Girolamo Giacobbi

Girolamo Giacobbi (Giacobi) (auch Geronimo de Jacob, Hieronymus Jacobus oder Jacobbi, oder Hieronimus Jacobus Bononiensis; getauft am 10. August 1567 in Bologna; † Februar 1629 ebenda) war ein italienischer Kantor, Kapellmeister und Komponist.[1]

Leben

Giacobbis Eltern waren Bartolomeo und Virginia Accarisi. Er stammt aus einfachen Verhältnissen und wird als Kind in die Gruppe der Kleriker am Dom San Petronio aufgenommen. Hier erhält er eine kostenfreie Ausbildung in Grammatik und Gesang. Ab dem 30. Januar 1581 wird Girolamo Giacobbi in den Registern der Fabbriceria von San Petronio verzeichnet, der kirchlichen Verwaltungseinheit, die für den Unterhalt der Basilika und die Organisation sowie Bezahlung des Personals zuständig war. Er erscheint in den Listen unter dem Namen Geronimino de Jacob, der als Kleriker die Sopran- und Altstimmen des Chores unterstützt und eine zusätzliche jährliche Vergütung erhält. 1584 beginnt er die doppelte, die geistliche und musikalische Laufbahn und wird mit regelmäßigen Aufgaben und fester Vergütung offiziell als ordentlicher Sänger des Domchores von San Petronio eingetragen. 1589 wurde er zum Priester geweiht. 1594 wurde er Promagister unter Kapellmeister Andrea Rota. Er unterstütze diesen bei der Leitung der Instrumental- und Vokalensembles am Dom. Eine Aufgabe, die er auch 1598 nach dem Tode Rotas unter dessen Nachfolger Pompilio Pisarelli innehat. 1601 lässt er seine erste Sammlung geistlicher Musik mit dem Titel Motecta multiplici vocum numero concinenda, liber primus in Venedig drucken.[1]

1604 wird Giacobbi selbst Kapellmeister an San Petronio und behält das Amt bis zu seinem Tod 1629. Die Übernahme dieses Amtes durch Giacobbi war für die Musik an San Petronio ein historischer Schritt. Die Vergrößerung der Ensembles auf 46 Mitglieder und die Einführung eines gedruckten Regelwerks für die liturgischen und musikalischen Abläufe am Dom gehen mit einer gesteigerten Bedeutung und Komplexität der liturgischen Musik und deren Prfessionalisierung einher.[1]

Giacobbi macht in Bologna die ersten Experimente mit dramatischer Musik im Stile der Opern aus Florenz. Zur Pastorale Filarmindo des Dichters Ridolfo Campeggi, einem in Bologna beliebten Theaterstück, komponierte Giacobbi zu weiteren Texten des Autors vier Intermedien die zwischen den Akten der Pastorale aufgeführt wurden. Erstmalig 1605 im Haus Melchiorre Zoppios, dem Sitz der Accademia dei Gelati anlässlich der Hochzeit Ferdinando Riario mit Laura Pepoli aufgeführt wird L'Aurora ingannata, die Sammlung der vier Intermedien, unter dem neuen Titel Dramatodia, overo Canti rappresentativi… sopra l’Aurora ingannata 1608 in Venedig gedruckt.[1]

Im Februar 1610 wird anlässlich des Karnevals in Bologna im Teatro della Sala die tragedia in musica L’Andromeda aufgeführt. Der Text stammt von Ridolfo Campeggi.[2] Besonders bekannt wird die Arie des Perseus Io ti sfido, o mostro infame [‚Ich fordere dich heraus, niederträchtiges Ungeheuer‘]. Zeitgenossen loben diese Arie wegen ihres kraftvollen Rhythmus. Sie verbreitet sich schnell in ganz Italien.[1]

Auch außerhalb Italiens finden Giacobbis Kompositionen Beachtung. Ein Beispiel ist die fünfstimmige Motette Caro mea vere est cibus [‚Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise‘], die 1612 in der Sammlung Promptuarium musicum, einer Anthologie geistlicher Musik, von Abraham Schadäus in Straßburg veröffentlicht wird.

