Grüningen (Pohlheim)

Grüningen
Stadt Pohlheim
Wappen von Grüningen
Koordinaten: 50° 30′ N, 8° 44′ OKoordinaten: 50° 30′ 27″ N, 8° 43′ 51″ O
Höhe: 238 (223–252) m ü. NHN
Fläche: 7,64 km²[1]
Einwohner: 1486 (31. Dez. 2018)[2]
Bevölkerungsdichte: 195 Einwohner/km²
Eingemeindung: 31. Dezember 1970
Postleitzahl: 35415
Vorwahl: 06403
Ruine der Windmühle von 1713
Ein Teil der Burgruine
Diebsturm mit Teilen der Stadtmauer

Grüningen ist ein Ortsteil der Stadt Pohlheim im mittelhessischen Landkreis Gießen.

Geografische Lage

Grüningen liegt am Obergermanischen Limes (→ Limeswachturm zu Pohlheim) am Rande der Wetterau in Mittelhessen am 280,5 m ü. NHN[3] hohen Wartberg. In Grüningen treffen sich zwei historische Straßen, nämlich die Weinstraße und die Lange Hessen. Heute verläuft die Landesstraße 3132 durch das Dorf.

Geschichte

Ortsgeschichte

Die älteste erhaltene Erwähnung des Dorfes als Gruningen findet sich im Lorscher Codex und datiert auf den 3. Mai 799.[4] In erhaltenen Urkunden späterer Zeit wurde Grüningen unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1] Gruoninger marca (799), Gruningen (807/17), Gruninge (1247) sowie Grünyngen ... Grynygen (1459).

1394 wurde die Burg Grüningen genannt. Sie zerfiel um 1600.

Mitte des 15. Jahrhunderts war Grüningen vorübergehend Amtssitz, 1548 und später gehörte es zum Amt Butzbach, 1787 zum Fürstentum Solms-Braunfels und wurde dort als Amt Grüningen verwaltet.[1]

Vom 17. Jahrhundert bis in die 1930er Jahre bestand in Grüningen eine jüdische Gemeinde mit eigenem Friedhof. 1669 wurde die Grüninger Kirche wieder aufgebaut, die 1634 während des Dreißigjährigen Krieges mitsamt der ganzen Stadt (außer vier Häusern) niedergebrannt worden war. 1685 wurde das Rathaus errichtet und 1713 die Windmühle, die aber schon 1794 zur Ruine wurde. Im Siebenjährigen Krieg fand 1762 ein Gefecht bei Grüningen satt.

Mit der Rheinbundakte[5] von 1806 fiel die staatliche Hoheit über das Fürstentum Solms-Braunfels dem Großherzogtum Hessen zu. Das Großherzogtum gliederte auch Grüningen in das Fürstentum Oberhessen (ab 1816: „Provinz Oberhessen“) ein. Dies geschah mit der Einschränkung, dass dem Fürsten der Rang eines Standesherren verblieb und er in seinem Fürstentum weiter hoheitliche Rechte in Verwaltung und Rechtsprechung ausübte. Dazu wurde das Amt Hungen geschaffen, zu dem nun Grüningen gehörte.

Ab 1820 kam es im Großherzogtum Hessen zu Verwaltungsreformen. 1821 wurden auch auf unterer Ebene Rechtsprechung und Verwaltung getrennt und alle Ämter aufgelöst. Für die bisher durch die Ämter wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben wurden Landratsbezirke geschaffen, für die erstinstanzliche Rechtsprechung Landgerichte.[6] Auch für Grüningen war es 1822 soweit: Mit Allerhöchster Entschließung seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs vom 24. April 1822 wurde das ehemalige fürstlich solms-braunfelsische Amt Hungen aufgelöst und dessen Verwaltungsaufgaben auf den neu gebildeten Landratsbezirk Hungen, dessen Aufgaben in der Rechtsprechung dem Landgericht Hungen übertragen.[7]

1841 wurde der Landratsbezirk Hungen in „Kreis Hungen“ umbenannt. Die Märzrevolution verursachte 1848 die nächste Umstrukturierung: Die Kreise wurden abgeschafft und Grüningen gehörte nun zum neu geschaffenen Regierungsbezirk Friedberg. Der hatte aber nur vier Jahre Bestand, denn die Reaktion revidierte 1852 die Reform von 1848. Grüningen kam nun zum Landkreis Gießen.

