Günter FigalGünter Figal (* 15. Juli 1949 in Langenberg, Rheinland; † 17. Januar 2024 in Ulm[1]) war ein deutscher Philosoph. LebenFigal studierte Philosophie und Germanistik in Heidelberg. In seinem Studium der Philosophie wurde er vor allem von Hans-Georg Gadamer, Michael Theunissen, Dieter Henrich und Ernst Tugendhat beeinflusst. 1976 wurde er in Heidelberg bei Michael Theunissen und Dieter Henrich mit einer Arbeit über Adorno promoviert. 1987 folgte, ebenfalls in Heidelberg, die Habilitation mit einer Arbeit über Martin Heidegger. 1989 wurde er als Professor für Philosophie nach Tübingen berufen, 2001 folgte er einem Ruf auf eine C4-Professur für Philosophie nach Freiburg (Lehrstuhl Edmund Husserl und Martin Heidegger). Figal hatte zahlreiche Gastprofessuren an mehreren internationalen Universitäten inne, unter anderem in Aarhus, Nishinomiya, Berlin, Rom und Boston. Im akademischen Jahr 2005/2006 war er Inhaber des Kardinal-Mercier-Lehrstuhls an der Katholieke Universiteit Leuven. Von 2003 bis 2015 war Figal Vorsitzender der Martin-Heidegger-Gesellschaft und seit 2009 Herausgeber der Reihe Heidegger Forum im Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt. Seit 1998 gab er die Schriftenreihe Philosophische Untersuchungen, seit 2002 das Internationale Jahrbuch für Hermeneutik heraus, beide im Verlag Mohr Siebeck. Seit 2013 gab Figal das erste deutschsprachige Heidegger-Lexikon im De-Gruyter-Verlag heraus. Von 2013 bis 2016 saß er im Vorstand des Sonderforschungsbereichs „Muße“ an der Universität Freiburg. Im Januar 2015 trat Figal vom Vorsitz der Martin-Heidegger-Gesellschaft zurück. Zur Begründung gab er in einem Südwestrundfunk-Interview die 2014 in der Heidegger-Gesamtausgabe veröffentlichten Schwarzen Hefte an, die es ihm unmöglich machten, die Gesellschaft und die Person weiterhin zu repräsentieren.[2] ForschungsschwerpunkteFigal beschäftigte sich epochenübergreifend vor allem mit Metaphysik, Phänomenologie und Hermeneutik. Gegenständlichkeit (2006)Mit dem Werk „Gegenständlichkeit“ hat Figal den Entwurf einer eigenen phänomenologisch-hermeneutischen Philosophie vorgelegt, der vor allem an Heidegger und Gadamer anschließt. Am Problem der Interpretation beschreibt Figal den Verlust eines realistischen Grundzugs in der Moderne, durch den die „moderne Philosophie im ganzen wie ein großangelegtes Entgegenständlichungsunternehmen erscheint“.[3] Dagegen versucht Figal „Gegenständlichkeit“ als eigenes philosophisches Grundproblem zu etablieren (§ 13). Diese zeige sich in der Welt als einem „hermeneutischen Raum“, der durch die drei Dimensionen Freiheit, Sprache und Zeit gekennzeichnet ist. Auf diese Weise integriert Figal die moderne Subjektivitätsphilosophie (Freiheit), die Sprachphilosophie nach dem „linguistic turn“ (Sprache) und die temporale Ontologie Heideggers (Zeit) in die hermeneutische Fragestellung. Als Bezeichnung für das Grundgeschehen in diesem Raum lehnt Figal die Heideggerschen Begriffe „Sein“ oder „Ereignis“ ab, sondern versucht im abschließenden Kapitel den Begriff „Leben“ philosophisch zu rehabilitieren. Erscheinungsdinge (2010)In Erscheinungsdinge entwickelt Figal eine phänomenologische Ästhetik, die sich von Versuchen abgrenzt, Kunst im Rahmen metaphysischer Systeme zu erklären, wie es für Hegel, Heidegger, aber auch Gadamer kennzeichnend gewesen sei. In Abgrenzung zu seinem eigenen Ansatz bezeichnet Figal diese Form des Nachdenkens über Kunst als Kunstphilosophie im Unterschied zu einer philosophischen Ästhetik (§ 3). Dem Buch dient deshalb Husserls Diktum als Motto, es gelte, zu den „Sachen selbst“ zurückzukehren, anstatt sich von „verkehrten Theorien“ irre machen zu lassen. Diese Zuwendung zu den Sachen konkretisiert sich für Figal in der Ästhetik als Zuwendung zu den Werken der Kunst als Gegenständen, die in eminenter Weise phänomenal sind. Sie bezeichnet Figal deshalb als „Erscheinungsdinge“. Was diese Gegenstände als Kunstwerke auszeichnet, ist deren „dezentrale Ordnung“. Diese Ordnung ist nicht begrifflich strukturiert. Figal übernimmt von Kant also den Gedanken, es gebe ein „freies Spiel“ (§ 4) in der Erfahrung von Kunst, erklärt dieses aber nicht als Spiel subjektiver Vermögen, sondern als phänomenale Wirkung der Kunstwerke selber. Kunstwerke derart als dezentrale Ordnung zu verstehen ermöglicht es Figal auch, sie als „Mischungen“ (§ 9) verschiedener Kunstgattungen zu begreifen. Das erlaubt es ihm, verschiedene Erscheinungsformen von Kunst zu unterscheiden – Figal diskutiert das Rhythmische der Musik, das simultane Erscheinen von Bildern und das präzise Gefüge lyrischer Sprache – ohne die verschiedene Formen als Kunstgattungen voneinander zu trennen. Die Einheit der verschiedenen Kunstformen versteht Figal dabei als eine eminent räumliche, weshalb die Architektur für ihn paradigmatische Bedeutung erhält. Kunstwerke zeichnet aus, dass sie in besonderer Weise „Orte“ (§ 13) prägen und so ein absolutes „Hier“ (§ 15) markieren, ganz so, wie es nach Husserl nur menschliche Leiber vermögen. In der Ästhetik greift Figal auf eine große Zahl an Beispielen zurück, um seine Überlegungen zu konkretisieren. Besondere Bedeutung kommt dabei der Neuen Musik, Werken des abstrakten Expressionismus sowie Bauten von Frank Lloyd Wright und Peter Zumthor zu – die größte Zahl der Beispiele entstammen also der Kunst der Moderne. Neben der Kritik der Urteilskraft sind vor allem Paul Valérys Essays wichtige kunsttheoretische Bezugspunkte. Schriften (Auswahl)
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Nachweise
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