Heinrich SchenkerHeinrich Schenker (geboren 19. Juni 1868 in Wiśniowczyk, Österreich-Ungarn (heute Wyschniwtschyk, Ukraine); gestorben 14. Januar 1935 in Wien; Pseudonym: Arthur Niloff) war ein österreichischer Musiktheoretiker und Komponist galizischer Herkunft. LebenHeinrich Schenker wuchs in einer observanten jüdischen Familie auf. Er besuchte in Lemberg und Bereschany das Gymnasium. 1884 übersiedelte Schenker nach Wien. Er studierte Rechtswissenschaften und parallel dazu bis zum Abschluss des Jurastudiums 1889 am Konservatorium Klavier und Komposition sowie bei Anton Bruckner Musiktheorie. In den 1890er Jahren begleitete er Sänger und Kammermusiker, schrieb Musikkritiken in Maximilian Hardens Berliner Wochenschrift Die Zukunft[1] und in Hermann Bahrs Die Zeit und begann zu komponieren. Er gab kritische Ausgaben von Werken Johann Sebastian Bachs, Carl Philipp Emanuel Bachs, Händels und Ludwig van Beethovens heraus. Schließlich gab er das Komponieren auf und widmete sich fortan Fragen der Musiktheorie. Seinen Unterhalt verdiente er weiterhin als Privatlehrer für Klavierspiel. Zu den bekannten Anhängern Schenkers zählen Walter Dahms, Wilhelm Furtwängler und Paul Hindemith, der begeistert an Schenker schrieb: „Sie sagen zum ersten Mal richtig, was ein guter Musiker hört, fühlt und versteht.“ Schenker hatte keine Schule, sein engster auch musikalischer Freund war Moriz Violin. Schenker bekannte sich Zeit seines Lebens zum Judentum. Er war ein vehementer Feind der Demokratisierung nach 1918. Er glaubte an die Überlegenheit der deutschen Kultur. In einem Brief an seinen Schüler Felix-Eberhard von Cube begrüßte er am 14. Mai 1933 den politischen Aufstieg Hitlers als Zeichen einer kulturellen Umkehr.[2] Die Verfolgung durch die Nazis erlebte er nicht mehr, da er im Januar 1935 in Wien starb. Seine Frau Jeanette (31. August 1874 – 8. Januar 1945) wurde ins Ghetto Theresienstadt deportiert und dort ermordet.[3] Unter den Nazis waren Schenkers Werke und Ausgaben verfemt. Dies trug dazu bei, dass seine Theorie auch in den Jahrzehnten nach 1945 in Deutschland kaum rezipiert wurde.[4] Viele seiner Schüler emigrierten in die USA und etablierten in der anglo-amerikanischen Musiktheorie dessen Idee tonaler Musik. Schenker tendierte zu einer an Überheblichkeit grenzenden Selbststilisierung, wie die von ihm selbst in einer auf den 20. Mai 1934 datierten Ergänzung zu seinem Testament verfasste Grabinschrift zeigt: „Hier ruht, der die Seele der Musik vernommen, ihre Gesetze im Sinne der Großen verkündet wie Keiner vor ihm.“[5] Er war glühender Nationalist, auch seine Musiktheorie wird als rassistisch beschrieben (“I argue that Schenkerian theory is an institutionalized racialized structure”.[6]) Zeitlebens stand für Schenker das Meisterwerk in der Musik (so der Titel einer seiner Hauptschriften) im Zentrum. In zahlreichen Analysen von Werken großer Komponisten (Bach bis Brahms) legte er dar, wie individuelle Kompositionen organisch aus elementaren Grundstrukturen tonaler Musik (Urlinie und Ursatz) hervorgehen und sich umgekehrt auf solche zurückführen lassen. Bereits von Wagner sagt Schenker, dass er die Tonalität nicht mehr erweitere, sondern verliere. UrsatzDie von Schenker begründete Reduktionsanalyse basiert auf der Annahme, dass tonale Musik in hierarchischen Schichten gebaut ist. Während der Vordergrund auch kleine Notenwerte umfasst, bildet der Mittel- und Hintergrund eine einfache, stabile Struktur. Die letztmögliche Reduktion tonaler Mehrstimmigkeit nennt Heinrich Schenker Ursatz. Im Ursatz erscheinen Melodie und Harmonie in ihrer elementaren Form verbunden. Während die Oberstimme den Terzraum (3 - 2 - 1) fallend diminuiert (in kleinere Notenwerte auflöst), besetzt die Unterstimme den an sich dissonanten Durchgangston (2) konsonant (I - V - I), so dass die melodisch 2. als Quinte der V. erscheint. Diese Fortschreitung ist so elementar, dass sie z. B. auf Naturhörnern mit dem Material der ersten 10 Obertöne spielbar ist (Klarinblasen). Während im Bass die Obertöne 2 - 3 - 2 erklingen, spielt eine andere Stimme die Obertöne 10 - 9 - 8. Allerdings kann auch ein fallender Quintzug (5 - 4 - 3 - 2 - 1) oder ein fallender Oktavzug (8 - 7 - 6 - 5 - 4 - 3 - 2 - 1) die Oberstimme des Ursatzes bilden. Jedes tonale Werk und jeder tonal geschlossene Werkabschnitt lässt sich auf einen hintergründigen Ursatz zurückführen, der zugleich die letztmögliche Reduktionstufe der Stimmführungsanalyse darstellt. Da der Ursatz im Hintergrund wirkt und sich über viele Takte erstrecken kann, gibt er keine Einzelheiten zum Rhythmus an. Motiv und ReduktionsanalyseDie Reduktionsanalyse versucht, das vordergründige Notenbild auf einen tragenden Satz im Hintergrund zurückzuführen. Im Graphen, der dies zum Ausdruck bringt, fehlen rhythmische und motivische Bewegungen des Vordergrunds. Gleichwohl hat Schenker die Bedeutung des Motivs nicht bestritten und beispielsweise motivische Parallelismen zwischen verschiedenen Schichten der Stimmführungsanalyse herausgearbeitet. Damit fasste er den Begriff anders als die traditionelle Formenlehre, wie er auch die Bedeutung der Begriffe „Harmonielehre“ und „Kontrapunkt“ zu reformieren suchte. Urtext-AusgabenDie Nachdrucke musikalischer Werke der Klassiker erschienen Schenker zunehmend durch eine Theorie verwässert, die eher intellektuelle Spekulation ist als aus praktischer Hörerfahrung resultiert. Bereits 1902 kritisierte er, dass die Notendrucke gravierende Fehler enthalten, und regte daraufhin Urtext-Ausgaben an (Klassiker-Ausgaben der Universal Edition). Schenker publizierte seine Theorien in Zeitschriften, Aufsätzen und Büchern. WerkeSchriftenHauptwerk:
Periodika:
Kleinere Schriften:
Editionen und Bearbeitungen:
Kompositionen
DokumenteBriefe von Heinrich Schenker befinden sich im Bestand des Leipziger Musikverlages C.F.Peters im Staatsarchiv Leipzig. Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
|