Erhalt uns, Herr, bei deinem WortDas Lied Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort ist ein von Martin Luther geschaffenes Kirchenlied. Es erschien 1541 mit dem Zusatz „Ein Kinderlied, zu singen wider die zween Ertzfeinde Christi und seiner heiligen Kirchen, den Bapst und Türcken“. Das vor dem Hintergrund der Türkenkriege als Auftragswerk 1542 entstandene antipäpstliche und antitürkische Kampflied wurde wegen seiner provokativen zweiten Zeile „und steur des Papsts und Türcken mord“ (zu verstehen als „wehre des Papsts und Türken Mord(en)“) über Jahrhunderte als der umstrittenste evangelische Gesang angesehen. Diese Zeile ist inzwischen verändert worden. GeschichteDas KampfliedBereits die Türkenkriege des Jahres 1529 lösten vielfache mediale Reaktionen in Deutschland aus, in die auch Luther eingriff. In seiner Schrift Vom Kriege wider die Türken benannte er den Türken und den Papst als gemeinsame Feinde des Christentums. Wohl sehe er im Türken, resp. den Osmanen, das Instrument, die „Zuchtrute“ des Teufels und damit auch Gottes, gleichwohl stünde der Papst diesem als gewalttätiger Antichrist nicht nach. Dem Christen stünden allein der „Herr Christianus“ (die wenigen Rechtgläubigen) sowie der „Herr Carolus“ (die kaiserliche Obrigkeit) zur Verfügung, ihm selbst blieben allein die Mittel der Buße und des Gebets.[1] Luther begegnet der zeitgenössischen Kriegspropaganda – in seiner Diktion dem „Reizen“ – mit Kritik an den obrigkeitlichen Bestrebungen des Papstes ebenso wie dem kirchlichen Machtstreben des Kaisers: „Denn der Kaiser ist nicht das Haupt der Christenheit noch Beschirmer des Evangeliums… Mit jenem Reizen macht man es nur ärger“ … „wenn der Kaiser die Ungläubigen und Unchristen vertilgen sollte, so müsst er mit dem Papst … anfangen …“. Aus dem kriegerischen Konzert zeitgenössischer Medien sticht sein folgender Satz als Zeichen einer relativen Besonnenheit hervor: „Laß den Türken glauben und leben wie er will, ebenso wie man das Papsttum und andere falsche Christen leben läßt.“[2] 1541 griff Suleiman I. erneut die Ungarn an, die im August eine Niederlage bei Budapest erlitten. Im September beauftragte Kurfürst Johann Friedrich Luther und Bugenhagen, den Predigern „vorsorglich und vorzüglich“ zu befehlen, dass sie „das Volk in allen Predigten zum Gebete abberührter Türken von der bevorstehenden Not und tyrannischer Handlungen halber mit höchstem Ernst wollten ermahnen“. Zudem kursierte das Gerücht, der Papst habe sich im Juli 1542 einem Pakt Frankreich mit den Türken gegen Deutschland angeschlossen und sei für die bis 1541 grassierenden Brandstiftungen in Deutschland verantwortlich.[3] Am 11. Oktober erschien Luthers „Vermahnung zum Gebet wider den Türken“.[4] Die im Lied Z. 2 vorgenommene Verbindung von Papst und Türke erscheint als das Resultat jener zwölf Jahre zuvor dargelegten Überlegungen. Das Lied reiht sich in die aus aktuellem Anlass entstandenen zahlreiche Kriegsgesänge.[5] Das KinderliedDas Lied wurde mündlich überliefert und gleich nach seiner Entstehung als Kinderlied in Wittenberg gesungen. Man sah im Gebet unschuldiger Kinder eine letzte Rettung in der Gefahr.
