Fantasia
Fantasia ist der dritte abendfüllende Zeichentrickfilm der Walt Disney Studios, aus dem Jahr 1940. Der gesamte Film wird von klassischer Musik begleitet, gespielt vom Philadelphia Orchestra, das von Leopold Stokowski dirigiert wird. Aufbauend auf dem Prinzip der Silly Symphonies (Cartoons ohne Sprechteil, lediglich mit klassischer Musik unterlegt) kreierte man mit Fantasia einen Klassiker der Filmgeschichte, der auch als eine frühe Form des Musikvideos angesehen werden kann und als erster Spielfilm ein Mehrkanal-Tonsystem verwendete. Zwischen den einzelnen Cartoon-Segmenten sind Stokowski und das Orchester zu sehen; der Musikkritiker Deems Taylor spricht die verbindenden Kommentare. Eine lange geplante Fortsetzung wurde 1999 mit Fantasia 2000 verwirklicht. InhaltGrundidee des Films ist es, ein klassisches Konzert zu zeigen, bei dem die Zuschauer während der Präsentation der Musikstücke nicht ihre eigenen bildlichen Vorstellungen zur Musik, sondern die der Disney-Zeichentrickkünstler zu sehen bekommen, welche sich teils erheblich von den ursprünglichen Themen der Stücke unterscheiden. Zwischen den einzelnen Stücken sieht man das Orchester, den Dirigenten sowie den Moderator Deems Taylor, der allerdings in neueren Versionen des Films durch einen Sprecher aus dem Off ersetzt wurde. Es gibt auch in der Mitte des Films eine gekürzte Pause sowie Improvisationsszenen mit dem Orchester, um der Konzertatmosphäre möglichst nahezukommen. Die verwendeten Stücke sind:
Ein weiterer Kurzfilm, der Claude Debussys Klavierstück Clair de Lune aus der Suite bergamasque in einer Orchesterfassung verwendet, wurde kurz vor der Fertigstellung aus dem Film entfernt. Er zeigt die Begegnung zweier Silberreiher in einer mondbeschienenen Sumpflandschaft. Dieses Segment konnte erst 1996 wiederhergestellt werden und ist im Bonusmaterial der Fantasia-DVD von 2002 zu finden. Die Kürzungen wurden vorgenommen, um alle Stücke in einer Zeit von 124 Minuten unterzubringen; ansonsten hätte der Film eine Laufzeit von mehr als drei Stunden. Wenn auch der Film aus mehreren kleinen Sequenzen besteht, so gibt es doch einige Motive, die das gesamte Werk optisch und handlungsmäßig zusammenhalten. So handeln die Filme vom Vergehen der Zeit; dargestellt als Wechsel der Jahreszeiten, Geschichte der vorgeschichtlichen Lebewesen oder den Ablauf des Tages von Morgen bis Abend. EntstehungsgeschichteIn den späten dreißiger Jahren verlor Disneys Micky Maus langsam an Popularität beim Publikum. Die Cartoon-Serie aus den Micky-Maus-Kurzfilmen brachte dem Nebencharakter Donald Duck eine eigene Kurzfilmserie ein, die sich als profitabler und beliebter erwies. Walt Disney war aber nicht bereit, seinen Lieblingscharakter aufzugeben. Ursprünglich sollte der stumme Seppel (aus dem ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm der Walt Disney Studios „Schneewittchen und die sieben Zwerge“) als Zauberlehrling auftreten. Disney entschied jedoch, einen „Comeback“-Film für Micky Maus zu produzieren. Dafür entwarf der Zeichner Fred Moore die Figur neu. Micky Maus wurde fülliger, hatte eine menschliche Hautfarbe, Augenbrauen und sichtbare Pupillen. Besonders die Veränderungen im Gesicht vergrößerten die Ausdrucksmöglichkeiten der Figur. Auch die Einzelanimationen der Charaktere und die Spezialeffekte (insbesondere das Wasser und die Sternschnuppen) wurden sehr detailliert ausgeführt. 1938 begannen die Arbeiten am Zauberlehrling, der zu Beginn dem Konzept der Silly Symphonies folgen und als eigenständiger Kurzfilm erscheinen sollte. Kurz darauf traf Disney zufällig den berühmten Dirigenten Leopold Stokowski. Stokowski bot Disney an, die Filmmusik für den Cartoon ohne Bezahlung aufzunehmen und schaffte es tatsächlich, einhundert professionelle Musiker für dieses Projekt zu begeistern. Dies alles kostete das Studio insgesamt 125.000 US-Dollar, eine Summe, von der Walt Disney und sein Unternehmenspartner und Bruder Roy wussten, dass sie sie nicht wieder einspielen konnten. Das durchschnittliche Budget für einen animierten Kurzfilm betrug