Helena Steinhaus wuchs in Bochum und Witten[1] als Tochter einer alleinerziehenden Mutter auf, die als Erzieherin arbeitete und zeitweise erwerbslos war.[2] Sie studierte Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Sozialwissenschaften und Linguistik in Frankfurt (Oder) an der Europa-Universität Viadrina.[3] Seit 2008 lebt sie in Berlin, dort gründete sie 2015 gemeinsam mit anderen den Verein Sanktionsfrei und ist dessen Geschäftsführerin. Der Verein unterstützt Hartz-IV-Empfänger, die von einer Sanktion betroffen sind. Steinhaus ist Mutter von Zwillingen (* 2020).[4]
Positionen und Rezeption
Steinhaus setzt sich für ein Ende von Hartz-IV-Sanktionen und für eine bedingungslose Grundsicherung ein[5][6] und will Hartz IV ent-stigmatisieren. Bei ihrem Engagement für den Verein Sanktionsfrei verweist sie auf eigene Erfahrungen. In ihrer Jugend waren sie und ihr Bruder zeitweise von Hartz IV betroffen,[7] als ihre Mutter nach jahrelanger Festanstellung einen Burn-out erlitt und längere Zeit nicht arbeiten konnte. Auch nach Abschluss ihres Studiums bezog sie zwei Mal Hartz IV, da sie nur saisonweise arbeitete und im Winter ohne Erwerbsarbeit war.[2][8] Aus dieser Zeit habe sie miterlebt, welcher Druck auf Leistungsbeziehende ausgeübt werde und von welcher Stigmatisierung diese betroffen seien.[9] Sie würden oft für arbeitsunwillig bzw. für selbst schuld an ihrer Situation gehalten und würden so zum „Sündenbock der Leistungsgesellschaft“.[10] Die Stigmatisierung führe ihrer Ansicht nach dazu, dass Empfänger von Hartz IV „ihre Situation oft geheim“ hielten.[11] Die Sanktionen hält sie für das „Kernproblem“ von Hartz IV. Auch bereits die Androhungen von Sanktionen übe großen psychischen Druck auf die Betroffenen aus.[9] Sie kritisiert ferner die niedrigen Regelsätze: „Um die Würde des Einzelnen zu wahren, braucht es vor allem einen höheren Regelsatz“.[12]
Einem breiteren Publikum wurde sie durch zahlreiche Medienauftritte bekannt,[13][14][15][16] darunter auch in der politischen Interview-Sendung Jung & Naiv[17] von Tilo Jung. Als das Bundesverfassungsgericht einige Sanktionen 2019 für verfassungswidrig erklärte, kommentierte Steinhaus das Urteil in mehreren Medien.[18][19] Sie gilt als Expertin und Kritikerin des Bürgergeldes, das ab 2023 Hartz IV ersetzen soll.[20][21] Die Frankfurter Rundschau nannte sie 2020 „Die Hartz-4-Hackerin“ bezugnehmend auf ihre Vision, mithilfe des Vereins Sanktionsfrei den im Sozialsystem vorgesehenen Druck auf Erwerbslose zu beseitigen.[22] In der Sendung Frau tv im WDR wurde ihr Werdegang als „Heldengeschichte“ bezeichnet.[23] Sie war 2020 für den durch Edition F zusammen mit Zeit Online und dem Handelsblatt vergebenen 25 Frauen Award nominiert, bevor dieser durch den Rücktritt einiger Nominierter abgesagt wurde.[24] In Brigitte wurde Steinhaus 2022 als „Macherin“ porträtiert für ihren Vorstoß, „Hartz IV-Sanktionen den Schrecken [zu] nehmen.“[8] Am 12. September 2022 war sie zu Gast in der Bundespressekonferenz, wo sie die Studie „Hartz-Plus“ vorstellte und Handlungsempfehlungen für das künftige Bürgergeld gab.[25][26]
↑Tobias Kaiser: Aus Hartz IV wird Hartz plus. In: Die Welt. 6. Dezember 2018, S. 19
↑Jörg Wimalasena: „Für mich sind das neue Worte für das Gleiche“: Ein neuer Begriff, ein Jahr lang keine Sanktionen. Überwindet das „Bürgergeld“ der Ampelkoalition wirklich Hartz IV? Sozialaktivistin Helena Steinhaus ist skeptisch. In: Die Tageszeitung, 26. November 2021, S. 7
↑Martin Rücker: Armutsspirale. Warum in Deutschland Kinder hungern und die Bundesregierung heute schon die Armut von morgen fördert. In: ders.: Ihr macht uns krank. Die fatalen Folgen deutscher Ernährungspolitik und die Macht der Lebensmittellobby. Econ Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-430-21070-6, S. 23.
↑Alina Leimbach: Kampagne gegen Klischees über Hartz-IV: Arbeiten wollen fast alle. In: Die Tageszeitung. 7. Juli 2020, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 2. September 2022]).
↑Jörg Wimalasena: Aktivistin über Bürgergeld-Pläne: „Neue Worte für das Gleiche“. In: Die Tageszeitung: taz. 26. November 2021, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 2. September 2022]).