1971 floh Florian Havemann mit seiner Freundin in einem leeren Tanklastwagen in den Westen.[6] Havemanns Flucht gab dem Sänger und DDR-Dissidenten Wolf Biermann den Anstoß für das Lied Enfant perdu; dies trug er neben anderen bei seinem bekanntesten Konzert am Vorabend der Ausbürgerung in Köln am 13. November 1976 vor. In dem Lied kritisiert Biermann Havemann und dessen Flucht scharf: „Wer abhaut aus dem Osten, / der ist auf unsere Kosten / von sich selber abgehaun“, „dort macht er den linken Clown“ sowie mit einem doppeldeutigen „er ist hinüber“ und „Abgang ist überall“. Biermann, nun selbst im Westen, sandte Havemann böse Wünsche: „Lass, lass in die Binsen gehen, / damit wir im Osten sehen, / dass der, der abfällt, fällt.“[7]
Havemann betätigt sich als Autor von Bühnenstücken, darunter Speer (über Albert Speer) und Rosa (über Rosa Luxemburg), die jedoch bisher nicht zur Aufführung kamen,[12] und hat außerdem als Komponist mehrere Theatermusikstücke vorgelegt sowie einen Klavierzyklus geschrieben und aufgeführt. Von Oktober 2005 bis Oktober 2011 war er zusammen mit Daniel Küchenmeister und Helge Meves Herausgeber der im Internet erscheinenden Zeitschrift für unfertige Gedanken, für die unter anderen auch der Berliner Autor und Journalist Thomas Wieczorek schrieb.
2021 war Havemann Mitbegründer des Verlags Freunde & Friends,[13] bei dem er die Verantwortlichkeit für den Inhalt nach § 55 Abs. 2 RStV übernahm.[14] Seit 2021 schreibt Florian Havemann für eine Essay-Reihe in der Berliner Zeitung am Wochenende: Der unfertige Gedanke.[15]
Havemann lebt in Berlin. Sein Atelier und Galerie befindet sich seit 2019 in der Friedrichstraße.[16] Aus seinem Atelier heraus hat er nach eigenen Angaben bis Januar 2022 noch nie ein Bild verkauft.[17] Havemann heiratete 1988 Agnès Vigneron und hat mit ihr drei Kinder: Ingrid, Caroline und Gabriel wurden 1993, 1998 und 1999 geboren. Er ist mit Hanna Lakomy liiert.[18]
Kontroverse um die Autobiografie Havemann (2007)
Unter dem Titel Havemann verfasste Florian Havemann einen 1100 Seiten starken, von ihm als „Tatsachenroman“ bezeichneten Roman über das Leben seines Großvaters Hans Havemann, seines Vaters Robert Havemann und sein eigenes. Das Werk machte bereits vor seiner Veröffentlichung im November 2007 Schlagzeilen, insbesondere, weil Havemann darin Wolf Biermann einen bis kurz vor dessen Ausbürgerung bestehenden Sexualkontakt zur damaligen Volksbildungsministerin Margot Honecker, der Ehefrau des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, unterstellt.[19] Das Buch wurde von mehreren Kritiken als „Vatermord“ bezeichnet und überwiegend negativ aufgenommen.[20]
Nachdem ein Protagonist des Romans sich verunglimpft gesehen hatte, gab der Suhrkamp Verlag eine Unterlassungserklärung ab und rief das Buch am 21. Dezember 2007 aus dem Buchhandel zurück.[21] Da mehrere Personen, darunter Angela Merkel, Joachim Sauer, Eva-Maria Hagen und Havemanns Schwester Sybille, für Streichungen gestritten hatten,[22] erschien im September 2008 eine neue, gekürzte und geschwärzte Auflage. Zuvor war das Buch mit Einschwärzungen als Download erhältlich gewesen.[23][24] Einer Klägerin sprach das Landgericht Berlin Schmerzensgeld für ihre Erwähnung mit Klarnamen und Denunziation als Femme fatale zu.[25]
Der 2006 von Havemann bei Suhrkamp zuerst eingebrachte, dann aber wegen Havemann zurückgestellte Roman Speedy ging infolge des Skandals zunächst gar nicht in Druck. Erst nachdem sich Clemens J. Setz 2019 in einem Artikel in der FAZ für den Roman eingesetzt hatte, wurde er vom Europa Verlag veröffentlicht.[26]
Werke
Auszüge aus den Tafeln des Schicksals – ein Porträt von Velimir Chlebnikov. März bei Zweitausendeins, Frankfurt 1977.
Havemann. Autobiografie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-41917-5 (1092 S.)., Besprechung:[27]
Florian Havemann – Rosa, Speer – Bilder. Anlässlich der Ausstellung „Florian Havemann – Rosa, Speer – Bilder“, Schloss Neuhardenberg, 30. März bis 29. Juni 2008. Stiftung Schloss Neuhardenberg/Neubrandenburg 2008, ISBN 978-3-9812196-0-9.