Die Schule datiert von 1907.

Von 1923 bis 1983 bestand die Sing- und Turnhalle, die dann der Limeshalle weichen musste, die am 28. November 1986 eingeweiht wurde.

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Die Gemeinde Pohlheim wurde am 31. Dezember 1970 im Zuge der Gebietsreform in Hessen durch freiwilligen Zusammenschluss der Gemeinden Dorf-Güll, Garbenteich, Grüningen, Hausen, Holzheim und Watzenborn-Steinberg gegründet.[8][9] Für Grüningen wurde, wie für die übrigen ehemaligen Gemeinden von Pohlheim, ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[10]

Verwaltungsgeschichte im Überblick

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Grüningen angehört(e):[1][11][12]

Gerichte seit 1803

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Oberhessen (ab 1815 Provinz Oberhessen) wurde das „Hofgericht Gießen“ eingerichtet. Es war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Grüningen ab 1806 das „Patrimonialgericht der Fürsten Solms-Braunfels“ in Grüningen zuständig. Nach der Gründung des Großherzogtum Hessen 1806 wurden die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übertragen. Ab 1822 ließen die Fürsten Solms-Braunfels ihre Rechte am Gericht durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben. „Landgericht Hungen“ war daher die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht das für Grüningen zuständig war. Auch auf sein Recht auf die zweite Instanz, die durch die Justizkanzlei in Hungen ausgeübt wurde, verzichtete der Fürst 1823.[17] Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[18] Durch die Neuordnung der Gerichtsbezirke in der Provinz Oberhessen mit Wirkung vom 15. Oktober 1853[19] kam Grüningen zum Landgericht Lich.

Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolge derer die bisherigen großherzoglichen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Lich“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[20] Mit Wirkung vom 1. April 1913 wurde die Gemeinde Grüningen dem Amtsgericht Gießen zugeteilt.[21]

Bevölkerung

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Grüningen 1482 Einwohner. Darunter waren 48 (3,2 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 258 Einwohner unter 18 Jahren, 542 zwischen 18 und 49, 318 zwischen 50 und 64 und 261 Einwohner waren älter.[22] Die Einwohner lebten in 654 Haushalten. Davon waren 195 Singlehaushalte, 207 Paare ohne Kinder und 171 Paare mit Kindern, sowie 66 Alleinerziehende und 12 Wohngemeinschaften. In 123 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 465 Haushaltungen lebten keine Senioren.[22]

Einwohnerentwicklung

Grüningen: Einwohnerzahlen von 1830 bis 2011
Jahr  Einwohner
1830
  
541
1834
  
567
1840
  
591
1846
  
628
1852
  
677
1858
  
700
1864
  
701
1871
  
709
1875
  
731
1885
  
757
1895
  
727
1905
  
732
1910
  
714
1925
  
737
1939
  
776
1946
  
1.170
1950
  
1.164
1956
  
1.108
1961
  
1.128
1967
  
1.185
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
1.482
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: Zensus 2011[22]

Historische Religionsstatistik

• 1830: 533 evangelische, 8 jüdische Einwohner[1]
• 1961: 874 evangelische, 237 katholische Einwohner[1]

Historische Erwerbstätigkeit

• 1961: Erwerbspersonen: 197 Land- und Forstwirtschaft, 241 Prod. Gewerbe, 63 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 67 Dienstleistungen und Sonstiges.[1]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Bauwerke