1613 bis 1623 Etablierung als Musiker

Zwischen 1613 und 1623 lässt Giacobbi in Bologna weitere weltliche Werke aufführen, die im monodischen Stil der florentinischen Tradition stehen. Zu diesen gehören die musikalischen Intermedien Proserpina rapita 1613, die favoletta piscatoria Amor prigioniero 1615 und die Tragödie Tancredi. 1617 vertonte Giacobbi zwei dramatische Werke, beide auf Texte von Campeggi: Ruggero liberato und Il Reno sacrificante. Die Partituren dieser Werke sind verloren gegangen, und die Autorschaft Giacobbis wird ausschließlich durch die zugehörigen Libretti bezeugt. 1623 endete Giacobbis Tätigkeit als Komponist von Musikdramen mit der Aufführung von La selva dei mirti (‚Der Myrtenhain‘) in Bologna am Theater der Accademia dei Gelati.[1]

Im Bereich der geistlichen Musik veröffentlichte Giacobbi 1615 in Venedig die Vespri per tutto l’anno a quattro voci con l’organo, e senza (‚Vespern für das gesamte Kirchenjahr für vier Stimmen mit und ohne Orgel‘). In der Vorrede bezeichnete er sich als Mitglied der Accademia Bolognese dei Gelati und unterschrieb mit seinem akademischen Namen Imperfetto.

1618 während seiner Tätigkeit als Kapellmeister im neu errichteten Oratorium des heiligen Philipp Neri ließ Giacobbi die Sammlung geistlicher Musik Litanie e mottetti da concerto e da cappella a due chori per la sanctissima Vergine [Litaneien und Motetten für konzertante und chormäßige Aufführung zu zwei Chören für die Heiligste Jungfrau]in Venedig drucken. Die letzten beiden Litaneien der Sammlung werden seinem Schüler Domenico Benedetti zugeschrieben, der als Sänger in der Basilika San Petronio tätig war.[1]

1622 begründete er in Bologna die „Accademia dei Filomusi“, nach der „Accademia Filarmonica“ die zweite Akademie seiner Geburtsstadt, die sich der Musikpflege widmete, 1627 gestaltete er einen Besuch Monteverdis festlich aus. Im Februar 1629 starb er in Bologna im Alter von 61 Jahren.

Werke

Kirchenmusik

Giacobbi schuf eine große Zahl geistlicher Werke aller Gattungen. Er komponierte zum Teil für A-cappella-Chöre, fertigte aber auch konzertant gesetzte Werke. Vor allem die Vespern weisen den neuen Stil auf.

  • 1601 Motecta multiplici vocum numero concinenda, liber primus, Erste gedruckte Notenausgabe Giacobbis, gedruckt in Venedig bei Angelus Gardanus; Sie sind dem Bolognesers Senat und der Kirchenverwaltung San Petronios gewidmet und sind in der Nachfolge Palestrinas streng polyphon komponiert. OCLC 61363179 RISM ID: 990021007 (Digitalisat) Das Werk wurde 1962 von Giampaolo Ropa in der Reihe Antiquae musicae Italicae monumenta Bononiensia der Universität Bologna erneut herausgegeben OCLC 464029851

Oper und Musikdrama

  • 1608 L'Aurora ingannata [Die getäuschte Aurora], Text: Ridolfo Campeggi, die erste in Bologna überhaupt aufgeführte Oper, gedruckt bei Giacomo Vincenti in Venedig OCLC 257795138 RISM ID: 990021008
  • 1610 Andromeda OCLC 955933103 Text: Ridolfo Campeggi
  • 1613 Proserpina rapita OCLC 24422784, Texf: Ridolfo Campeggi
  • 1615 Amor prigioniero, Favoletta piscatoria, Text: Silvestro Branchi
  • 1615: Tancredi, Text: Ridolfo Campeggi
  • 1617 Il Reno sacrificante OCLC 748576670, Text: Ridolfo Campeggi
  • 1617 Ruggero liberato, Text: Ridolfo Campeggi
  • 1623 La Selva de Mirti OCLC 824219781, Tex: Bernardino Mariscotti
  • 1624 Filarmindo OCLC 748576670 Text: Rudolfo Campeggi, gedruckt bei Valentini in Venedig
  • 1628 La montagna fulminata OCLC 1051175053 , Text: Bernardino Mariscotti, dem Herzog von Parma Odoardo I. Farnese gewidmet, aufgeführt am 15. März 1628 in Bologna