Christoph Dieckmann: Das uralt kluge Kind. Florian Havemann ermordet seinen toten Vater, auf dass er lebe. In: Die Zeit. 12. Dezember 2007 (zeit.de – über das Buch „Havemann“).
↑ abVita In: Florian Havemann: Persönliche Homepage. PDS Sachsen, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2002; abgerufen am 30. August 2020.
↑Christoph Dieckmann: Der Vatermörder. Was für ein Leben: Haft, Flucht, Elektriker, Richter und immer der umstrittene Sohn. Eine Begegnung mit Florian Havemann. In: Die Zeit, 21. Januar 2021, S. 20.
↑Robert Ide: Der Ost-Moderne. Richter. Künstler. Sohn des prominentesten DDR-Oppositionellen. Florian Havemann, 68, ist eine der schillerndsten Geheimnisgestalten im vor lauter zerwühlten Gefühlen zerklüfteten Osten. Treffen mit einem, der lebt, wie sein neuer Roman sich liest. In: Der Tagesspiegel, 28. August 2020, S. 3.
↑Wolf Biermann: Für meine Genossen : Hetzlieder, Balladen, Gedichte. Mit Noten zu allen Liedern (= Quarthefte. Nr.62). Wagenbach, Berlin 1972, ISBN 978-3-8031-0062-7, S.83–85 („Snippet“ in der Google-Buchsuche).
↑Christoph Dieckmann: Der Vatermörder. Was für ein Leben: Haft, Flucht, Elektriker, Richter und immer der umstrittene Sohn. Eine Begegnung mit Florian Havemann. In: Die Zeit, 21. Januar 2021, S. 20.
↑Robert Ide: Der Ost-Moderne. Richter. Künstler. Sohn des prominentesten DDR-Oppositionellen. Florian Havemann, 68, ist eine der schillerndsten Geheimnisgestalten im vor lauter zerwühlten Gefühlen zerklüfteten Osten. Treffen mit einem, der lebt, wie sein neuer Roman sich liest. In: Der Tagesspiegel, 28. August 2020, S. 3.
↑„Als ich merkte, dass es nichts wird mit dem Theater, war das der größte Einbruch meines Lebens.“ (Zitiert nach: Christoph Dieckmann: Der Vatermörder. Was für ein Leben: Haft, Flucht, Elektriker, Richter und immer der umstrittene Sohn. Eine Begegnung mit Florian Havemann. In: Die Zeit, 21. Januar 2021, S. 20.)
↑Christoph Dieckmann: Der Vatermörder. Was für ein Leben: Haft, Flucht, Elektriker, Richter und immer der umstrittene Sohn. Eine Begegnung mit Florian Havemann. In: Die Zeit, 21. Januar 2021, S. 20.
↑Robert Ide: Unterwegs mit dem abtrünnigen Sohn des bekanntesten DDR-Oppositionellen. In: Der Tagesspiegel Online. 12. Januar 2022, ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 29. Juni 2022]).
↑Der Name des Vaters (Memento vom 18. November 2007 im Internet Archive), Der Tagesspiegel, 17. November 2007. Das Fazit der Buchbesprechung lautet: „Florian H. erzählt von drei Havemännern, vom Großvater, Vater und Sohn. Der Sohn ist er selber. Drei vielfältig begabte Glücksspieler, Pechhaber, Überlebenskünstler. Das erscheint für sich genommen noch nicht ungewöhnlich. Aber das Buch ist ein Monster. Mal langatmig, mal atemberaubend, voller Enthüllungen, Entblößungen, voller Liebe, Hass und etwas, das Hassliebende, Besessene, Verhexte sonst gar nicht haben. Nämlich Humor, auch Selbstironie, neben der Eitelkeit auch Demut, neben aller Zynik Zartheit.“
↑Robert Ide: Der Ost-Moderne. Richter. Künstler. Sohn des prominentesten DDR-Oppositionellen. Florian Havemann, 68, ist eine der schillerndsten Geheimnisgestalten im vor lauter zerwühlten Gefühlen zerklüfteten Osten. Treffen mit einem, der lebt, wie sein neuer Roman sich liest. In: Der Tagesspiegel, 28. August 2020, S. 3.
↑Havemann. 21. März 2008, archiviert vom Original am 21. März 2008; abgerufen am 8. September 2022.
↑Christoph Dieckmann: Der Vatermörder. Was für ein Leben: Haft, Flucht, Elektriker, Richter und immer der umstrittene Sohn. Eine Begegnung mit Florian Havemann. In: Die Zeit, 21. Januar 2021, S. 20.