Siehe auch: Liste der Kulturdenkmäler in Grüningen

  • Burg Grüningen, Ruine einer Wasserburg aus dem 12. bis 13. Jahrhundert.
  • Evangelische Kirche mit ältesten Teilen aus dem 12. Jahrhundert.
  • Diebsturm, Befestigungsturm der Stadtmauer aus den 1530er Jahren.
  • Grüninger Warte, denkmalgeschützte 11 Meter hohe[23] Ruine einer 1713 errichteten Windmühle, die heute als Aussichtsturm genutzt wird.[24]

Literatur

Commons: Grüningen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Mediatisierung infolge der Rheinbundakte.
  3. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Hungen; 1822 gingen die Rechte des „standesherrlichen Amts Grüningen“ an das Landgericht über, wo sie im Namen der Standesherren ausgeübt wurden) und Verwaltung.
  4. Der Norddeutsche Bund war der erste deutsche Bundesstaat unter der Führung Preußens. Er war die geschichtliche Vorstufe des Deutschen Reichs. Infolge des Deutschen Krieges wurde die Provinz Oberhessen dort zwangsweise Mitglied.
  5. Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Oberhessen aufgelöst.
  6. Infolge des Zweiten Weltkriegs.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Grüningen, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 25. Januar 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Zahlen und Daten. Einwohner-Struktur. In: Webauftritt. Stadt Pohlheim, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. April 2019; abgerufen im April 2019.
  3. Karten und Daten des Bundesamtes für Naturschutz (Hinweise)
  4. Minst, Karl Josef [Übers.]: Lorscher Codex (Band 5), Urkunde 2968, 3. Mai 799 – Reg. 22662. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, S. 41, abgerufen am 7. Mai 2019.
  5. Art. 24 Rheinbundakte.
  6. Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
  7. Die neue Landeseintheilung und Organisation der untern Justiz und Verwaltungsbehörden – insbesondere in den fürstlich und gräflich Solmsischen Besitzungen betreffend. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 10. Mai 1822, S. 182.
  8. Zusammenschluss von Gemeinden zur Gemeinde „Pohlheim“, Landkreis Gießen vom 6. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 4, S. 140, Punkt 165 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,3 MB]).
  9. Karl-Heinz Gerstemeier, Karl Reinhard Hinkel: Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Hrsg.: Hessischer Minister des Inneren. Bernecker, Melsungen 1977, OCLC 180532844, S. 307.
  10. Hauptsatzung. (PDF; 97 kB) § 6. In: Webauftritt. Gemeinde Pohlheim, abgerufen im August 2020.
  11. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  12. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 12 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 21 f., 438 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  14. Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 424 (online bei Google Books).
  15. Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 135 (online bei Google Books).
  16. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  17. Theodor Hartleben (Hrsg.): Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und Polizeifama, Band 2, Teil 1. Johann Andreas Kranzbühler, 1832, S. 271 (online bei Google Books).
  18. Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
  19. Bekanntmachung vom 4. Oktober 1853,
    1) die Aufhebung der Großherzoglichen Landgerichte Großkarben und Rödelheim, und die Errichtung neuer Landgerichte zu Vilbel und Altenstadt, ferner die Verlegung des Landgerichtssitzes von Altenschlirf nach Herbstein;
    2) die künftige Zusammensetzung der Landgerichts-Bezirke in der Provinz Oberhessen betreffend. (Hess. Reg.Bl. S. 640–641)
  20. Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
  21. Bekanntmachung, die Bildung der Amtsgerichtsbezirke Gießen und Lich betreffend vom 1. März 1913. In: Großherzogliches Ministeriums der Justiz (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1913 Nr. 32, S. 89 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 21,9 MB]).
  22. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 8 und 48, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.
  23. Warte ist wieder offen in der Gießener Allgemeinen vom 8. September 2017, abgerufen am 11. Februar 2021
  24. Grüninger Warte auf der website des Landkreises Gießen