Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Technisches Endosulfan ist eine Mischung von drei Stereoisomeren. Es besteht aus den beiden Diastereomeren α-Endosulfan und β-Endosulfan im Verhältnis von 7:3, wobei α-Endosulfan als Racemat vorliegt.[5] β-Endosulfan besitzt eine Symmetrieebene[6], ist also eine meso-Verbindung. Der Mechanismus der temperaturabhängigen irreversiblen Isomerisierung von β-Endosulfan in racemisches α-Endosulfan wurde mit spektroskopischen Methoden untersucht.[6]
Die Verwendung von Endosulfan ist in der Europäischen Union und in vielen anderen Ländern verboten.[10] Allerdings ist es immer noch in Ländern wie China und Indien in Gebrauch. In den USA ist es seit 2010 verboten.[11] Es wurde bis 2007 von Bayer CropScience[12] und wird derzeit von Makhteshim Agan und Hindustan Insecticides hergestellt und unter den Handelsnamen Thiodan, Phaser und Benzoepin vermarktet.
Wegen der hohen Giftigkeit und der Fähigkeit, sich in Organismen und der Umwelt anzureichern, wurde 2011 mit dem Stockholmer Übereinkommen ein weltweites Verbot ausgesprochen.[13]
In den Vereinigten Staaten wurde Endosulfan ausschließlich für die Agrarwirtschaft zugelassen, wo es in größeren Mengen beim Anbau von Baumwolle, Kartoffeln und Äpfeln in Gebrauch war.[14] Die Environmental Protection Agency (EPA) schätzt, dass zwischen 1987 und 1997 etwa 700 Tonnen Endosulfan benutzt wurden.[15]
Später wurde der Verbindung stufenweise die Zulassung entzogen:
2000 wurde von der EPA die Zulassung für Privatanwendungen entzogen.[16]
Der United States Fish and Wildlife Service empfahl 2002 der EPA, die Verwendung von Endosulfan zu beenden.[17] Die EPA stellt fest, dass für kleine Kinder im Alter zwischen ein und sechs Jahren ein Risiko einer akuten Vergiftung aufgrund von Endosulfan-Rückständen im Essen besteht. Die EPA schränkte die Verwendung daraufhin für den Agrarbereich ein, aber die Zulassung blieb bis 2010 bestehen.[18]
Die Internationale Gemeinschaft unternahm 2007 Schritte, um den Gebrauch und den Handel von Endosulfan einzuschränken. Im Rotterdamer Übereinkommen wurde Endosulfan unter anderen als Einzelsubstanz aufgeführt. Die Europäische Kommission empfahl die Aufnahme in die Liste von verbotenen Chemikalien des Stockholmer Übereinkommens. Wenn möglich, sollten danach der Gebrauch und die Herstellung weltweit verboten werden. Bayer CropScience nahm Endosulfan in den Vereinigten Staaten vom Markt. Andere Märkte blieben aber unangetastet.[19]
Mehrere US-amerikanische Agrarvereinigungen und Wissenschaftler forderten 2008 das Verbot seitens der EPA.[20]
Im Süden Brasiliens wurden 2010 Spuren von Endosulfan in Bio-Soja gefunden.[21]
Im April 2011 wurde Endosulfan als POP in die Anlage A des Stockholmer Übereinkommens aufgenommen. Daraus ergibt sich ein weltweites Herstellungs- und Anwendungsverbot in Pflanzenschutzmitteln, das mit mehrjährigen Übergangsfristen für bestimmte Kulturen 2012 in Kraft trat.[12] Die Aufnahme war bereits an der Vertragsstaatenkonferenz von 2009 geplant, scheiterte aber damals am Widerstand Indiens.[22]
Sicherheitshinweise
Endosulfan wurde anfangs von der WHO nur als moderat giftig eingestuft (LD50 von 80 mg/kg). Nachdem neuere Untersuchungen LD50 Werte zwischen 18 und 355 mg/kg ergaben, stufte die EPA und die WHO (ab 1998) die Verbindung als hochgiftig ein. Durch verschiedene Unfälle mit der Verbindung kam es zu Wasserverseuchung, Fischsterben und vor allem in Entwicklungsländern auch zu Vergiftungen von Menschen. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat Endosulfan hinsichtlich ihrer Fähigkeit Krebs zu verursachen nicht klassifiziert.[19] Einige Untersuchungen berichten jedoch von einer krebsfördernden Wirkung. Die Verbindung besitzt (wie DDT) auch östrogene Eigenschaften.[17]
Endosulfan ist ein Nervengift für Insekten (LD50 von etwa 7 µg/Honigbiene), aber auch für Säugetiere, also auch für den Menschen. Der LD50-Wert wurde zu 18–355 mg/kg bestimmt.[19] Es wirkt als GABA-Antagonist (γ-Aminobuttersäure) auf den transmittergesteuerten Chloridionenkanal. Zusätzlich inhibiert es die Ca2+,Mg2+-ATPasen. Beide Effekte wirken auf die Informationsweitergabe im Neuron.[24] Die Symptome einer akuten Vergiftung sind Hyperaktivität, Zittern, Krämpfe, der Koordinationsverlust, Atemnot, Übelkeit und Brechreiz. In schweren Fällen treten dann Bewusstlosigkeit und der Tod ein; es sind Fälle beschrieben worden, dass bei Menschen der Tod nach einer Dosis von weniger als 35 mg/kg eingetreten ist.[25]
Verhalten in der Umwelt
Endosulfan ist eine flüchtige organische Verbindung und daher anfällig für atmosphärischen Ferntransport. Es wird in der Umwelt oxidativ zu Endosulfansulfat umgewandelt, welches wiederum zu Endosulfandiol, Endosulfanether oder anderen Metaboliten abgebaut wird.[26][27] Endosulfansulfat weist eine höhere Toxizität auf als das Ausgangsmolekül und ist häufig die dominierende Komponente in der Umwelt, z. B. in Böden.[28][29]
Am 19. Juni 1969 führte eine Einleitung der Chemikalie in den Rhein zu einem umfassenden Fischsterben im Mittel- bis in den Niederrhein („vom Hubschrauber aus war der Fluss aufgrund der bäuchlings schwimmenden Fischkadaver silbrig“). Die Ursache konnte bislang nicht ermittelt werden;[31][32] ein Verfahren der Staatsanwaltschaft wurde damals ergebnislos eingestellt.
