Gérard Philipe kam 1922 als Sohn des Hoteliers und Anwalts Marcel Philip und seiner Frau Maria Elisa „Minou“ Philip (geb. Vilette) in Cannes zur Welt. Auf Wunsch des Vaters begann Philipe nach bestandenem Baccalauréat ein Jurastudium in Nizza, wo er die Bekanntschaft des Regisseurs Marc Allégret machte, dem er vorsprach.[2] Allégret erkannte sein Schauspieltalent; Philipe schrieb sich auf seine Empfehlung hin am Centre des jeunes du cinéma in Nizza für Schauspielkurse ein und besuchte zudem Schauspielkurse bei Jean Wall und Jean Huet in Cannes.[3] Nach einer ersten Rolle im Jahr 1942 in Die Komödianten kommen von André Roussin an einem Boulevardtheater in Nizza zog Philipe nach Paris, um am Conservatoire national supérieur d’art dramatique zu studieren. In Paris wurde er schon bald durch das Stück Sodome et Gomorrhe von Jean Giraudoux, vor allem aber 1945 mit der Titelrolle in Caligula von Albert Camus als Schauspieler bekannt. 1951 trat er Jean VilarsThéâtre National Populaire (TNP) bei, mit dem er in Paris sowie auf dem Festival von Avignon und auf Tourneen in Stücken wie Le Cid von Pierre Corneille oder Der Prinz von Homburg von Heinrich von Kleist fortlaufend Erfolge verbuchen konnte. Er spielte ein klassisches Repertoire und führte bei mehreren Stücken von Alfred de Musset, aber auch von zeitgenössischen Autoren wie Henri Pichette und Jean Vauthier selbst Regie.
Bei Die Abenteuer des Till Ulenspiegel, einer Koproduktion von Frankreich und der DDR, übernahm Philipe im Jahr 1956 neben der Titelrolle das einzige Mal in seiner Karriere auch die Regie eines Films. Im Jahr 1958 stand er mit den Stücken Le Cid und Alfred de Mussets Lorenzaccio auch am Broadway in New York auf der Theaterbühne. In Roger VadimsGefährliche Liebschaften, einer Verfilmung des gleichnamigen Briefromans von Choderlos de Laclos, hatte er 1959 neben Jeanne Moreau die Rolle des Valmont inne. Ebenfalls 1959 war Philipe in dem auf einer Sträflingsinsel spielenden Filmdrama Für ihn verkauf’ ich mich von Luis Buñuel ein letztes Mal auf der Leinwand zu sehen. Er starb noch im selben Jahr während der Dreharbeiten für einen neuen Film und wenige Tage vor seinem 37. Geburtstag infolge einer Leberkrebserkrankung.
In Bezug auf seine enorme Popularität wurde Philipe, der im Jahr 1990 postum mit dem César-Ehrenpreis ausgezeichnet wurde, auch als „Liebling der Götter“ bezeichnet; andere sahen in ihm in erster Linie einen begnadeten Schauspieler. Selbst seine politischen Ansichten, seine Vorliebe für den russischen Film, sein Versuch, eine französisch-chinesische Produktion zu realisieren, und seine Zusammenarbeit mit der DEFA schadeten seiner Karriere nicht. Als politisch interessierter Schauspieler nahm er am Stockholmer Appell gegen Kernwaffen teil. Im Jahr 1958 wurde er Präsident des Syndicat français des acteurs (SFA).
Gérard Philipe war von 1951 bis zu seinem Tod mit der Ethnographin, Schriftstellerin und Schauspielerin Nicole Fourcade (1917–1990) verheiratet, die sich später Anne Philipe nannte. Ihre gemeinsame Tochter Ann-Marie, die später ebenfalls Schauspielerin wurde, kam am 21. Dezember 1954 zur Welt; am 9. Februar 1956 wurde das zweite Kind, Olivier, geboren.
Nach seinem frühen Tod wurde Philipe – seinem letzten Willen entsprechend – in dem kleinen Städtchen Ramatuelle, oberhalb der Bucht von Saint-Tropez, im Kostüm des El Cid beerdigt. Seine Witwe wurde 1990 an seiner Seite begraben. Die dortige Schule wurde nach ihm benannt. Den Namen „Gérard Philipe“ tragen zudem zahlreiche Theater und Kulturhäuser, darunter das Centre Dramatique National in Saint-Denis, die städtischen Theater in Orléans, Montpellier, Meaux, Calais, Champigny-sur-Marne, Saint-Cyr-l’École, Lüttich, Saint-Jean-de-Maurienne und Saint-Nazaire sowie das Kulturhaus in Raguhn und das Collège Gerard Philipe in Bagnols-sur-Cèze. Im Jahr 1960 wurde auch ein Kino in Berlin-Treptow nach ihm benannt.
Auf der anderen Seite kämpfte Gérard im August 1944, während des Aufstands für die Befreiung von Paris, in der Résistance. Marcel Philip wurde gefangen gesetzt, erst in Saint-Denis, dann in Grasse. Sein Sohn versuchte, seine Beziehungen zu nutzen, um ihm zu helfen, was ihm aber nur teilweise gelang. Seinem Vater glückte jedoch 1945 (während sein Sohn in Paris als Caligula auftrat) die Flucht; er ging nach Spanien und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Nach einer Amnestie kehrte er, zehn Jahre nach dem Tod seines Sohnes, nach Frankreich zurück.
Preis
Die Stadt Paris vergibt seit 1962 den nach Gérard Philipe benannten „Grand Prix Gérard-Philipe de la Ville de Paris“, der fast jedes Jahr als Auszeichnung für den besten Schauspieler bzw. die beste Schauspielerin an einem Pariser Theater vergeben wird. Preisträger waren u. a. Gérard Depardieu, Daniel Auteuil, Maria de Medeiros und Isabelle Carré. Fallweise wird der Preis doppelt vergeben, wie z. B. 1962 an Jean-Pierre Moulin und Claude Giraud oder 1980 an André Dussollier und Francis Huster.
Gérard Philipe, fils de «collabo». In: Gérard Bonal: Revue Historia, Juni 1995, S. 32.
Anne Philipe: Le Temps d’un soupir. René Julliard, Paris 1963.
Übers. Margarete Bormann: Nur einen Seufzer lang. Rowohlt, Reinbek 1964, ISBN 3-499-11121-7; Neuauflage: Nur einen Seufzer lang. Geschichte einer Liebe. Ebersbach & Simon, Berlin 2017.