zu dieser Zeit 30.000 US-Dollar. Disney erzielte pro Cartoon einen Gewinn von höchstens 10.000 Dollar. Der erfolgreichste gezeichnete Kurzfilm der Walt Disney Studios ist bis heute Die drei kleinen Schweinchen aus dem Jahr 1933 mit einem Einspielergebnis von 60.000 Dollar. Stokowski gab Disney den Rat, den Zauberlehrling in einen abendfüllenden Film zu integrieren, in dem jener nur eine musikalisch unterlegte Zeichentrick-Szene von vielen wäre. Der Musikkritiker Deems Taylor wurde engagiert, um vor jeden Filmabschnitt eine kurze, von ihm selbst verfasste Einleitung zu sprechen. Stokowski schlug den Titel „Fantasia“ (etwa: „ein Gemisch aus bekannten Themen mit Variationen und Zwischenspielen“) vor[3]. Der Arbeitstitel zu diesem Film lautete bis zu diesem Moment The Concert Feature, also auf Deutsch etwa „Der Konzertfilm“. Als die Arbeiten am Zauberlehrling Anfang 1939 kurz vor dem Abschluss standen, begann die Produktion der übrigen Kurzfilme. Um den Zuschauern ein besseres Konzerterlebnis zu bieten, wurde der Soundtrack (erstmals für einen Spielfilm) im Mehrkanalton aufgenommen. Das eigens hierfür entwickelte System wurde Fantasound genannt. Geplant waren auch die Verwendung des damals neuartigen Breitbildformats, dreidimensionale Bilder in der Toccata und Fuge in D-Moll, BVW 565 und versprühte Duftstoffe in verschiedenen Segmenten. Diese Techniken hätten jedoch den Kostenrahmen des ohnehin teuren Films völlig gesprengt und die Vermarktung erschwert. VeröffentlichungsgeschichteWalt Disney wollte, dass Fantasia für die Zuschauer mehr als nur ein Kinofilm würde: ein Ereignis, für das man sich „in Schale schmiss“ und vorher Plätze reservierte. Besondere Programmhefte für den Film wurden erstellt, in denen Produktionsskizzen, Fotos, Widmungen und eine kurze Zusammenfassung zu jedem Kurzfilm abgedruckt waren. Um das Erlebnis perfekt zu machen und den neuartigen Raumklang nutzen zu können, wurden in jedem Kino mindestens dreißig zusätzliche Lautsprecher um den Sitzbereich herum aufgestellt. Disney sah den Film mehr als ein Konzert denn als einen klassischen Trickfilm. Daher hat Fantasia ursprünglich weder Vor- noch Nachspann, obwohl dies zu damaliger Zeit mehr als ungewöhnlich war. Das Werk lief im Jahr 1940 in einigen US-amerikanischen Kinos an, seine Premiere feierte es am 13. November 1940 in New York City im Broadway-Theater. Fantasia war zunächst ein finanzieller Misserfolg, der Walt Disney beinahe in den Ruin trieb. Am 29. Januar 1941 erhielten RKO Pictures die Vertriebsrechte am Film und mischten den Soundtrack des Films neu zu einem monofonen Soundtrack ab, um den Film leichter vertreiben zu können. Ende 1941 hatten RKO Pictures es geschafft, den 125-minütigen Film auf 81 Minuten herunterzukürzen, indem sie Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 herausnahmen und Deems Taylors Einleitungen stark verkürzten. Am 6. Januar 1942 wurde diese Version des Films im ganzen Land veröffentlicht. Zum ersten Mal spielten Kinos in allen Staaten Nordamerikas den Film, doch er traf den Geschmack des Publikums nicht und wurde von den meisten Lichtspielhäusern als B-Movie eingesetzt. 1946 wurde der 1941 herausgeschnittene Abschnitt wieder eingefügt, Deems Taylors Einleitungen jedoch wurden weiter in der Kurzfassung gespielt. Diese Version von Fantasia wird General Release Version („Allgemeine Veröffentlichungsversion“) genannt, in Unterscheidung zur Original Roadshow Version. Später wurde ein stereofoner Soundtrack abgemischt und der Film auf Breitbildformat umgeschnitten. Fantasia konnte über zwanzig Jahre lang trotz mehrerer Wiederaufführungen keinen Gewinn erzielen. Jedoch wurde der Film 1969 bei Jugendlichen sehr beliebt, die den Film unter dem Einfluss von Drogen wie LSD oder Haschisch auf eine neue Weise genießen wollten. Disney sah darin die Chance, Fantasia umsatzstärker verkaufen zu können und bewarb ihn auf psychedelisch wirkenden Plakaten als „Trip-Film“, was maßgeblich zum Erfolg dieser Wiederaufführung beitrug. Zu dieser Zeit wurde auch eine rassistisch inszenierte Esel-Zentaurin