Rezeption

Giacobbi stand zu seiner Zeit als Komponist in hohem Ansehen. Ungewöhnlich häufige Gehaltserhöhungen deuten die Wertschätzung seiner Arbeit bei den Zeitgenossen an.[4]

Einspielungen

  • Caro mea vere est cibus. Domchor Münster. Ltg. Hubert Leiwering (1930–1973) auf: Musik im Dom zu Münster, Harmonia Mundi, um 1960 OCLC 611722700
  • Exultate Deo. The King’s Singers, auf: The King's Singers concert collection. Moss Music Group, 1976 OCLC 237786736
  • Litaniae Lauretanae. Niederaltaicher Scholaren. Ltg. Konrad Ruhland, auf: The quintessence of chant, Sony classical, 1996 Aufgezeichnet in der Basilika St. Michael in Altenstadt OCLC 945484154
  • L'Aurora ingannata. Gran Consort "Li Stromenti", Insieme Vocale "L'Homme Armé", Ltg. Gian Luca Lastraioli, Tactus, 1997 OCLC 605122014
  • De ore prudentis. University of Central Arkansas Concert Choir. Ltg. John Erwin. Aufgezeichnet bei einem Konzert der American Choral Directors Association National Convention, 2005 OCLC 1059473810
  • Luce gratiae tuae. Profeti della Quinta. Ltg. Elam Rotem, auf der CD The Carlo G manuscript, aufgezeichnet in der Chiesa dei Santi Eusebio e Vittore in Peglio 2016 Glossa Music

Literatur

  • GIACOBBI GIROLAMO. In: Giovanni Fantuzzi Notizie degli scrittori bolognesi, raccolte da Giovanni Fantuzzi ..., Bologna, Stamperia di S. Tommaso d'Aquino, 1781-94[5]
  • Girolamo Giacobbi. In: Alfred Baumgartner: Barockmusik, Kiesel Verlag, 1981, ISBN 3-7023-4002-5
  • Osvaldo Gambassi: Nuovi documenti su Girolamo Giacobbi. In: Rivista italiana di musicologia, Vol. 18, 1983, Nr. 1, S. 29–48 OCLC 636246801 (italienisch)
  • Osvaldo Gambassi: I primordi del melodramma a Bologna : apparati e machinismi de "Il Reno sacrificante", dramma in musica di Girolamo Giacobbi. In: Carrobbio, Anno X, 1984, S. 136–148 OCLC 636246803 (italienisch)
  • Marta Aceto: Giacobbi, Girolamo. In: Dizionario Biografico degli Italiani - Volume 54, 2000[1]
  • Peter Smith und Marc Vanscheeuwijck: Giacobbi, Girolamo. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
  • Winfried Woesler: Brülows „Andromede“(1612) und Campeggis „Andromeda“ (1610), In: Études Germaniques, Vol. 284, No. 4, 2016, S. 545–557.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h GIACOBBI, Girolamo in "Dizionario Biografico". Abgerufen am 20. Februar 2017.
  2. Laut dem Musikwissenschaftler Solerti gilt das Werk als ‚primo libretto di vero melodramma compiuto‘ (‚erstes vollständiges Libretto eines echten Musikdramas‘), da es eine klare dramatische Struktur besitzt. Die Oper weist Parallelen zur L’Arianna von Claudio Monteverdi auf. Von L’Andromeda ist nur der poetische Text erhalten geblieben.
  3. Museo internazionale e biblioteca della musica - Catalogo Gaspari. Abgerufen am 21. Februar 2017.
  4. a b Jeffrey Kurtzman (Hrsg.): Vesper and Compline Music for Multiple Choirs. Band 3. Psychology Press, 2003, ISBN 978-0-8153-2426-3.
  5. a b Fantuzzi, Giovanni, 1718-1799: GIACOBBI GIROLAMO. In: Notizie degli scrittori bolognesi, raccolte da Giovanni Fantuzzi ... Band 4. Stamperia di S. Tommaso d'Aquino, Bologna 1794 (italienisch, google.de).

 

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