Zatschek wurde als Sohn eines Marinebeamten und nachmaligen Bankangestellten und dessen Frau, die aus einer Juristenfamilie stammte, in Wien geboren. Die historische Bibliothek seines Großvaters weckte sein Interesse an Geschichte. Er besuchte das Gymnasium Wien XIII (Hietzing) und studierte ab 1919 Geschichte an der Universität Wien. Außerdem absolvierte er von 1921 bis 1923 den 33. Kurs am Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Wien (Staatsprüfung). 1923 wurde er bei Oswald Redlich mit der Dissertation Die Operationen Bonapartes in Italien gegen die österreichischen Erblande 1797 zum Dr. phil.promoviert.
Zatschek wurde 1930 tschechoslowakischer Staatsbürger.[3] Am 24. April 1938 trat Zatschek in die Sudetendeutsche Partei ein, dann am 1. April 1939 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 7.077.889),[4] außerdem war er Mitglied des NS-Dozentenbundes. In der Folge bemühte sich der als „aufrichtiger Parteigenosse“ eingeschätzte Zatschek um eine völkisch ausgerichtete Geschichtsschreibung, um zum Beispiel den Anteil der Deutschen am Machtapparat der Přemysliden zu bestimmen oder den Nachweis zu erbringen, dass es im Mittelalter keinen tschechischen „Volksboden“ gegeben habe. Zwischen 1938 und 1942 wechselte Zatscheck mehrfach zwischen Wien (1941/42 war er als Nachfolger von Hans Hirsch ordentlicher Professor) und Prag hin und her, um schließlich in Prag wieder seinen Lehrstuhl einzunehmen und dort als Abteilungsleiter für Philologie und Geschichte an der Reinhard-Heydrich-Stiftung zur Assimilation der Tschechen[5] mitzuarbeiten,[1] in der er zusammen mit Anton Ernstberger das Landesgeschichtliche Institut für Böhmen und Mähren leitete.[6] 1944/45 war er Archivleiter der Prager Universität. 1945 wurde er außer Dienst gestellt.
Von 1936 bis 1945 war er Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik (bzw. der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Prag).
Archivar und Dozent in Wien
Zatschek kehrte nach Österreich zurück und war von 1945 bis 1957 Angestellter des Stadtarchivs Wien und wissenschaftliche Hilfskraft in der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft. 1955 wurde er Universitätsdozent für Historische Hilfswissenschaften, Geschichte des Mittelalters und Wirtschaftsgeschichte an seiner Alma Mater in Wien.[7] 1954 wurde er ordentliches Mitglied der Historischen Kommission der Sudetenländer und Mitglied der Südostdeutschen Historischen Kommission (ab 1957).
Zatschek hielt noch lange in der Nachkriegszeit an seiner Weltanschauung fest. So zeigte er sich in einem Brief an Theodor Mayer im Jahr 1962 darüber erbost, dass das Collegium Carolinum (Mitglied 1959–1964) gebürtige Tschechen einstellte und empörte sich über Ferdinand Seibt, weil dieser den „Hussitismus“ als „Kulturepoche“ bezeichnet und damit den „völkischen Standpunkt“ verraten habe.[8]
„Wenn nun, nicht ohne Zögern, der Beschluss gefasst wurde, das Heeresmuseum wieder aufzubauen, dann gehörte dazu bei der Direktion wie bei den Stellen, die den Wiederaufbau finanzieren mussten, ein unerschütterlicher Glaube an die Zukunft Österreichs, sonst hätte der kleine, vorerst um alle Hilfsquellen gebrachte Staat diese Bauvorhaben nicht in Angriff nehmen dürfen.[10]“
– Heinz Zatschek
Werk
Zatscheks wissenschaftliches Werk gilt als „reich und mannigfaltig“ (Otto Brunner). Es war ursprünglich geprägt von hilfswissenschaftlichen Untersuchungen, insbesondere der Urkundenlehre. Zahlreiche Beiträge erschienen von 1929 bis 1942 in den Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Später erweiterte er seine Tätigkeit um die Erforschung der Geschichte Böhmens und Mährens. Nach 1945 widmete er sich gewerbegeschichtlichen Studien.[11]
Um den ideologischen Anforderungen im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren unter Reinhard Heydrich zu genügen, arbeitete Zatschek auch mit dezidierten „Rasseforschern“ wie Karl Valentin Müller zusammen, mit dem er 1941 die Studie Das biologische Schicksal der Přemysliden. Ein Beispiel für aufartende Wirkung deutscher Erblinien in fremdvölkischen Blutskreisen veröffentlichte.[1] Damit wurde er zu einem Hauptträger der rassistischen Zuspitzung der Kulturträgertheorie.
Studien zur mittelalterlichen Urkundenlehre. Konzept, Register und Briefsammlung (= Schriften der Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag. Band 4). R. M. Rohrer, Brünn 1929 (Neudruck, Scientia-Verlag, 1974, ISBN 3-511-00806-9).
Das Volksbewusstsein. Sein Werden im Spiegel der Geschichtsschreibung. Rohrer, Brünn u. a. 1936.
