Edna O’Brien wurde von ihren Eltern Michael und Lena O’Brien streng katholisch erzogen. Sie besuchte in Scarriff die National School, in Loughrea den Convent of Mercy und in Dublin das Pharmaceutical College. Nach dem Abschluss arbeitete sie jedoch nur kurz als Apothekerin. 1951 heiratete sie Ernest Gébler, einen tschechisch-irischen Schriftsteller, mit dem sie 1959 nach London übersiedelte. Die 1967 geschiedene Ehe brachte zwei Kinder hervor, darunter den Schriftsteller Carlo Gébler.
Im Jahr 1960 veröffentlichte O’Brien ihren Debütroman und begann damit ihre Karriere als Schriftstellerin. Als Drehbuchautorin wirkte sie zudem von den 1960ern bis in die 1980er Jahre an einer Reihe von Verfilmungen ihrer eigenen Bücher für Film und Fernsehen mit. Insgesamt schuf sie mehr als 40 Romane, Drehbücher und Theaterstücke.[1]
Edna O’Brien starb nach langer Krankheit im Juli 2024 im Alter von 93 Jahren in London und wurde u. a. vom irischen Präsidenten Michael D. Higgins umfassend gewürdigt.[2] Ihre Beisetzung erfolgte auf Holy Island, einer unbewohnten Insel im irischen Lough Derg.[3][4]
Rezeption
O’Brien gilt als frühe Feministin und rief mit ihren Werken heftige Kontroversen hervor.[1] Ihr erster Roman war The Country Girls, 1960 (deutsch: Die Fünfzehnjährigen, 1961). In diesem Buch und in den zwei Fortsetzungen, The Lonely Girl (1962) und Girls in Their Married Bliss (1964), übte sie Kritik an den frauenunterdrückenden Strukturen in ihrer Familie, aber auch in Irland insgesamt. Frauen durften im Irland der Nachkriegszeit negative Gefühle über Misshandlung oder familiäres Unglück nicht äußern. Sie mussten stattdessen den Laden am Laufen halten, während die Männer sich hilflos betranken. Bei alledem hatten Frauen zu schweigen.
O’Briens Bücher, die sie erst in England schrieb, wurden von den jungen Frauen in England begeistert aufgenommen. In Irland stießen sie auf vehemente Kritik der überwiegend männlichen Obrigkeit. Auslöser für die Kritik war in erster Linie die in den Büchern beschriebene erotische Freizügigkeit.[1] Die Mutter wurde wegen der Bücher ihrer Tochter angegriffen. Der Erzbischof und Minister der Regierung verdammten die Bücher.[5] Sie wurden sogar öffentlich verbrannt[6] und in Irland verboten.[1]
Die nordirische Schriftstellerin Eimear McBride gab an, von ihren Werken beeinflusst worden zu sein.[7]
Auszeichnungen und Mitgliedschaften
O’Brien bzw. ihre Werke erhielten zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2012 einen Irish Book Award für ihre Autobiografie Country Girl. 2018 erhielt sie den mit 50.000 US-$ dotierten PEN/Nabokov Award für ihr Lebenswerk[8] sowie 2019 den mit 40.000 £ dotierten David Cohen Prize, ebenfalls für ihr Lebenswerk.[9] 2020 wurde ihr Roman Girl mit dem Kerry Group Irish Novel of the Year Award ausgezeichnet.
O’Brien war Mitglied der irischen Künstlervereinigung Aosdána und wurde dort als Saoi ausgezeichnet. Ab 1987 war sie zudem Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters.[11] Ab 2011 kam sie zur Royal Society of Literature[12] und ab 2020 erhielt sie als eine von zwölf Personen, die höchste Auszeichnung der Royal Society of Literature, den Titel „Companion of Literature“,.[13]
Werke
Romane
1960 The Country Girls
Die Fünfzehnjährigen, dt. von Jeanie Ebner; Rütten & Loening, Hamburg 1961; NA 2018 unter demselben Titel, dt. von Stefanie Jacobs; Atlantik, Hamburg 2018, ISBN 978-3-455-00450-2
1962 The Lonely Girl (auch unter dem Titel Girl with Green Eyes veröffentlicht)
Sie hätten im Sommer kommen sollen (Fernsehfilm / D 1972, Regie: Hans Bachmüller)
Over (Episode der Fernsehserie Then and Now / UK 1973, Regie: Robert Knights)
Mrs Reinhardt (Fernsehfilm / UK 1981, Regie: Piers Haggard)
Julia (Teil des Episodenfilms Love / UK 1982, Regie: Mai Zetterling)
The Country Girls (Fernsehfilm / UK 1984, Regie: Desmond Davis)
Wild Decembers (Fernsehfilm / UK 2009, Regie: Anthony Byrne)
Verfilmungen
Girl With Green Eyes (Film / UK 1964, Regie: Desmond Davis / dt. Die erste Nacht)
Mrs Reinhardt (Fernsehfilm / UK 1981, Regie: Piers Haggard)
The Country Girls (Fernsehfilm / UK 1984, Regie: Desmond Davis)
Wild Decembers (Fernsehfilm / UK 2009, Regie: Anthony Byrne)
Literatur
Grace Eckley: Edna O’Brien. University Press, Lewisburg 1974, ISBN 0-8387-7838-0.
Amanda Greenwood: Edna O’Brien. Northcote House Publ., Tavistock 2003, ISBN 0-7463-0967-8.
Kathryn Laing: Edna O’Brien. New critical perspectives. Carysfort Press, Dublin 2006, ISBN 1-904505-20-1.
Ellen R. Malenas: An imagined Irish childhood. Representations of female identity formation and development in the novels of Kate O’Brien, Maura Laverty, and Edna O’Brien. Dissertation, Trinity College, Dublin 1998.
Helen Thompson: The role of Irish women in the writings of Edna O’Brien. Mothering the continuation of the Irish nation. Mellen Press, Lewiston, N.Y. 2010, ISBN 978-0-7734-3672-5.
↑Peter Lewis, Rezension von Country Girl in Daily Mail vom 12. Oktober 2012. Paying the price for passion Abruf am 4. April 2020.
↑Die Welt, 9. April 2020. „Wörter sind zugleich meine Peiniger und meine besten Freunde.“ Edna O’Brien war in ihrer Heimat Irland lange verpönt. Ein Gespräch über die Grausamkeiten des Lebens, die Untiefen des Schreibens und ihren Freund Philip Roth.