 1988
  • Wilfried Löhken / Werner Vathke (Hrsg.): Juden im Widerstand. Drei Gruppen zwischen Überlebenskampf und politischer Aktion, Berlin 1933–1945, Berlin 1993
  • Arno Lustiger: Zum Kampf auf Leben und Tod! Vom Widerstand der Juden 1933–1945. Köln 1994
  • Arnold Paucker: Deutsche Juden im Widerstand im Kampf um Recht und Freiheit. Studien zur Abwehr, Selbstbehauptung und Widerstand der deutschen Juden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, Teetz 2004 (mit einer Einführung von Reinhard Rürup), S. 183–289
  • Regina Scheer: Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe. Berlin 2004
  • Autorenkollektiv: Zum Kampf gegen den Antisemitismus (Teil 1), Vor aller Augen: Das Novemberpogrom 1938, Offenbach 2007
Commons: Gruppe Herbert Baum – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k Gedenkstätte Deutscher Widerstand - Biografie. Abgerufen am 10. Oktober 2021.
  2. Scheer, Regina.: Im Schatten der Sterne : eine jüdische Widerstandsgruppe. Aufbau-Verlag, 2004.
  3. Baum-Kochmann-Gruppe. In: Antifaschistinnen aus Anstand. Abgerufen am 18. September 2022.
  4. a b c d Was konnten Sie tun - Themen. Abgerufen am 10. Oktober 2021.
  5. a b Station 14. Abgerufen am 10. Oktober 2021.
  6. Simone Erpel: „Aber die Hoffnung bleibt“. In: Die Tageszeitung: taz. 19. Mai 1992, ISSN 0931-9085, S. 5 (taz.de [abgerufen am 10. Oktober 2021]).
  7. Wolfgang Scheffler: Der Brandanschlag im Berliner Lustgarten im Mai 1942 und seine Folgen. In: Jahrbuch des Landesarchivs Berlin. 1984, S. 91–118