Gemutmaßt wurde, dass die Kontamination auf die damalige Produzentin Hoechst AG am Untermain zurückgehe oder dass am Binger Loch einige Fässer des sehr fischgiftigen Insektizids von einem Frachtschiff in den Rhein gefallen seien. Begünstigt wurde das Fischsterben durch das infolge einer Hitzeperiode recht warme Flusswasser sowie durch die damals aufgrund noch sehr weniger Klärwerke hohe organische Belastung des Rheins mit jeweils entsprechender Verringerung des Sauerstoffgehalts. Diese Umweltkatastrophe führte initiativ zu einer Verschärfung des deutschen Gewässerschutzes, das Wasserhaushaltsgesetz und die Abwasserverordnung wurden von den bislang geltenden weicheren „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ auf den schärferen „Stand der Technik“ umgestellt.[33]
↑ abSylvan E. Forman, Antony J. Durbetaki, Michael V. Cohen, R. A. Olofson: Conformational Equilibria in Cyclic Sulfites and Sulfates. The Configurations and Conformations of the Two Isomeric Thiodans, J. Org. Chem. 30 (1965) 169–175, doi:10.1021/jo01012a039.
↑G. Smith, C. H. L. Kennard, K. G. Shields: Insecticides. XI. Crystal structure of endosulfan, β-6,7,8,9,10,10-Hexachloro-1,5,5a,6,9,9a-hexahydro-endo-6,9-methano-2,4,3-benzodioxathiepin 3-Oxide, Australian Journal of Chemistry30 (1977), 911–916, doi:10.1071/CH9770911.
↑ abWalter F. Schmidt, Cathleen J. Hapeman, Laura L. McConnell, Swati Mookherji, Clifford P. Rice, Julie K. Nguyen, Jianwei Qin, Hoyoung Lee, Kuanglin Chao, Moon S. Kim: Temperature-Dependent Raman Spectroscopic Evidence of and Molecular Mechanism for Irreversible Isomerization of β-Endosulfan to α-Endosulfan. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry.62 (2014), 2023–2030, doi:10.1021/jf404404w.
↑ abMichael C. Newman: Fundamentals of Ecotoxicology The Science of Pollution, Fourth Edition. CRC Press, 2014, ISBN 978-1-4665-8229-3, S.55 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑C. Vale, E. Fonfría, J. Bujons, A. Messeguer, E. Rodríguez-Farré, C. Suñol: The organochlorine pesticides gamma-hexachlorocyclohexane (lindane), alpha-endosulfan and dieldrin differentially interact with GABA(A) and glycine-gated chloride channels in primary cultures of cerebellar granule cells. In: Neuroscience. 117, 2003, S. 397–403, PMID 12614680.
↑Poisons Information Monograph (PIM) für Endosulfan, abgerufen am 27. Februar 2017.
↑Ackmez Mudhoo, Amit Bhatnagar, Mikko Rantalankila, Varsha Srivastava, Mika Sillanpää: Endosulfan removal through bioremediation, photocatalytic degradation, adsorption and membrane separation processes: A review. In: Chemical Engineering Journal. Band360, März 2019, S.912–928, doi:10.1016/j.cej.2018.12.055.
↑Palanivel Sathishkumar, Kannan Mohan, Abirami Ramu Ganesan, Muthusamy Govarthanan, Abdull Rahim Mohd Yusoff, Feng Long Gu: Persistence, toxicological effect and ecological issues of endosulfan – A review. In: Journal of Hazardous Materials. Band416, August 2021, S.125779, doi:10.1016/j.jhazmat.2021.125779.
↑Anne Karine Halse, Martin Schlabach, Jasmin K. Schuster, Kevin C. Jones, Eiliv Steinnes, Knut Breivik: Endosulfan, pentachlorobenzene and short-chain chlorinated paraffins in background soils from Western Europe. In: Environmental Pollution. Band196, Januar 2015, S.21–28, doi:10.1016/j.envpol.2014.09.009.
↑Bernd M. Bussian, Marchela Pandelova, Petra Lehnik-Habrink, Bernhard Aichner, Bernhard Henkelmann, Karl-Werner Schramm: Persistent endosulfan sulfate is found with highest abundance among endosulfan I, II, and sulfate in German forest soils. In: Environmental Pollution. Band206, November 2015, S.661–666, doi:10.1016/j.envpol.2015.08.023.