Wie das Erste Reich der Deutschen entstand. Staatsführung, Reichsgut und Ostsiedlung im Zeitalter der Karolinger (= Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte. Hrsg. von der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in Prag. Band 16). Verlag der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste, Prag 1940.
Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung der Gewerbefreiheit im Jahre 1859. Österreichischer Gewerbeverlag, Wien 1949.
550 Jahre jung sein. Die Geschichte eines Handwerks. Nach einem Manuskript über das Wiener Tischlerhandwerk. Verlag für Geschichte der Politik, Wien 1958.
Literatur
Johann Christoph Allmayer-Beck: Univ. Prof. Dr. Heinz Zatschek †. In: Mitteilungsblatt der Museen Österreichs 14, 1965, S. 64–67.
K. Erik Franzen, Helena Peřinová: Biogramme der Mitglieder der Historischen Kommission der Sudetenländer im Gründungsjahr 1954. In: Stefan Albrecht et al. (Hrsg.): Die sudetendeutsche Geschichtsschreibung 1918–1960. Zur Vorgeschichte und Gründung der Historischen Kommission der Sudetenländer. Vorträge der Tagung der Historischen Kommission für die Böhmischen Länder (vormals: der Sudetenländer) in Brünn vom 1. bis 2. Oktober 2004 aus Anlass ihres fünfzigjährigen Bestehens (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Band 114). Oldenbourg, München 2007, ISBN 978-3-486-58374-8, S. 275 f.
Karel Hruza: Heinz Zatschek (1901–1965) – „Radikales Ordnungsdenken“ und „gründliche, zielgesteuerte Forschungsarbeit“. In: ders. (Hrsg.): Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts. Band 1, Böhlau, Wien 2008, ISBN 978-3-205-77813-4, S. 677–792.
Karel Hruza: Heinz Zatschek (1901–1965). In: Ingo Haar, Michael Fahlbusch, Matthias Berg (Hrsg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, München, 2. Aufl. 2017, S. 934–938.
Karel Hruza: Der deutsche Insignien- und Archivalienraub aus der Prager Universität 1945. Mit einem Briefwechsel zwischen dem Universitätsarchivar Heinz Zatschek und dem Präsidenten der Monumenta Germaniae Historica Theodor Mayer. In: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 48, 2008, S. 349–411.
Karel Hruza: Ein „Historiker des Unbedingten“? – Über Habitus und Generation des Mediävisten Heinz Zatschek (1901–1965). In: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 60, 2020, S. 187–219.
Karel Hruza: „Mit dem arischen Flügel“ – Heinz Zatschek und seine Abkehr von der MGH-Edition der Epistolae Wibaldi. In: Arno Mentzel-Reuters, Martin Baumeister, Martina Hartmann (Hrsg.): Das Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde 1935 bis 1945 – ein „Kriegsbeitrag der Geisteswissenschaften“? Beiträge des Symposium am 28. und 29. November 2019 in Rom (= MGH-Studien zur Geschichte der Mittelalterforschung. Band 1), Wiesbaden 2021, S. 135–177.
Zatschek, Heinz. In: Fritz Fellner, Doris A. Corradini: Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs. Band 99). Böhlau, Wien u. a. 2006, ISBN 978-3-205-77476-1, S. 469.
↑ abcdOta Konrád: Die Geisteswissenschaft an der Prager Universität (1938/39–1945). In: Karen Bayer, Frank Sparing, Wolfgang Woelk (Hrsg.): Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus und in der frühen Nachkriegszeit. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2004, S. 244 ff.
↑Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 163.
↑Karel Hruza: Heinz Zatschek (1901–1965). In: Ingo Haar, Michael Fahlbusch, Matthias Berg (Hrsg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. München 2008, S. 785.
↑Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. 2001, S. 163.
↑Andreas Wiedemann: Die Reinhard-Heydrich-Stiftung als Beispiel nationalsozialistischer Wissenschaftspolitik im Protektorat. In: Christiane Brenner, K. Erik Franzen, Peter Haslinger, Robert Luft (Hrsg.): Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2006, S. 162.
↑Robert Luft: Deutsche und Tschechen in den böhmischen Ländern. Traditionen und Wandlungen eines Teilgebiets der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft. In: Christiane Brenner, K. Erik Franzen, Peter Haslinger, Robert Luft (Hrsg.): Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2006, S. 417.
↑Pavel Kolář: Eine Brutstätte der Volksgeschichte? Überlegungen zur Geschichte der Prager deutschen Historiographie 1918-1938 im Gesamtkontext der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft. In: Christiane Brenner, K. Erik Franzen, Peter Haslinger, Robert Luft (Hrsg.): Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2006, S. 135.
↑Heinz Zatschek in der Verstorbenensuche bei friedhoefewien.at.
↑Heeresgeschichtliches Museum (Hrsg.): 100 Jahre Heeresgeschichtliches Museum. Bekanntes und Unbekanntes zu seiner Geschichte (für den Text verantwortlich: Franz Kaindl), Wien 1991, S. 18.
↑Otto Brunner: Heinz Zatschek. In: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 74 (1966), S. 249–251, hier: S. 250 f.