ReaktionenKatholische Reaktionen1586 erschien an der Katholischen Universität Ingolstadt eine Umdichtung des als skandalös empfundenen Liedes[8] in „Sechs schöne katholische Lieder“. Parodiert wurde es u. a. auch mit Versen wie „Erhalt uns, Herr, bei deiner Wurst, / Sechs Maß, die löschen einen den Durst.“ In den katholischen Territorien wurde das Lied zum meistverfolgten evangelischen Gesang. So wurde es am 19. Mai 1559 in Straßburg und 1662 in Öls verboten, 1713 in ganz Schlesien. In Bayern gestand man den Evangelischen den Gesang ausschließlich am Reformationstag zu. Evangelische ModifikationenNach der Niederlage der oberdeutschen Städte besuchte der Kaiser vom 24. bis 29. März 1547 die Stadt Nürnberg, die daher am 3. März 1547 den Gesang aller deutschen Lieder in der Öffentlichkeit verbot. Am 6. März spitzt sie das Verbot zu: „Dieweil der Gesang „Erhalt uns Herr …“ bisher täglich in den Kirchen dreimal gesungen worden ist, daraus aber erfolgt, dass er zur Verachtung kommen, und dann auch bei der kaiserlichen Majestät augenblicklichen Hiersein allerlei Verweis und Nachreden beim fremden Gesinde darauf erfolgen möchten, ist erlassen, dass man hinfort solchen Gesang in allen Kirchen nur einmal am Tage, nämlich morgens früh zur Messe singe“. Im Zuge des Augsburger Interims 1548 milderte der Papstkritiker Andreas Osiander die zweite Zeile formal mit der Begründung ab, der Teufel selbst sei es ja, der den Papst antreibe: „Und wehr des Teufels Lüsten und Mord“. Der Nürnberger Rat verordnete am 22. Dezember 1548 in diesem Sinn den Wortlaut Erhalt uns Herr bei deinem Wort Weitere Modifikationen des 16. Jahrhunderts waren:
Bei Nikolaus Selnecker (1530–1592) ist das Lied einmal in der Fassung mit 5, einmal mit 13 Strophen vertreten. Cyriakus Spangenberg (1528–1604) schuf eine 24-strophige Fassung. Es gab ebenso lateinische Übertragungen. Als Kampflied gegen die Calvinisten erreichte es einen Umfang von 79 Strophen. Eine Parodie „Erhalt uns Papst bei deinem Wort“ griff den Kalenderstreit auf. Mit dem Interim und dem Westfälischen Frieden wuchsen die Bedenken und man begriff die fragwürdige Wendung als „gegen die unter den Religionen so hoch bedungene Modestie und Ehrerbietung anstößig“.[11] Abänderungsvorstöße stießen jedoch bis ins 18. Jahrhundert auf heftigen evangelischen Widerspruch. So erhoben 1626 die Leipziger und 1662 die Wittenberger Theologische Fakultät Einspruch gegen Eingriffe in den Luthertext. Das Lied wurde im Wesentlichen ungeändert zusammen mit dem Da-pacem-Vers in den evangelischen Gottesdiensten bis Mitte des 18. Jahrhunderts gesungen. Erst mit dem Pietismus erfolgte eine kontinuierliche Abmilderung. Johann Anastasius Freylinghausen tilgte das Lied in seiner Sammlung 1704 zunächst ganz, woraufhin er heftig angegriffen wurde: Er brachte es 1714 in der Neuauflage zwar wieder, setzte jedoch über die anstößigen Worte die Wendung „der Feinde Christi“ und stellte damit die Auswahl ins Benehmen der Sänger. Weitere Modifikationen des 18. Jahrhunderts waren: 1719: Halle: Und steur der Feinde Christi Mord… Weitere:
Johann Sebastian Bach hält hingegen in seiner Kantate Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort, BWV 126 (1725) am Luthertext fest, und ergänzt die Zahl der beiden Erzfeinde im Choral Nr. 3 um die ausdrücklich „innerer Feind“ genannten falschen Brüder in den eigenen Reihen, sowie den „letzten Feind“, den Tod. Von Johann Heinrich Voß (1751–1826) ist eine antiklerikale Parodie überliefert: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort,/ Und jage Päpst und Junker fort! (1819). TextDas zwölfzeilige in Paarreimen aufgebaute Lied mit drei trinitarisch gegliederten je vierzeiligen Strophen findet sich im Evangelischen Gesangbuch (EG 193).
ÜbersetzungenIns Dänische übersetzt „Behold os, Herre! ved dit ord...“ 1556, 1569, 1573 und 1837 (bearbeitet von Nikolai Frederik Severin Grundtvig),1888; in der letzten Bearbeitung im dänischen Gesangbuch Den Danske Salme Bog, Kopenhagen 1993, Nr. 296, mit einer Strofe. Übernommen in das dänische Gesangbuch Den Danske Salmebog, Kopenhagen 2002, Nr. 337.[18] Literatur
Anmerkungen
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