Gideon Klein war als Kind musikalisch ungewöhnlich begabt und begann mit 11 Jahren den Klavierunterricht bei Růžena Kurzová. Mit 10 Jahren entstanden erste Kompositionen. Sein erstes Konzert gab er mit 14 Jahren. 1931 ging er nach Prag und besuchte dort das Konservatorium und dann die Meisterklasse für Klavier von Vilém Kurz. Eine Karriere als Pianist zeichnete sich ab. Das gleichzeitige Gymnasialstudium schloss er 1938 mit einem Diplom cum laude ab. Mit der deutschen Zerschlagung der Tschechoslowakei endeten seine weiteren Studien – das Studium der Musikwissenschaften musste er 1939 wegen Schließung der Prager Karlsuniversität unterbrechen ebenso wie 1940 das folgende Kompositionsstudium bei Alois Hába. In dieser Zeit entsteht sein „Divertimento“ für Bläseroktett, das als Schlüsselwerk gilt und die politischen Erlebnisse und künstlerischen Einflüsse der Zeit verarbeitet.
Die Annahme eines Studienplatzes an der Royal Academy of Music in London wurde ihm verwehrt. Auch als Pianist wurde ihm das öffentliche Auftreten verboten. Ab 1941 trat er daher unter dem Pseudonym Karel Vranek auf, später nur noch im privaten Kreis. Im Dezember 1941 wurde er in das KZ Theresienstadt deportiert. Bald war er zusammen mit Musikern wie den Komponisten Hans Krása, Viktor Ullmann und Pavel Haas, dem Sänger Karel Berman, dem Pianisten und Dirigenten Rafael Schächter oder dem späteren Dirigenten der Tschechischen PhilharmonieKarel Ančerl eine der wichtigen Personen im anfangs verbotenen und nachher zu Propagandazwecken missbrauchten Kulturleben der Lagerstadt. Er trat in Konzerten auf und schrieb Werke, die auch unter den Umständen des Lagers aufführbar waren, hielt Vorträge und gab auch Unterricht.
Im Oktober 1944, neun Tage nach Fertigstellung seines Streichtrios, wurde er in das KZ Auschwitz und von dort in das Außenlager Fürstengrube deportiert. In den Kohlengruben kam er kurz vor der Befreiung unter ungeklärten Umständen ums Leben. Seine Schwester Eliška Kleinová überlebte das Lager und unterstützte die Herausgabe der Werke. 1994 gründete sie die Gideon-Klein-Stiftung.
In seinen Werken verbindet er Einflüsse von Leoš Janáček und Arnold Schönberg zu einer ausdrucksstarken eigenen Musik.
Gedenken
Für Gideon Klein und seine Mutter wurden vom Künstler Gunter Demnig in Prag vor dem Haus am Rašín-Kai (Rašínovo nábřeží 1696/66), dem damaligen Palacký-Kai, Stolpersteine verlegt.
Werke
1929 Suite lyrique für Klavier – I.Prelude; II.Capriccio; III.Epilog; IV.Noc(Nacht); V.Troubadour
1933 Malà suita(kleine Suite) für Klavier -I.Andante; II.Zive (Lebhaft)
1934 Komposition für eine Singstimme und Klavier, Text: Otokar Brezina
1936–1938 Vier Sätze für Streichquartett
1940 Duo im Vierteltonsystem für Violine und Viola
1939/1940 Divertimento Bläseroktett (Je zwei Oboen, Klarinetten, Fagotte und Hörner)
1942 Madrigal Sag Tod nach Worten von François Villon in der tschechischen Übersetzung von Otokar Fischer Zwei Soprane, Alt, Tenor und Bass
1942 První hřích (Erster Sündenfall) Männerstimme und Chor
1942 Madrigal Das Angenehme in dieser Welt nach Worten von Friedrich Hölderlin in der tschechischen Übersetzung von Erik A. Saudek. Zwei Soprane, Alt, Tenor und Bass
1942 Bachuri, le’an tisa? Frauenchor
1942 Bearbeitung tschechischer und russischer Volksweisen Tenor und Frauenchor
1. Aby nás pán Bůh miloval
2. Chodzila liška po razi
3. Chodíme, chodíme
4. Na tých našich lukách
5. Poljuško, pole
6. Už mně koně vyváději [Erste Version]
7. Už mně koně vyváději [Zweite Version]
1942/1943 Fantasie und Fuge für Streichquartett
1943 Wiegenlied (Sch´haw b´ni) Bearbeitung eines hebräischen Liedes Frauenchor (oder Solostimme/Sopran) und Klavier
1943 Klaviersonate
Allegro con fuoco
Adagio
Allegro vivace
1944 Streichtrio für Violine, Viola und Cello auch als Partita für Streicher von Vojtěch Saudek rekonstruiert und instrumentiert
Aurélie Branger: Gideon Klein (1919–1945). De Prague à Terezin: creer pour survivre. Observatoire Musical Français, Paris 2004. ISBN 2-84591-104-1. (darin: Werkverzeichnis, S. 51–58).
Initiative Hans Krása (Hrsg.): Komponisten in Theresienstadt. Pavel Haas – Gideon Klein – Hans Krása – Karel Reiner – Siegmund Schul – Viktor Ullmann. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. Initiative Hans Krása, Hamburg 2001, ISBN 3-00-005164-3.
Peter Ambros: Leben vom Blatt gespielt. Eine dramatische Lebenspartitur. Thelem – W.E.B. Universitätsverlag, Dresden 2003, ISBN 3-935712-21-9. (Lesecher 2), (Lebensgeschichte seiner Schwester Eliška Kleinová auf Basis eines Tonbandinterviews von 1994).
Paul Schendzielorz: Studien zur Instrumentalmusik von Gideon Klein. Die Prager und Theresienstädter Jahre im Kontext von Musik- und Zeitgeschichte. Gustav Bosse Verlag, Kassel 2002. ISBN 3-7649-2643-0.
Albrecht Dümling: Torso eines Lebens : der Komponist und Pianist Gideon Klein (1919-1945) ; Beiträge des Symposiums zum 100. Geburtstag von Gideon Klein, 13./14. Dezember 2019, veranstaltet von musica reanimata e. V. in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz, Neumünster : von Bockel Verlag, 2021, ISBN 978-3-95675-031-1