aus dem Kurzfilm zur Pastorale entfernt. In erster Linie geschah dies über Ausschnittsvergrößerungen, Szenenwiederholungen und in einer Szene eine aufwändige Retouche. Als der Film 1982 erneut in die US-amerikanischen Kinos kommen sollte, wurde der gesamte Soundtrack des Films digital in Stereo mit einem Studioorchester neu aufgenommen, dirigiert von Irwin Kostal. Deems Taylors Kommentare zwischen den Stücken wurden von einem Stimmimitator nachgesprochen. Zum 50. Jahrestag des Films im Jahre 1990 ließen Walt Disney Pictures Originalbild und -musik restaurieren und sämtliche Schnitte der General Release Version (bis auf die Sequenz mit der Esels-Zentaurin) wiederherstellen. Zusätzlich wurde ein (völlig neuer) Nachspann angefügt. Diese Überarbeitung des Films erschien ein Jahr später erstmals auf VHS. Zehn Jahre später fügte man alle Szenen mit Deems Taylor wieder in den Film ein, so dass der Film wieder seine ursprüngliche Länge von 124 Minuten erreichte. Da einige Originaltonaufnahmen unauffindbar waren, wurden Deems Taylors Kommentare erneut nachgesprochen. Diese Fassung erschien erneut 2010 in verbesserter Bild- und Tonqualität. Deutsche VeröffentlichungsgeschichteFantasia lief erstmals 1952 in deutschen Kinos. 1991 erschien in Deutschland eine VHS mit der wiederhergestellten General Release Version. Diese ist auch auf der DVD von 2002 enthalten.[4] Erst die Fassung von 2010 enthält die weitgehend wiederhergestellte Original Roadshow Version. Am 20. Juni 2014 sendete der deutsche Disney Channel erstmals den Film in einer 119 Minuten langen Version im frei empfangbaren Fernsehen. SynchronisationFantasia wurde, zum ersten Mal, 1952 für das Kino synchronisiert. Da sich spätere Wiederveröffentlichungen an den jeweils aktuellen amerikanischen Fassungen orientierten, die die Zwischenszenen jeweils in unterschiedlicher Länge enthielten, war mehrmals eine Neusynchronisation notwendig. Insgesamt existieren vier deutsche Synchronfassungen, die letzte davon entstand erst 2010.[5]
FortsetzungenWährend seiner Entstehung war geplant, Fantasia regelmäßig in bearbeiteter Form wiederzuveröffentlichen. Dabei sollten einige Kurzfilme durch neue Szenen mit anderer Musik ersetzt werden, in Anlehnung an eine Konzerttour. So sollte Fantasia als ständiges Work in progress erhalten bleiben. Der finanzielle Misserfolg des Films sowie die Vermarktungs- und Produktionsbeschränkungen durch den Zweiten Weltkrieg verhinderten dies jedoch. Danach wurde erst Ende der 1970er Jahre der Gedanke einer Fortsetzung zu Fantasia wieder aufgegriffen. Man entschied sich für einen Film namens Musicana, der statt rein klassischer Musik Stücke aus verschiedensten Ländern verwenden sollte. Inhaltlich sollten beispielsweise die jeweils passenden lokalen Mythologien verarbeitet werden. Auf Grund der schwierigen Verhältnisse im Disney-Studio zu Beginn der 1980er Jahre ging der Film jedoch nicht über die Konzeptphase hinaus. Weiterhin war zwischenzeitlich ein Fantasia ähnlicher Film mit orchestralen Versionen von Songs der Beatles angedacht.[6] Schließlich realisierte Roy E. Disney in den 1990er Jahren erfolgreich ein Fortsetzungskonzept, Fantasia 2000. Dessen geplante Weiterführung unter dem Arbeitstitel Fantasia 2006 war zu Beginn der 2000er Jahre in Arbeit und sollte ähnlich wie Musicana Musik aus verschiedenen Ländern verwenden. Letztendlich erschienen jedoch nur vier einzelne Kurzfilme. Laut Disney-Produzent Don Hahn ist momentan keine weitere Fantasia-Fortsetzung in Arbeit, auch wenn der Geist des Projekts beispielsweise in den aktuellen Pixar-Kurzfilmen weiterlebe.[7] Auszeichnungen
Kritiken
MedienDVD- und Blu-ray-Disc-Veröffentlichungen
Soundtrack
Literatur
Siehe auchAllegro non troppo, Interpretation der Verschmelzung von klassischer Musik mit Zeichentrick von Bruno Bozzetto. Fantasia wird teilweise auch parodiert. Die Besen aus Fantasia hatten diverse Gastauftritte in anderen Filmen und Serien innerhalb und außerhalb des Disney-Multiversums.
Weblinks
Einzelnachweise
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