Georg Henrich Wagner (* um 1610; † 18. Februar 1686 in Lich) war ein deutscher Orgelbauer, der im 17. Jahrhundert in Hessen wirkte.
Leben
Georg Henrich Wagner war Sohn des Licher Orgelbauers Georg Wagner, der um 1590 Organist an der Marienstiftskirche wurde und in Lich eine Werkstatt führte. Vater und Sohn arbeiteten bis 1635 zusammen, als Georg Henrichs Frau Anne Christina und Georg Wagner dem Pesttod erlagen. Georg Henrich übernahm von seinem Vater das Organistenamt und die Werkstatt und hatte beides etwa ein halbes Jahrhundert inne: „Nach deme ich fast in die 50 Jahr allhier von meiner gnädigen Herrschaft und Stifft, vor einen Organisten bin ahngenommen worten…“.[1] Als Organist erhielt er vom Fürsten in den besten Jahren 30 Gulden jährlich. Am 24. Oktober 1636 heiratete Georg Henrich Wagner in zweiter Ehe Elisabeth Schöninger (* 10. September 1620; † 8. August 1693 in Lich), die Tochter von Philipp Henrich Schöninger aus Lich. Acht Kinder gingen aus der Ehe hervor, die in den Jahren 1639 bis 1658 in Lich geboren wurden. Der älteste Sohn Johann Georg (* 16. August 1639 in Lich; † 24. Mai 1688 in Lich) führte in vierter Generation die Werkstatt fort.[2]
Werk
Sehr wahrscheinlich erlernte Georg Henrich Wagner den Orgelbau in der väterlichen Werkstatt. An dem Orgelneubau, den sein Vater in der Marburger Pfarrkirche St. Marien 1626 vollendete, ist Georg Henrich Wagner neben seinem Vetter Ebert
(Eberhard) Wagner vermutlich einer der beiden nicht namentlich genannten Gesellen.[3] Ab 1638 ist er mit eigenen Arbeiten nachweisbar. Georg Henrich Wagner entfaltete ausgehend von Mittelhessen einen für die damalige Zeit großen Wirkungskreis vom Taunus bis nach Nordhessen.[4] Wohl bedingt durch die Folgen des Dreißigjährigen Kriegs blieben seine Neubauten von der Größe und künstlerischen Ausstattung hinter den Werken des Vaters zurück. In der Regel verfügten seine Orgeln über sechs bis neun Register auf einem Manual. Grundlage war meist der Prinzipal 4′. Das Pedal war angehängt. Die Prospekte waren bei kleinen Orgeln drei- und bei größeren fünfgliedrig. Bei kleinen Werken wurde ein überhöhter Spitzturm von zwei Pfeifenflachfeldern flankiert. Sie hatten Flügeltüren und waren mit bekrönendem Schnitzwerk, die Schleierbretter der Pfeifenfelder mit flachem, durchbrochenem Schnitzwerk verziert. Bei den fünfachsigen Prospekten gab es einen runden, überhöhten Mittelturm und außen zwei Spitztürme. Zweigeschossige Flachfelder mit Terzaufstellung hatten ein gemeinsames Kranzgesims mit den Spitztürmen und verbanden die Pfeifentürme. Die Mittelpfeife des Mittelturms war immer spiralförmig bossiert, teils auch die Mittelpfeifen der Spitztürme.[5]
Werkliste
Kursivschreibung gibt an, dass die Orgel nicht oder nur noch das historische Gehäuse erhalten ist. In der fünften Spalte bezeichnet die römische Zahl die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal. Die arabische Zahl gibt die Anzahl der klingenden Register an. Die letzte Spalte bietet Angaben zum Erhaltungszustand oder zu Besonderheiten.[6]
Literatur
- Gerhard Aumüller: Geschichte der Orgel von Bad Wildungen im 16. und 17. Jahrhundert. In: Acta Organologica. Bd. 31, 2009, S. 111–148.
- Franz Bösken: Die Orgeln der evangelischen Marienstiftskirche in Lich (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 2). Schott, Mainz 1962.
- Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 7,1). Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 1: A–K. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2.
- Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 7,2). Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 2: L–Z. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1370-6.
- Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,1). Teil 1: A–L. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7.
- Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,2). Teil 2: M–Z. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5.
Einzelnachweise
- ↑ Bösken: Die Orgeln der evangelischen Marienstiftskirche in Lich. 1962, S. 26.
- ↑ Otto Heuss, Wolfgang Guhswald: 400 Jahre Orgelbautradition in Lich. In: Paul Görlich (Bearb.); Magistrat der Stadt Lich (Hrsg.): Licher Heimatbuch. Die Kernstadt und ihre Stadtteile. Selbstverlag, Lich 1989, S. 229–240, hier: S. 230.
- ↑ Aumüller: Geschichte der Orgel von Bad Wildungen. 2009, S. 124.
- ↑ Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3/1. 1988, S. 12.
- ↑ Werkliste nach Aumüller: Geschichte der Orgel von Bad Wildungen. 2009, S. 134–135.
- ↑ Werkliste nach Aumüller: Geschichte der Orgel von Bad Wildungen. 2009, S. 129–130.
- ↑ Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 2/2. 1975, S. 828–831.
- ↑ Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 2/1. 1975, S. 96.
- ↑ Ursula Ostrowski: Vier Jahrhunderte Kirchenmusik. Ev. Kirche Breidenbach. Breidenbach 2017, S. 18 f.
- ↑ Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3/1. 1988, S. 256–258.
- ↑ Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 2/1. 1975, S. 128–129.
- ↑ Helmut Fritz: Orgelgeschichte der Ev. Laurentiuskirche Usingen, abgerufen am 23. März 2022 (PDF-Datei; 4,5 MB).
- ↑ Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3/1. 1988, S. 497–498, 550–551.
- ↑ Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 2/1. 1975, S. 441–442.
- ↑ Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 2/1. 1975, S. 30, 462.
- ↑ Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3/2. 1988, S. 725–727.
- ↑ Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3/2. 1988, S. 827.
- ↑ Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3/1. 1988, S. 74–75; Bd. 3/2. S. 800–805.
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