GrundlagenwissenschaftAls Basis-, Fundamental- oder Grundlagenwissenschaft werden jene Wissenschaften bezeichnet, die für ein Studienfach die wissensmäßigen oder philosophischen Voraussetzungen bilden. Heute gehen die Meinungen darüber, welche der Themen- und Fachgebiete zu den Grundlagen eines Studiums oder einer adäquaten Ausbildung gehören, weit auseinander. Vier Gründe tragen dazu bei:
Grundlagenwissen in Antike und MittelalterIn der Antike wurde der Rahmen der Grundlagenwissenschaften u. a. durch die Platonische Akademie geprägt, an der die Logik, Rhetorik und Mathematik eine große Bedeutung hatten. Über dem Eingang zum „Akademia-Hain“ stand μηδεῖς εἴσιτοω ἀγεομὲτρικος: „Kein der Geometrie Unkundiger soll hier eintreten!“ Der Studienplan umfasste die naturwissenschaftlichen Gebiete der Astronomie, Biologie und Mathematik, sowie die Philosophie (eher im allg. Sinn) und die politische Theorie. Daraus lässt sich schließen, dass Platon neben der Logik, der Argumentation und der Geometrie/Mathematik auch die Kunst voraussetzte, sich selbst zu motivieren, und Grundkenntnisse der Philosophie. Platon und Aristoteles versus SophismusPlaton wandte sich gegen die Auffassung der Sophisten, welche die Philosophie als verfügbares Wissen, als Ware ansahen, die man an Schüler weitergeben kann – wozu auch unsere Zeit durch zunehmende Kurse und Regulierung der Lehrpläne tendiert. Für Platon war Philosophie ein lebenslanges Sich-Bemühen um Wissen, aber keineswegs um sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Schon für Sokrates war das Forschen, Prüfen und Widerlegen im Gespräch eine Voraussetzung und einzuübende Lebenshaltung. Unter Platon und Aristoteles wurde von jedem Weisheitssuchenden (also Philosoph) erwartet, dass er
Mittelalter: Trivium und Quadrivium„Philosophie ist ein liebevoller Umgang mit der Wahrheit.“ (Dante Alighieri) Im christlich geprägten Mittelalter wurden vor ein akademisches Studium – für dessen Absolvierung überdies der Besuch mehrerer Universitäten empfohlen war – die Vorstudien des Triviums und des Quadriviums gesetzt. Wie Aristoteles und die antiken Weisheits-Schulen sah man keine Wege zur Philosophie (Wissens-Freude, Liebe am Wissen) ohne die Voraussetzungen der „sieben freien Künste“ (Artes liberales, auch „dialogische Fächer“):
Die ersten drei – das trivium – galten als Grundlagenstudium, während die letzten vier zum weiterführenden Studium (quadrivium) zählten. Studien- und akademisches CurriculumFür ein Studium der Artes liberales reichte die Schulbildung (so vorhanden) meist noch nicht aus. Benötigt wurden u. a. vertiefte Kenntnisse der lateinischen Sprache und der Literatur, die sich viele in den Domschulen erwerben konnten. Einige Jahre mit Bibelstudium, grundlegender Grammatik und der Lektüre von Werken antiker und spätantiker heidnischer wie christlicher Autoren (z. B. Eugippius, Thomas von Aquin) stellten die mittlere Stufe des Unterrichts dar. Das darauf aufbauende Trivium (Dreiweg) wurde von Isidor von Sevilla (7. Jahrhundert) formuliert. Als „Wortwissen“ war es im Mittelalter das Grundstudium an der Artistenfakultät und schloss zumeist mit dem Bakkalaureat ab. Das System des Quadriviums (der Vierweg) geht auf Boethius († um 525) und Cassiodor (Institutiones um 560) zurück. Mit dem Magister Artium über dieses „Zahlenwissen“ wurde der Absolvent lehrberechtigt an der Artistenfakultät – was heute eine entfernte Verwandtschaft zum Tutor bzw. Studienassistenten hat. Etwa 30 % aller Immatrikulierten verließen die Universität als Bakkalaurei, kaum 20 Prozent als Magister. Die verbleibende Hälfte ging, wie sie gekommen war: als simple Scholares ohne Studienabschluss – also den heutigen Studienabbrechern vergleichbar. Von den Magistern blieb ein kleiner Prozentsatz an den Universitäten, als Assistenten und spätere Dozenten. Übergang zur NeuzeitGegen Ende des 13. Jahrhunderts entwickelten einige Vertreter des „Aristotelismus“ – u. a. Siger von Brabant und Boethius von Dacien – eine neue Ethik bzw. ein philosophisches Lebensideal, beispielsweise in den Schriften De summo bono („Über das höchste Gut“) oder De vita philosophi. Danach besteht das höchste Gut des Menschen (das Glück) im Anwenden des höchsten menschlichen Vermögens, der Vernunft. Unterschieden wird zwischen
Grundlagenwissen heuteWie eingangs angemerkt, sind heute die Meinungen, was zum Grundlagenwissen gehört oder gehören sollte, geteilt. Eine eher triviale Auffassung ist, alle jene Fertigkeiten und jenes Wissen dazu zu zählen, das zum erfolgreichen Absolvieren eines Hochschulstudiums erforderlich ist. Gemeinhin sind dies – neben der nötigen Intelligenz und sozialen Reife – zumindest
Dies zeigt sich beispielsweise an der Diskussion zum Fach Latein an den Mittelschulen sowie an den geisteswissenschaftlichen und medizinischen Fakultäten zum Fach Griechisch. Historische Kenntnisse und ein Grundmaß an Rhetorik (siehe auch Vortragstechnik) und Dialektik sind zwar erwünscht, werden aber zu Studienbeginn meist noch nicht als Bedingung gesehen. Mit dem unübersehbaren Trend Grundlagen- ⇒ Angewandte Forschung hat auch die Diskussion über die sog. Orchideenfächer bzw. ihre strukturelle Schwächung zu tun. Die Technische Universität hat in Sachen Basiswissen einen scheinbar einfacheren Zugang: erforderlich sind logisches Denken, Grundkenntnisse der Mathematik und Physik, sowie (statt des früheren Latein) das Englische. De facto können auch Kenntnisse in der EDV vorausgesetzt werden. Interessanterweise dürften aber viele Studenten ihre geisteswissenschaftlichen Defizite erkennen, wie die Beliebtheit entsprechender Wahlfächer zeigt. Diesbezüglich hat sich der Ausbau der früheren Technischen Hochschulen zu Universitäten vollzogen – d. h. ihre strukturelle Ergänzung um die „Anthropologie“ (Philosophie, Soziologie, Gesprächskultur usw.) und die Wirtschaft. Besondere BedeutungenIn der Informatik kann der Begriff auch als theoretisches Gebäude verstanden werden. Themen der Informatik wurden in der Vergangenheit zunächst als Spezialgebiete innerhalb anderer wissenschaftlicher Disziplinen behandelt. Seit etwa 1960 hat die Informatik sich jedoch zu einem zusammenhängenden, theoretisch fundierten Gebäude, also zu einer neuen Grundlagenwissenschaft entwickelt, die auf andere Einzelwissenschaften stark ausstrahlt.[2] Quellen und Weblinks
Einzelnachweise
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